183
langen, schlehweissen Bart. Es steckte in einer
alten, längst verschwundenen Tracht, aber die
Schnabelschiihlein waren mit blitzenden Schnal-’
len besetzt, und das runde Käppchen auf dem
eisgrauen Haar — der Kohlengräber trug einen
breiten Filzhut — entsprach den hirschledemen
Kniehosen und dem schmalen, mit Silberschup
pen gezierten Hüftgürtel, Gesellen wir noch die
grünen Strümpfe, den erdbraunen Kittel und den
mit Silbernägeln beschlagenen Bergstock hinzu,
so ist das Bild vollständig, und wir erkennen das
Bergmännlein, den Berggeist, der überall, wo
Kohlen und Erze gegraben werden, daheim ist.
« Kopf hoch, Geissensepp ! Ich schätze deinen
Fleiss und dein ehrliches Mühen ums tägliche
Brot und will dir helfen. »
Die nah an seinem Ohr erklingende Stimme
riss den Kohlengräber empor, und er starrte mit
weitgeöffneten Augen auf die unerwartete Er
scheinung.
« Ich bin der Herr der Tiefen, » aber sprach
das Männlein unbeirrt weiter, « und kenne alle
Flöze dieses Landes, die Kohlen oder Minera
lien enthalten.» Dann löste der Berggeist eine
kleine, kupferne Grubenlampe vom Gürtel, über
reichte sie Sepp und fuhr fort: «Nimm sie wohl
in acht, und schreitest du mit ihr über ein ver
borgenes Flöz, so wird sie so schwer in deiner
Hand, dass sie dich fast zu Boden zieht... Und
damit du für die kommenden arbeitslosen Wochen
über einen Notheller verfügst» — das Berg
männlein zog eine alte, abgegriffene Münze aus
der Gürteltasche — «steck dieses Geldstück
ein.»
B^vor Sepp ein Dankwort stammeln konnte,
hatte die Erde den Berggeist verschlungen, aber
seine Geschenke hielt er in den Händen, und
die Erscheinung war kein narrender Traum.
Im Taglöhnerhäuschen wanderten die Lampe
und das Geldstück von Hand zu Hand, und die
Frau und die Kinder schüttelten zu den un
scheinbaren Dingen den Kopf und waren voller
Zweifel:
Sepp aber verschloss die Lampe in der Kleider
truhe und barg das alte abgegriffene Silberstück,
dessen Prägung niemand enträtseln konnte, in
einer Schweinsblase. Zu einem ledernen Geld
beutel hatte es noch nicht gereicht, und die
Münze verschwand zwischen einer Handvol!
geringer Kreuzer und dem letzten Gulden. Jedoch
von dieser Stunde an nahm das Geld nicht mehr
ab, und nach jeder Ausgabe blieben die Kreuzer
und der Gulden übrig.
Da drängte es den Kohlengräber, auch die
Lampe zu erproben, und wie er mit ihr an
einem warmen Vorlenztag über die Flur schritt,
musste er sie dreimal auf die Erde stellen, so
schwer war sie geworden. Sepp zeichnete diese
Plätze mit einem Pfahl und riet den Bauern,
dort nachzugraben. Sie fanden zu ihrem Er
staunen jedesmal ein ergiebiges Kohlenflöz, und
nachdem die Lampe auch einige Erznester ent
deckt hatte, nahm der Landesherr den Geissen
sepp in seinen Sold.
« Du sollst mir alles Erz enthüllen, das meine
Grafschaft birgt,» forderte er den Schatzsucher
auf, und mit den neuen Erzgruben und Eisen
schmelzen wuchs auch die Taglöhnerhütte empor
und unterschied sich nach zwei Jahren nicht
mehr von den Bauernhäusern. Auch standen
nun Kühe und Pferde im Stall, und statt der
Geissen trieben die Kinder ein Dutzend Rinder
auf die Wiesen, die der Graf seinem «Eisen
sucher » übereignet hatte.
«Jetzt sitzen wir endlich auf einem grünen
Zweig, » freute sich die Frau, die sich nun ganz
ihrer Haushaltung widmen konnte; und war der
Vater unterwegs, dann lenkte schon der Aelteste
den Pflug, und im Sommer fanden sich Tag
löhner genug, um bei der Ernte zu helfen.
« Nun haben die Münze und die Lampe ihren
Zweck erfüllt,» aber drang, während Sepp
seinen hundertsten Pfahl einschlug, die Stimme
des Bergmännleins aus der Erde, « und würden
sie noch weiterwirken, so wäre es dein Schaden.»
Zunächst erschrak der Schatzgräber, dann
aber erinnerte er sich an den wachsenden Hoch
mut und die hässliche Geldgier, die sein schlich
tes, ehrbares Wesen zu verderben drohten, und
er entgegnete : « Nehmt zurück, was Euer ist,
und habt tausendfältigen Dank.»
Da sprudelte neben dem Pfahl eine kristall
klare Quelle aus dem Boden, und der Geissen
sepp verstand sie zu deuten und bewahrte bis
zu seinem Tode sein lauteres Gemüt.
CI. Schm.