Full text: 1949 (0077)

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langen, schlehweissen Bart. Es steckte in einer 
alten, längst verschwundenen Tracht, aber die 
Schnabelschiihlein waren mit blitzenden Schnal-’ 
len besetzt, und das runde Käppchen auf dem 
eisgrauen Haar — der Kohlengräber trug einen 
breiten Filzhut — entsprach den hirschledemen 
Kniehosen und dem schmalen, mit Silberschup 
pen gezierten Hüftgürtel, Gesellen wir noch die 
grünen Strümpfe, den erdbraunen Kittel und den 
mit Silbernägeln beschlagenen Bergstock hinzu, 
so ist das Bild vollständig, und wir erkennen das 
Bergmännlein, den Berggeist, der überall, wo 
Kohlen und Erze gegraben werden, daheim ist. 
« Kopf hoch, Geissensepp ! Ich schätze deinen 
Fleiss und dein ehrliches Mühen ums tägliche 
Brot und will dir helfen. » 
Die nah an seinem Ohr erklingende Stimme 
riss den Kohlengräber empor, und er starrte mit 
weitgeöffneten Augen auf die unerwartete Er 
scheinung. 
« Ich bin der Herr der Tiefen, » aber sprach 
das Männlein unbeirrt weiter, « und kenne alle 
Flöze dieses Landes, die Kohlen oder Minera 
lien enthalten.» Dann löste der Berggeist eine 
kleine, kupferne Grubenlampe vom Gürtel, über 
reichte sie Sepp und fuhr fort: «Nimm sie wohl 
in acht, und schreitest du mit ihr über ein ver 
borgenes Flöz, so wird sie so schwer in deiner 
Hand, dass sie dich fast zu Boden zieht... Und 
damit du für die kommenden arbeitslosen Wochen 
über einen Notheller verfügst» — das Berg 
männlein zog eine alte, abgegriffene Münze aus 
der Gürteltasche — «steck dieses Geldstück 
ein.» 
B^vor Sepp ein Dankwort stammeln konnte, 
hatte die Erde den Berggeist verschlungen, aber 
seine Geschenke hielt er in den Händen, und 
die Erscheinung war kein narrender Traum. 
Im Taglöhnerhäuschen wanderten die Lampe 
und das Geldstück von Hand zu Hand, und die 
Frau und die Kinder schüttelten zu den un 
scheinbaren Dingen den Kopf und waren voller 
Zweifel: 
Sepp aber verschloss die Lampe in der Kleider 
truhe und barg das alte abgegriffene Silberstück, 
dessen Prägung niemand enträtseln konnte, in 
einer Schweinsblase. Zu einem ledernen Geld 
beutel hatte es noch nicht gereicht, und die 
Münze verschwand zwischen einer Handvol! 
geringer Kreuzer und dem letzten Gulden. Jedoch 
von dieser Stunde an nahm das Geld nicht mehr 
ab, und nach jeder Ausgabe blieben die Kreuzer 
und der Gulden übrig. 
Da drängte es den Kohlengräber, auch die 
Lampe zu erproben, und wie er mit ihr an 
einem warmen Vorlenztag über die Flur schritt, 
musste er sie dreimal auf die Erde stellen, so 
schwer war sie geworden. Sepp zeichnete diese 
Plätze mit einem Pfahl und riet den Bauern, 
dort nachzugraben. Sie fanden zu ihrem Er 
staunen jedesmal ein ergiebiges Kohlenflöz, und 
nachdem die Lampe auch einige Erznester ent 
deckt hatte, nahm der Landesherr den Geissen 
sepp in seinen Sold. 
« Du sollst mir alles Erz enthüllen, das meine 
Grafschaft birgt,» forderte er den Schatzsucher 
auf, und mit den neuen Erzgruben und Eisen 
schmelzen wuchs auch die Taglöhnerhütte empor 
und unterschied sich nach zwei Jahren nicht 
mehr von den Bauernhäusern. Auch standen 
nun Kühe und Pferde im Stall, und statt der 
Geissen trieben die Kinder ein Dutzend Rinder 
auf die Wiesen, die der Graf seinem «Eisen 
sucher » übereignet hatte. 
«Jetzt sitzen wir endlich auf einem grünen 
Zweig, » freute sich die Frau, die sich nun ganz 
ihrer Haushaltung widmen konnte; und war der 
Vater unterwegs, dann lenkte schon der Aelteste 
den Pflug, und im Sommer fanden sich Tag 
löhner genug, um bei der Ernte zu helfen. 
« Nun haben die Münze und die Lampe ihren 
Zweck erfüllt,» aber drang, während Sepp 
seinen hundertsten Pfahl einschlug, die Stimme 
des Bergmännleins aus der Erde, « und würden 
sie noch weiterwirken, so wäre es dein Schaden.» 
Zunächst erschrak der Schatzgräber, dann 
aber erinnerte er sich an den wachsenden Hoch 
mut und die hässliche Geldgier, die sein schlich 
tes, ehrbares Wesen zu verderben drohten, und 
er entgegnete : « Nehmt zurück, was Euer ist, 
und habt tausendfältigen Dank.» 
Da sprudelte neben dem Pfahl eine kristall 
klare Quelle aus dem Boden, und der Geissen 
sepp verstand sie zu deuten und bewahrte bis 
zu seinem Tode sein lauteres Gemüt. 
CI. Schm.
	        
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