Full text: 1949 (0077)

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jH ls man die Bergleute noch Kohlen- 
gräber nannte und jeder 
Bauer gegen eine geringe 
WtjJj g» Abgabe die in seinen 
%MaÄiL Äckern und Waldungen zu 
Tage streichenden Kohlen- 
Ba| wohnte in einem Dorfe des 
unteren Köllertales der 
Geissensepp. Er hauste mit der Frau und sieben 
unerwachsenen Kindern in einer unscheinbaren 
Hütte, die verschämt zu den stattlichen Bauern 
häusern aufblickte, und besass neben einer dürf 
tigen Bergwiese nur zwei schmale Äckerlein, die 
kaum Brot bis Weihnachten spendeten. Um nicht 
zu hungern, standen Sepp und sein Weib vom 
Frühjahr bis in den Winter hinein bei den 
Bauern im Taglohn, aber die Lebensmittel, die 
sie erhielten, reichten gerade fürs nackte Leben. 
« Bald laufen die Kinder bloss und barfuss,» 
jammerte die Mutter, wenn sie bis spät in die 
Nacht hinein die durchlöcherten Kleider und 
Strümpfe stopfte oder in der Morgenfrühe die 
zerrissenen Schuhe mit Darmfett schmierte, und 
ihre Klagen schnitten dem Mann ins Herz. 
«Vielleicht versuche ich’s auch mit dem 
Kohlengraben,» meinte er, nachdem die Dresch 
flegel ruhten, und begann mitten im Winter nach 
Kohlen zu schürfen. Es war ein armseliges, ma 
geres Flöz, das am Hang der Bergwiese ausstrich, 
aber Sepp Hess sich nicht abschrecken und 
wühlte sich so tief in die Erde, dass er Holz 
stempel unter die Stollendecke schieben und das 
Dunkel mit einem Oellämpchen erhellen musste. 
Da der Taglöhner nur Geissen und kein eige 
nes Gespann besass, luden die Bauern seine 
Kohlen zu den ihren und verkauften sie an die 
Schmiede und Kalkbrenner der Umgegend. Wenn 
dabei auch nicht viel abfiel, so reichten die sauer 
verdienten Batzen doch, um die grössten Not 
löcher zu schliessen. 
« Das Flöz wird höher und ergiebiger,» sagte 
Sepp, bevor die grosse Schneeschmelze ein 
setzte, «und ich hätte eigentlich schon eher in 
den Berg gehen müssen. » 
« Vielleicht gräbst du den Sommer hindurch 
weiter, und statt zu taglöhnem, kann ich die 
Kohlen ans Tageslicht schleppen,» entgegnete 
die Frau, und beide sassen lange beisammen und 
beredeten das Für und Wider. 
« Ich will mirs überlegen, aber eigentlich ge 
hört eine Mutter von sieben Kindern ins Haus, » 
sagte Sepp abschliessend, und die Frau seufzte 
beklommen und meinte, so weit brächte sie es 
wohl nie. 
Am Morgen aber setzte das Tauwetter ein, 
und als Sepp gegen Abend heimkehrte, waren 
seine Kleider wie durch den Bach gezogen. « Der 
ganze Berg ist voller Rinnsale und Quellen, und 
das Wasser dringt von allen Seiten in den Stol 
len,» brummte er verdrossen, und die Kinder 
entsetzten sich vor der schwarzen Brühe, die er 
aus den Strümpfen und dem Schaffhemd presste. 
«Bleib ein paar Tage daheim,» bat die Frau, 
aber Sepp wollte nichts davon wissen und lieh 
sich beim Nachbar eine Pferdedecke. « Sie wird 
mich vor dem Gröbsten bewahren,» versicherte 
er und stand in der regengepeitschten Morgen 
frühe vor dem — eingestürzten Stollen. 
Mit trüben Augen und enttäuschtem Herzen 
starrte er in die schmutzige Flut, die ihm ent 
gegenquoll, und umschritt mit bebenden Knien 
das nächtliche Zerstörungswerk. Die Wasser 
hatten die Streben umgerissen und die haltlosen 
Erdmassen den Eingang verschüttet. 
« Der ganze Bau ist eingesackt, und nicht mal 
das Gezäh fand den Weg ins Freie.» Den 
Geissensepp überfiel lähmende Schwäche, und 
er sank auf einen fortgeschwemmten Holzstem 
pel. Das Gesicht in den Händen vergrabend, 
kauerte er im klatschenden Regen und stöhnte 
so verzweifelt, dass er nicht merkte, wie ein 
Männlein neben ihn trat und ihn voll Mitleid 
betrachtete. 
Es war ein seltsames, zwerghaftes Männlein 
mit zahllosen Runzeln im Gesicht und einem
	        
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