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jH ls man die Bergleute noch Kohlen-
gräber nannte und jeder
Bauer gegen eine geringe
WtjJj g» Abgabe die in seinen
%MaÄiL Äckern und Waldungen zu
Tage streichenden Kohlen-
Ba| wohnte in einem Dorfe des
unteren Köllertales der
Geissensepp. Er hauste mit der Frau und sieben
unerwachsenen Kindern in einer unscheinbaren
Hütte, die verschämt zu den stattlichen Bauern
häusern aufblickte, und besass neben einer dürf
tigen Bergwiese nur zwei schmale Äckerlein, die
kaum Brot bis Weihnachten spendeten. Um nicht
zu hungern, standen Sepp und sein Weib vom
Frühjahr bis in den Winter hinein bei den
Bauern im Taglohn, aber die Lebensmittel, die
sie erhielten, reichten gerade fürs nackte Leben.
« Bald laufen die Kinder bloss und barfuss,»
jammerte die Mutter, wenn sie bis spät in die
Nacht hinein die durchlöcherten Kleider und
Strümpfe stopfte oder in der Morgenfrühe die
zerrissenen Schuhe mit Darmfett schmierte, und
ihre Klagen schnitten dem Mann ins Herz.
«Vielleicht versuche ich’s auch mit dem
Kohlengraben,» meinte er, nachdem die Dresch
flegel ruhten, und begann mitten im Winter nach
Kohlen zu schürfen. Es war ein armseliges, ma
geres Flöz, das am Hang der Bergwiese ausstrich,
aber Sepp Hess sich nicht abschrecken und
wühlte sich so tief in die Erde, dass er Holz
stempel unter die Stollendecke schieben und das
Dunkel mit einem Oellämpchen erhellen musste.
Da der Taglöhner nur Geissen und kein eige
nes Gespann besass, luden die Bauern seine
Kohlen zu den ihren und verkauften sie an die
Schmiede und Kalkbrenner der Umgegend. Wenn
dabei auch nicht viel abfiel, so reichten die sauer
verdienten Batzen doch, um die grössten Not
löcher zu schliessen.
« Das Flöz wird höher und ergiebiger,» sagte
Sepp, bevor die grosse Schneeschmelze ein
setzte, «und ich hätte eigentlich schon eher in
den Berg gehen müssen. »
« Vielleicht gräbst du den Sommer hindurch
weiter, und statt zu taglöhnem, kann ich die
Kohlen ans Tageslicht schleppen,» entgegnete
die Frau, und beide sassen lange beisammen und
beredeten das Für und Wider.
« Ich will mirs überlegen, aber eigentlich ge
hört eine Mutter von sieben Kindern ins Haus, »
sagte Sepp abschliessend, und die Frau seufzte
beklommen und meinte, so weit brächte sie es
wohl nie.
Am Morgen aber setzte das Tauwetter ein,
und als Sepp gegen Abend heimkehrte, waren
seine Kleider wie durch den Bach gezogen. « Der
ganze Berg ist voller Rinnsale und Quellen, und
das Wasser dringt von allen Seiten in den Stol
len,» brummte er verdrossen, und die Kinder
entsetzten sich vor der schwarzen Brühe, die er
aus den Strümpfen und dem Schaffhemd presste.
«Bleib ein paar Tage daheim,» bat die Frau,
aber Sepp wollte nichts davon wissen und lieh
sich beim Nachbar eine Pferdedecke. « Sie wird
mich vor dem Gröbsten bewahren,» versicherte
er und stand in der regengepeitschten Morgen
frühe vor dem — eingestürzten Stollen.
Mit trüben Augen und enttäuschtem Herzen
starrte er in die schmutzige Flut, die ihm ent
gegenquoll, und umschritt mit bebenden Knien
das nächtliche Zerstörungswerk. Die Wasser
hatten die Streben umgerissen und die haltlosen
Erdmassen den Eingang verschüttet.
« Der ganze Bau ist eingesackt, und nicht mal
das Gezäh fand den Weg ins Freie.» Den
Geissensepp überfiel lähmende Schwäche, und
er sank auf einen fortgeschwemmten Holzstem
pel. Das Gesicht in den Händen vergrabend,
kauerte er im klatschenden Regen und stöhnte
so verzweifelt, dass er nicht merkte, wie ein
Männlein neben ihn trat und ihn voll Mitleid
betrachtete.
Es war ein seltsames, zwerghaftes Männlein
mit zahllosen Runzeln im Gesicht und einem