107
ERZÄHLUNG VON ALFRED PETTO • HERRENSOHR
D ie Leute, die in früherer Zeit auf der
untersten Mühle gesessen hatten, tru
gen den Spitznamen « Kater». Es
müssen alle miteinander grobe, gewalt
tätige, habgierige Menschen gewesen sein. Aus
ihren Nachkommen waren Nagelschmiede.
Besenbinder und Korbflechter geworden. An
ihnen zeigte sich auch die ererbte Art, vor
allem aber an der Geschichte mit Babs Frau,
die ich erzählen will.
Einer der Nachkommen war so ganz aus der
Art geschlagen. Er war gutherzig, sanftmütig
und bescheiden, ein fleissiger und braver Mensch.
Für sich brauchte er nie viel und schenkte von
seinem Lohn an andere, an die Kinder seiner
Geschwister, an den Totengräber, den Schweine
hirten, an alle, von denen er annehmen konnte,
dass sie vom Glück ein wenig stiefmütterlich
behandelt wurden. Sie nannten ihn nur Bab
oder Onkel Bab. Woher der Name kam, das
weiss ich nicht.
Das ging so an die zehn Jahre. Plötzlich
heiratete Bab, ein Mädchen aus dem Nachbar
dorf, das sich sehr gut stand. Das junge Paar
baute sich unterhalb des Weges, der vom
Bildchen herunterkommt, ein Haus, kaufte
Land, Vieh, Geräte. Und dann wiederum Land.
Bab verdiente ja ganz schön in der Grube.
Dann hatte er selbst drei Stücker Land und
eine Wiese mitgebracht. Der Schwiegervater
schenkte ihnen ein Kalb und danach ein zwei
tes. Und so kam Bab zu einem stattlichen
Gespann mit der Zeit, das war schon immer
sein Wunsch gewesen. Nun konnte er fuhr
werken und pflanzen und sich in Ehren vor
wärtsschaffen. Im Herbst kündigte er dann
seinen Geschwistern die drei Äcker und die
Wiese.
« Ihr wisst », sagte er, « ich brauche das Land
^a nun selber ».
Sie gaben ihm keine Antwort, doch von Stund
an gingen sie ihrem Bruder und Schwager Bab
aus dem Wege und hechelten Babs Frau über
all durch.
« Er wäre ja nicht so », sagten sie, « aber sie » !
Im dritten Jahr ihrer Ehe begann Bab zu
kränkeln, und dann legte er sich. Kinder hatten
sie noch immer keine; das war einesteils für
Babs Frau ein Glück, zum andern, wenn Bab
starb, und es liess sich ganz danach an, wieder
um ein Unglück, denn Babs Geschwister
spannten und gauten schon lange auf das Erbe
ihres Bruders. Er raffte sich zwar immer
wieder auf, als müsse er den Tod zwingen,
doch eines Tages liess er den Notar kommen,
verschrieb seiner Frau sein ganzes Vermögen,
das ersparte und das gemeinsam erworbene,
auch die drei Äcker und die Wiese, die Pfarr-
wiese im Grummetstal.
Sie weinte und winselte. « Du kannst ganz
beruhigt sein, Traud », beschwichtigte er sie,
« ich habe alles festgelegt ».
Und dann starb der gute, sanftherzige, treue
Bab.
Schon des Sonntags nach seinem Begräbnis
kamen die Geschwister zu Traud ins Haus,
zum erstenmal, seit Bab sein Land bei ihnen
gekündigt hatte, und fragten richtheraus, wie
es mit ihrer Sache wäre.
«Welcher Sache?», fragte Traud.
« Nun, die Erbschaft ! »
Traud wusste es nicht. Sie gab ihnen zur
Antwort, ihr sei nichts davon bekannt, dass sie
etwas von Bab zu erben hätten. Und ein Tes
tament sei auch nicht von Bab geschrieben
worden, so fügte sie rasch hinzu, aus Angst
vor der Habgier und Gewalttätigkeit der an
deren. Sie log, um sie rasch wieder loszusein.
Ein Testament. .. Warum sollte Bab schliess
lich ein Testament gemacht haben, wo sie,
seine Frau, doch da war? Und ausserdem stehe
es doch so im Gesetz.
«Was steht im Gesetz?», fragte der eine
Bruder listig.
« Dass Babs Vermögen auf mich übergeht. »
Darauf wussten sie im Augenblick keine
Widerlegung zu geben, und sie gingen. Sie
schlugen die Haustüre krachend zu.
Traud bekam jetzt mit einmal selber Zweifel.
Sie ging zum Scheffelsbauer und holte sich
Rat.
« Hat der Bab ein Testament geschrieben ? »,
fragte der Scheffelsbauer. «Ich meine, mir
kannst du es schon sagen, sonst kann ich dir
ja auch nicht sagen, wie die Sache liegt. »
« Ja », erwiderte Traud. « Bab hat ein Testa
ment geschrieben. Auf mich. Auf sonst nie
mand. Das weiss ich genau. »
« Und das ist dein Glück, Traud. Ohne ein
Testament hättest du nur die Nutzniessung
gehabt. Ohne ein Testament hätten Babs
Verwandte geerbt, bis zum zwölften Grad.
Und du bist nicht mit Bab verwcndt, du
bist nur seine Frau. Das steht im Gesetz.»