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von einer Brücke erhalten haben soll, die ge
genüber der heutigen Julius-Kiefer-Straße als
Verbindungsglied zweier Römerstraßen ge
standen haben soll, ist mehr denn fraglich —
Wie Saarbrücken zu der „Brücke“ in seinem
Namen gekommen ist, entzieht sich vorläufig
unserer Kenntnis, kann aber vielleicht daher
kommen, daß sein Name sehr oft und lange
Saar„ponte“ lautete, und diese Ponte, die ja
überall noch flußauf und -ab zum Übersetzen
von Fahrzeugen benutzt wird, mit „Brücke“
übersetzt wurde. Mit Rücksicht auf die un
historischen Voraussetzungen, die zu den Schu-
mann’schen Äußerungen Veranlassung gaben,
soll auf den Zeitungsbeitrag nicht näher ein
gegangen werden. Es soll lediglich festgestellt
werden, daß Schumann hinsichtlich des Na
mens Saarbrücken entschieden nachgedacht
und nicht ganz unrichtig gefolgert hat. Seit
dem Ausgang des zwölften Jahrhunderts fin
den sich nämlich die ersten lateinischen
Übersetzungen des Namens Sarabrucca in
Sarapons und Sarepont. Nur durch diese
Übersetzung ist Saarbrücken eine Brücken
stadt geworden, die sie eigentlich garnicht
war. Doch außer dem Schreinermeister C.
Schumann und Edmund von Wecus hat bis
her noch niemand die Brücke in der Namens
gebung Saarbrückens in Zweifel gezogen.
Was besagt denn aber doch die älteste, uns
Urkundlich überkommene Bezeichnung Sara
brucca? Sie findet sich zuerst bei der Burg
und erst 47 Jahre später bei der königlichen
Domäne. Die zeitliche Aufeinanderfolge des
Namens ist für dessen Lokalisierung jedoch
umso weniger maßgeblich, als späterhin selbst
noch ältere Namensformen auftauchen. Ge
schrieben wurde er (in Urkunden der Jahre):
999 Sarabruca, 1009 Sarebrugka, 1046 Sara
brucca, 1065 Salemburca, 1128 Sarebrugge,
1139 Sarebruche, 1147 Saliburche, 1152 Sar-
bruchgen, 1179 Salibruc, 1180 Salisbrucke,
1191 Salebrug, 1215 Salembruge, 1235 Sale-
brucke, 1343 Sallebrugge, 1363 Salebruche,
1374 Sarbrücke.
In der Gegend zwischen dem Köllertaler-
wald, der Mosel und dem Rhein hat sich
mancherorts die uralte Redensart erhalten:
„En es gerogt worn“ = „er ist gerügt (an
geklagt, gerichtlich geahndet, bestraft) wor
den“. „Rüge“ hieß früher das Richterkolle
gium. Es gab „Rügegerichte“. Die in Frage
und Antwort gehaltene Verhandlungssprache
wurde „IRüggesprake“ (Rücksprache) geheißen.
Das Substantivum von rogen (rügen) hieß in
ältester Zeit wruoga, wrucht und wroge. Hier
aus leiten die Formen rüg, rog, roch, rüg,
rucha, ruck, rück und weiterhin die Begriffs
bezeichnungen bruoga, brugka, brucht und
brog ab, die in letzter Wandlung in brug,
brügge, bruch, brock und brück übergingen,
(v. Wecus, Prietze, rhein. Urkundenbücher).
Unter diesem Wort war also ein Thingplatz,
eine Gerichtsstätte, ein größerer oder klei
nerer Versammlungsort begriffen.
Der um die Ortsnamenforschung so ver
diente H. Prietze hat überzeugend dargetan,
daß der Brauch, Siedlungen nach natürlichen
oder künstlich aufgeworfenen Hügeln zu be
nennen — die vormals Beck (in Norddeutsch
land) und Bach und Buch (in Mittel- und
Süddeutschland) genannt, für Thingstätten
die gegebene Lage boten — etwa schon um
500 oder 600 n. Chr. Geb. abgekommen ist.
Die Grundbedeutung von Beck, Bach und
Buch, die mit den Worten Becken, Buckel,
Büchel und Backen verwandt sind — im Dä
nischen heißt der Hügel noch heute Bakken
— ist nämlich die rundliche Erhöhung (Prietze),
vergleichbar mit dem Hügel der alten Blies-
rans b a c h e r Kirche. Prietze stellt einer An
zahl aus Urkunden des 9. bis 13. Jahrhunderts
herrührenden brucca-Namen den der Form
nach entsprechenden auf beck und bach ge
genüber, wodurch der den Namen gemein
same Sinn leicht verständlich wird. Hier seien
einige derselben angeführt: Etelbrucca =
Aitelbach; Buribruc = Borbeck (Burbach!);
Hohinbrugka = Höbeck; Stalbrucca — Stoll-
beck; Othenbrugge — Otterbeck; Gladebrügge
= Gladbeck.
Nun stellte von Wecus erstmalig die Be
hauptung auf: „Ebenso ist Saarbrücken kei
nesfalls, wie es allgemein geschieht, als
Brücke über die Saar zu erklären, denn der
Ort wird in einer Urkunde von 1080 im
Stammbaum der Fürsten von Leiningen Sare
brugka genannt. Aus der Form Brugka,' die
keiner der altdeutschen Formen für Brücke
entspricht, ergibt sich unzweifelhaft die
Bruoga, d. i. Malstatt (Gerichtsstätte)“. Alt
hochdeutsche Bezeichnungen für Brücke wa
ren z. B. bregge, brycg, pruccha und bryggja
(v. Wecus).
Schumann, dem die Haiberger Brücke we
gen der ihm unwahrscheinlich dünkenden
Verquickung mit dem Namen seiner Vater
stadt ein Dorn im Auge war, würde ob dieser
Erkenntnis eine Runde gegeben haben. Nicht
gerade zum Tröste seiner Stammtischfreunde,
denen das Wort Saarbrücken ohne eine nach
St. Johann oder, wenn es schließlich sein
mußte, auch nach dem Klein’schen Römer-
kastei] hinüberführende Brücke einfach im
Halse stecken geblieben wäre. Als Kenner des
Schumann’schen Zeitungsartikels aber wer
den sie zu dessen Rechtfertigung vorstehende
Argumentation gern ein zweites Mal lesen.
Doch sie sollen noch ein Weiteres erfahren,
was sich begeben hat, als der Name Saar
brücken auf Grund der von Wecus’schen
Feststellung noch einmal urkundlich geprüft,
zerlegt und nach allen Seiten hin gründlich
beleuchtet ward. Doch mögen sie sich vor
sehen, daß die salivatio plurima durch keine
Erschütterung gehemmt werde, oder daß
ihnen, wie der Saarbrücker sagt, „die Spucke
nicht ausbleibe.“
Der Name Saarbrücken hatte ursprünglich
nicht nur nichts mit einer Brücke, er hatte
auch nichts mit der Saar zu tun. Dem auf
merksamen Leser wird nicht entgangen sein,
daß neben den verschiedenen Abwandelungen
des Wortes Sarabruca noch während 3 Jahr
hunderten gleichzeitig ein Wort wie ein un
verbesserlicher Schreibfehler nebenher lief,
das einmal Salemburca, Saliburche, Salibruc
und dann wieder Salembruge, Sallebrugge