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gewöhnlich von einem Gerichtszeichen, einem
Baume, einer Umhegung oder von einer
anderen örtlichen Merkwürdigkeit herleitete.
In der Saargegend läßt sich heute noch
dem einen oder dem anderen Bergplatze ab-
sehen, daß er einmal als Vorzeitburg, Flieh
burg, Schutzburg, Thing- oder Weihestätte
gedient hat. So dem Herapel bei Forbach,
dem Beruser Berg, dem Kastell bei Serrig,
dem Montclair bei Mettlach, dem Limberg,
dem Litermont, dem Schaumberg, dem Hun
nenring bei Otzenhausen, dem Bartenberg
bei Scheidt und vielen anderen.
So geht aus dem Namen Bartenberg —
hier hat nie ein keltischer Barde seine Lieder
gesungen — ganz klar hervor, daß der vor
mals bewehrte Bergplatz eine Thing- oder
Gerichtsstätte umfaßte. Auf dem Thingstein
war die Barte als das Zeichen des Gerichts
eingraviert. Was eine Barte oder Parte ist,
wissen noch ältere Bergleute. Sie war die
axtförmige Paradewaffe der Bergleute, von
den Mitgliedern der früheren Knappenver
eine als Stockdekor getragen. Die Kirchen
schweizer tragen dasselbe Beil in Form der
Hele-barte. Der Bartenberg stand also unter
dem Zeichen des Gerichtsbeils. Beil, im Alt-
hochd. bil, hieß sprachgebräuchlich „Recht“.
Daher die symbolische Beildarstellung. Das
Wort hat sich erhalten in „Weichbild“ (wich-
Ibilde), das sich zusamensetzt aus wich
(= vicus), Ort und bil = Recht. Also Orts
recht und Bereich, in dem das Ortsrecht maß
geblich ist. Als Wappenzeichen wird die
Barte heute u. a. noch geführt von dem Ge-
schlechte der von Bartenstein sowie von der
Stadt Partenkirchen. Sicher führt die Stadt
Partenkirchen Ursprung und Namen auf eine
Thingstätte wie der Bartenberg zurück. Mit
einer Kirche hat das Gerichtsbeil aber nichts
zu schaffen, sondern mit einer wohl als
Chiricha, Chirka oder Kirka (circus circulus)
anzusprechenden Gerichtsversammlung, bei
der die Teilnehmer im Kreise saßen. Der
Name Partenkirchen würde sonach sowohl
das Gerichtszeichen als die Versammlung
selbst zum Ausdruck bringen. Manch älterer,
auf -kirchen ausklingender Ortsname mag
gleicherweise noch auf eine alte Thingstätte
hindeuten. Jedenfalls bleiben Namen, wie
Cinchirka, Appenchirika (Habkirchen) und
Wibilischiricha (Wiebelskirchen) diesbezüg
lich noch einwandfrei zu deuten. Auch der
Dorfname Kirkel geht nicht etwa auf eine
Kirche, sondern auf eine solche Chirka oder
Kirka als einen Versammlungsring (Volks
versammlung) zurück. Im Griechischen heißt
Volksversammlung ECCLESIA ein Wort, dos
im Lateinischen als ecclesia neben der All
gemeinbedeutung als Versammlung auch als
eine ausschließliche Versammlung der Christ-
gläubigen, der Gesamtheit derselben sowie
ihrer Versammlungsorte übernommen wor
den ist. Im Französischen ist es zur eglise
geworden. Im Deutschen allein knüpfte die
Übersetzung sinngemäß an die Versammlung
auf dem Thingplatz, die Kirka, an, die ja
auch kultischer Art gewesen sein konnte.
Daß an einem solchen Versammlungsort
eine Burg entstehen konnte, ist nach deren
ursprünglichster Zweckbestimmung ohne
weiteres verständlich. In Kirkel hat sogar
die Burgumfriedung die Form des Kreises
beibehalten, entsprechend der Kirke, aus der
die Burg jedenfalls hervorgegangen ist
(Prietze).
Nach dieser kleinen Abschweifung, die
über einige Gerichts- und Versammlungs
stätten führte, mag uns etwas klarer gewor
den sein, weshalb die Gaugrafen ihre Burg
nicht einfach auf einen schönen, runden
Berghügel, wie den Kaninchenberg oder gar
den Haiberg bauten, sondern dorthin, wo
Stammesgenossen schon vor undenklichen
Zeiten Befestigungswerke angelegt hatten
und wo vielleicht des längeren schon ein
Salhof bestanden hat. Prietze hält dafür, daß
die salischen Franken diejenigen sind, die
ihre Thingstätten als Sal bezeichneten. Viel
leicht war im neunten Jahrhundert auf dem
Felsvorsprung des Schutzberges — auch diese
Bezeichnung hat etwas zu sagen — mit einem
Herrensitz zugleich der unvermeidliche Saal
in Holzwerk aufgeführt worden, dessen Be
tretung nur den „Sälischen“, also den Aus
erwählten des Volkes, Vorbehalten war. Denn
von diesen „Sälischen“ leitet die erste ger
manische Vorstellung für den durch sälig
oder selig ausgedrückten Sinn des latei
nischen Wortes beatus her. Die salischen
Franken nahmen das Gebiet von Nassau her
durch die Rheinpfalz bis zum Warndt un<J
Köllertalerwald ein. Jenseits dieser großen
Wälder saßen die ripuarischen Brüder, die
heute noch sanfter geartet sind als die sali
schen und die etwas melodiös sprechen, die
„wat“ sagen und „Korf“ und die auch gerne
„bleifen“, wat sie sind.
Die erste urkundliche Nachricht von der
Burg ist also aus dem Jahre 999, die erste
von dem Königshof aus dem Jahre 1046.
Beide sind unter dem Namen Sarabrucca
bzw. Sarbrucca aufgeführt. Daraus wurde
geschlossen: das Königsgut nannte sich selbst
verständlich nach der Saarbrücke, im dama
ligen bequemen Latain „villa Sarabrucca“;
der Graf, der seinerseits die Schutzherrschaft
über die Domäne ausübte, übertrug deshalb
den Namen auf die eine halbe Stunde ent
fernte Burg, die demgemäß castellum Sara
brucca geheißen ward. Dann wieder nannte
sich der Graf nebst seinem kommenden Ge-
schlechte nach der Burg, die schließlich ihren
Namen auch wieder hergab für die in ihrem
Weichbilde auflebende Stadt. So war also
die Stadt über Graf und Burg an den Namen
Sarabrucca oder Saarbrück gekommen,
während die Brücke weit draußen bei Brede-
bach (Brebach) über die Saar ging.
Der erste, der gegen diese Herleitung des
Namens Saarbrücken Einspruch erhob, war
der Schreinermeister C. Schumann („Brücken
über die Saar bei Saarbrücken“ in Saar
brücker Landeszeitung Nr. 212 vom 7. 8. 1938).
Er schreibt, „daß die alte Stadt Saarbrücken
vor tausend und mehr Jahren ihren Namen