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O/huei'e Qubilare
Für die im Wirtschaftsleben tätigen Men
schen gelten Jubiläen, wie sie in der Familie
gefeiert werden, in der Regel nicht. Wenn
es keine Regel ohne Ausnahme gäbe, dann
müßte die für die Bergleute geschaffen
werden, denn diese pflegen in ihrem Arbeits
leben eine Kameradschaft, die sich zum min
desten mit dem gegenseitigen Ertragen und
Vertragen in der Familie vergleichen läßt.
Diese Erkenntnis veranlaßt uns, auch in
diesem Jahre der Jubilare zu gedenken, die
40 Jahre ununterbrochen im Saarbergbau
beschäftigt sind.
Im Arbeitsleben dieser Jubilare wurde im
Bergbau die Maschine in einem Umfange
eingesetzt, wie man dies früher nicht für
möglich gehalten hätte. Wer den Untertage-
Betrieb vor 40 Jahren kannte und denselben
mit dem heutigen Betrieb vergleicht, findet
einen Unterschied, der, im Verhältnis ge
sehen, dem zwischen Tag und Nacht gleicht.
Geblieben ist der Bergmann, der unbe
kümmert um die Neuerungen, unter Aus
schluß der Öffentlichkeit, seine Arbeit treu
und gewissenhaft erfüllt; ohne sich dem Vor
wurf der Überheblichkeit auszusetzen, können
die Jubilare dies von sich sagen.
Ein Ereignis, das uns Kunde gibt aus ver
gangener Zeit, soll das bis jetzt Gesagte noch
deutlicher herausstellen.
Beim Wiederaufbau einer alten Stadt
wurde der Schlußstein — die sogenannte
Kreuzblume — eines himmelragenden Domes
unversehrt auf gefunden; Fachmänner haben
den Stein behutsam geborgen und stellten
fest, daß der Welt ein herrliches Kunstwerk
von diesem Dom erhalten geblieben ist. Die
ser Schlußstein ist ein Meisterwerk der
Bildhauerkunst. Und doch ist die Frage be
rechtigt: was ist die wertvollste Feststellung
bei diesem Fund, das Bild im Stein oder der
Bildner, der Mensch, der dieses herrliche
Kunstwerk geschaffen hat? Uns dünkt, der
Bildner — der Mensch — ist in diesem Falle
das Wertvollste, was uns die Bombe oder
das Artilleriegeschoß vor die Füße legte.
Vergegenwärtigen wir uns kurz den Ar
beitsvorgang beim Schaffen dieses Kunst
werkes. Der Stein wurde, nur roh vorbear
beitet auf die Spitze des Turmes gebracht;
dort hat der Bildner — unkontrollierbar vom
Baumeister und seinen Gehilfen sowie der
Öffentlichkeit — dem Stein das „Gesicht“
gegeben. Er hat seine Arbeit gut gemacht,
obwohl er annehmen mußte, daß diese seine
Arbeit der Kritik der Öffentlichkeit auf
immer entzogen bleibt. Fürwahr, ein selbst-
’oser, großer Mensch, dieser Bildner, dieser
Arbeiter.
Wir hören die Frage, warum wird bei der
Ehrung von Jubilaren im Bergbau dieser
Vorgang herausgestellt? Wir sind der Auf
fassung, daß in diesem Vorgang der Sinn der
Arbeit und der Adel dessen, der sie leistet,
vor aller Welt kundgetan wird und daß wir
als Bergmänner diesem Bildner im Bewußt
sein, daß wir seiner würdig sind, zur Seite
treten dürfen. Auch wir leisten unsere Ar
beit — wie dieser Bildner — ohne Kontrolle
der Öffentlichkeit. Die Pflichterfüllung ist
dem Bergmann wie diesem Bildner Herzens
sache. Hieraus erklärt sich auch, daß es
nicht nur Tradition ist, was den Berg
mannssohn immer und immer wieder veran
laßt, in die Grube zu gehen, um Bergmann
zu werden. Es ist vielmehr die Liebe zum
Bergbau, die unser Tun und das unserer
Kinder kennzeichnet.
Wir sind uns bewußt, und es ist von unseren
Vorfahren überkommenes Gut, daß Berg
mannsarbeit Schwerstarbeit ist und bleiben
wird, und doch sind wir Bergmann geworden.
Unser Beruf verlangt nicht nur von uns
stärksten Einsatz unserer körperlichen Kräfte,
sondern nicht zuletzt die geistige Fähigkeit,
die heute dem Bergmann in die Hand gege
benen technischen Hilfsmittel in der rechten
Weise einzusetzen und zu meistern. Nur so
können wir erreichen, daß die Maschine ihren
Anteil an der Schwerstarbeit bringt.
Seht, liebe Jubilare, wie — rückwärts
schauend — das Arbeitsleben viel interessan
ter ist, als es sich allgemein und ohne in die
Tiefe zu gehen ansieht. Der Wert des Men
schen Arbeiter wird nicht gewogen in Zahlen,
sondern in dem inneren Wert zum Ausdruck
gebracht, der in jedem Einzelnen, gegeben
durch Pflichterfüllung, steckt.
So wollen wir heute, Eure jüngeren Mit
arbeiter, vor Euch hintreten und Dank sagen
für all das, was Ihr uns in unserem bishe
rigen Bergmannsleben gegeben habt. Wir
wollen, so wie Ihr, die Liebe zum Beruf
weitergeben und bergmännische Art und
Sitten pflegen, wie Ihr dies getan. Für die
fernere Fahrt auf Eurem Lebensweg rufen
wir Euch ein fröhliches „G1 ü c k auf“ zu.
Am 30. Juni 1947 standen noch 297 Beleg
schaftsmitglieder in Arbeit, die in der Zeit
vom 1. Juli 1906 bis 30. Juni 1907 angefahren
sind. Von diesen Jubilaren waren am 30. Juni
1947 beschäftigt:
241 als Arbeiter und Handwerker unter und
über Tage,
3 als Meister,
4 als Steiger,
49 als Angestellte.
Wir bringen nachstehend, wie dies auch