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schmutzigen Holznapf, reinigte ihn sorgfältig
an der nahen Quelle und schöpfte Wasser für
die fiebernde Kranke.
4*
Tags darauf erwachte der Hartberger beim
ersten Vogelruf. Der Wald lag noch im Schlaf.
Sein heißer Atem dampfte und roch wie
Weihrauch.
Die Gedanken des Bauern
begannen wieder um die
Fremde zu kreisen, aber er
verscheuchte sie wie lästige
Fliegen und schnitzte den halb
fertigen „Strähl“ zu Ende. Als
er aber den Holzkamm in sei-
aen Bart senkte, brachte er
nichts zuwege.
Da schärfte er den rostigen
Dolch auf einem Sandstein,
wickelte die Bartsträhnen um
die Finger und schnitt sie ab.
Damit noch nicht zufrieden,
eilte er zur Quelle, staute ihr
Wasser, füllte die Hände mit
körnigem Sand und wusch sich
so lange, bis er über die Helle
seiner Haut erstaunte.
Und eigenartig, nachdem er
seinen Kopf bis an die Schul
tern ins Wasser getaucht und ein frisches
Hemd übergeworfen hatte, kam er sich vor
wie neu erschaffen.
Dem neuen Gefühl entsprang die Lust nach
verstärkter Tätigkeit. Er eilte zunächst hinter
eine Rasenwand und melkte die Kuh, die er
tm Frühjahr aus einem Troßlager entwendete.
Den Zuber mit Milch setzte er neben die
ftetzt ruhig schlafende Frau und streifte ihr
»leiches Gesicht mit einem verlegenen Lächeln.
Dann ergriff er eine Hacke, schleifte den
kniehohen Dung aus dem Notstall und strie
gelte die Kuh mit dem geschnitzten Kamm.
Als sie ihm dankbar die Hand leckte und
ihren Hals an seiner Schulter rieb, lachte er
auf und kraute ihr den Kopf. Nachdem er
noch ihren Schwanz gestümpft, führte er sie
hinaus auf einen grasbestandenen „Unnert“
und ließ sie weiden. Dann verschwand er im
Walde und kehrte nach einer Stunde mit einer
gewaltigen Graslast zurück, die er zum Trock
nen ausbreitete.
Nach acht Tagen aber hatte er einen schma
len Streifen Land gerodet und gesät, und al«
er sich vor die Trümmer einer notdürftig zu
sammengeflickten Egge spannte, trat das Weib
unerwartet an seine Seite und sagte: „Laß
mich helfen“.
„Scher dich fort, davon verstehst du nichts!'
fuhr er es an. Aber das Mädchen schlang di*
Hände noch fester um den Ziehstrang.
„Weibsbild, denk an die Wunde, die ick dii
zufügte!“
Da sah sie ihn an mit einem Blick, der ihm
das Blut in die Schläfen trieb, und er stapft«
neben ihr her, so einträchtig und duldsam, ah
sei sie immer an seiner Seite geschritten.
„Sieh, da steht die Kuh und wundert sicfe
über zwei, die ihre Arbeit leisten!“ rief da«
Mädchen am Ende des Ackerstreifens, und
ihr runder Arm deutete nach dem Walde.
„Ach ja, aber du warst mir eine gute Ge
fährtin“, lobte da der Hartberger und drückte
den Arm der Ziehenden. Seit jenem Abend
hausten sie gemeinsam in der Hütte und teil
ten den Tisch und das Lager. Als dann wirk
lich der Friede kam, fanden sie einen Priester,
der den Ehebund segnete, und bald wuchi
die neue Hofstatt aus den Trümmern Da«
Weib aber gebar kräftige Kinder, die wieder
Bauern wurden und die verwüstete Erde vom
Fluch des Krieges erlösten.