Full text: 1948 (0076)

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„es ist sie wohl, zwei Buchstaben P und T 
sind in das Gehäuse gemeißelt, Peter Tüll 
heißt das“. Er machte eine Pause. Still wie in 
einem nachtdunklen Gotteshause war es jetzt, 
als er tortfuhr: „Er war ein tüchtiger Berg 
mann und guter Kamerad, Ihr Vater, ich 
habe ihn gut gekannt. Ortsältester war er ja 
hier. O, ich entsinne mich noch genau, als 
solcher hatte er sein Gezähe stets mit seinem 
Namen gezeichnet. Ja, ja, halten Sie diese 
Picke Ihres Vaters in Ehren, es ist sie...“. Er 
reichte Peter Tülls Sohn die Hand, der alte 
Fahrsteiger, der vor einem Menschenalter 
schon hier befuhr. 
Jakob Tüll vermeinte die Hand seines 
Vaters zu verspüren, so warm und besorgt 
war ja ihr Druck, und er flüsterte: „...ein 
tüchtiger Bergmann und guter Kamerad war 
er...“, während die Kameraden ergriffen und 
lautlos dastanden. Auf einmal sprach er laut: 
„Ein tüchtiger Bergmann und guter Kamerad 
war er; die Mutter, ja die sagte es schon 
immer. Daß ich sein Grab nicht fand und ihn 
selber nicht gekannt, tut nichts. Aber glück 
lich bin ich jetzt, dies alles heute morgeD 
hier gefunden und gehört zu haben ... “ 
Wie er so dastand im Schweißkittel, auf 
dem die muskulösen Arme hervorlugten, bar 
häuptig und des toten Vaters alte Schräm 
picke in der Faust, schien er ein König der 
Tiefe, der in Wahrheit aber zugleich auch der 
Herr der Erde über sich ist, weil er alle Tage 
für die Menschheit ihre Tiefe mißt. 
Und Jakob Tüll trug am Schichtende seine* 
Vaters Picke wie einen gefundenen Schatz 
heim in sein zierliches Bergmannshäuslein. 
Neben dem alten rostigen Fäustel des Ur 
ahnen fand sie auf dem Speicher ihren Ruhe 
platz unter Pulverblechen, Halmbüchsen und 
Kohlenschaufeln des Vaters. Dieses berg 
männische längst aus der Mode gekommene 
Werkzeug gedenkt er ja zu hüten als köst 
liches Vermächtnis. 
Rauchen - streng verboten! 
Für einen leidenschaftlichen Raucher mag 
as heute nicht immer leicht sein, von irgend 
woher und irgendwie sich sein Päckchen Zi 
garetten oder Tabak zu beschaffen. Er stöhnt 
und jammert weidlich darüber, aber was hätte 
er erst gesagt, wenn er vor 200 Jahren ge 
lebt hätte! 
Es gab einmal eine Zeit, fast wie ein 
Märchen beginnt es, in der man nicht rauchte 
und den blauen Dunst nicht kannte. Hören 
Sie seine Geschichte! Der französische Diplo 
mat Jean Nicot wurde um 1560 an den portu 
giesischen Hof als Gesandter entsandt. Um 
seiner Herrscherin, der Katharina von Medici, 
zu gefallen, schickte er nach Frankreich 
einige Tabakpflanzen, die er in Lissabon 
kennengelernt hatte. Aber man wußte noch 
nichts Rechtes damit anzufangen. Die Königin 
schnupfte wohl einige Male, man nannte da 
her auch die Pflanze „Mediciöe“ oder das 
„Gra3 der Königin“, aber es dauerte noch 
einige Zeit, bis sich der Brauch des Schnup 
fens und Rauchens verallgemeinerte. Dies 
blieb dem englischen Seemann Walter Ra- 
leigh, ebenfalls Diplomat, Vorbehalten. Auf 
einer seiner Reisen lernte er die Zigarre 
kennen, es war gegen 1600, und er schrieb 
nach England: „Das ist eine gar seltsame 
Pflanze, deren Blätter, zusammengerollt, den 
Menschen Freude gibt und sie von ihren 
Sorgen ablenkt.“ Sir Walter Raleigh hätte 
allerdings ein anderes Los verdient als ihm 
zuteil wurde. Ob wirklich die Rivalität zwi 
schen den beiden Königinnen Maria Stuart 
und Elisabeth den Ausschlag gab, so wie 
Schiller es beschrieb, wissen wir nicht; eins 
aber ist sicher, daß Sir Walter Raleigh, nach 
dem er lange Zeit der Günstling Elisabeths 
war, 1618 vom englischen Hofe verbannt 
wurde. Eigentlich hätte man ihm zu Ehren 
die Tabakpflanze Raleighpflanze nennen müs 
sen, aber die Menschen sind undankbar, und 
sie haben den Namen einer kleinen Insel auf 
den Antillen oder einer mexikanischen Stadl 
— niemand weiß es genau — vorgezogen. 
Die Herrscher sämtlicher Nationen waren 
garnicht einverstanden mit der neuen Leiden 
schaft ihrer Untertanen. Ludwig XIII. ver 
bot den Verkauf des Tabaks in Frankreich, 
Jakob 1. von England stellte die schlimmsten 
Strafen in Aussicht, ein Sultan und ein Groß 
herzog von Moskau entschlossen sich zu noch 
drakonischeren Maßnahmen: sie kündigten an. 
jedem, der rauche oder eine Prise nehme, 
würde die Nase abgeschnitten; Papst Ur 
ban VIII. erließ eine päpstliche Bulle gegen 
die Raucher, exkommunizierte sie und drohte 
mit der „Einziehung sämtlicher Tabaksdosen, 
die man in den geheiligten Räumen sähe odeT 
fände.“ In der Türkei stieß man den ersten 
Rauchern ganz einfach die Pfeife durch die 
Nase. Aber die Moralisten mochten soviel 
reden wie sie wollten gegen das „höllische 
Kraut“ — immer größer wurde die Anhänger 
schaft — und eines Tages entdeckten die 
Regierungen, welche ergiebige Finanzquelle 
der Tabak sei. Man begann ihn hoch zu be 
steuern, und in verschiedenen Ländern wurde 
der Verkauf sogar Staatsmonopol. England 
begann damit im Jahre 1624, Frankreich 
folgte 1674. 
Bis etwa um 1830 nahm man eine „Prise“ 
aus der Tabaksdose oder dem Tabaksbeutel 
Dann wurde die Tabaksdose entthront durch 
die „Zigarre“. George Sand sagte von ihr, 
daß sie „zu einem eleganten und untätigen 
Leben unentbehrlich sei“. Nach dem Krim 
krieg wurde dann in Europa durch die rus 
sischen Soldaten die Zigarette verbreitet. Sie 
waren die ersten, die den Tabak in kleine 
Stückchen Papier einrollten und behaglich 
rauchten. 
Was wäre heute die Welt, wenn man ta 
trüben und schönen Stunden den blauen 
Rauch nicht hättel M. A. T.
	        
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