Full text: 1948 (0076)

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in seinem dunklen Bann. Daheim war Feld 
arbeit über die Maßen, der junge Peter aber 
blieb Bergmann. Einmal hatte ihn der grau 
sigste Berggeist, der urewige Tod, selber schon 
auf seiner schweren Kohlenschaufel. Mit 
knapperNot rutschte er noch rechtzeitig davon 
herunter, jedoch ein Auge vertor er dabei — 
der Stoßen behielt es. Und fortan trug Peter 
•die blauen Bergmannsmale und seine leere 
Augenhöhle im Antlitz. So grub er noch lange 
Kohlen und später kamen auch seine Söhne, 
darunter auch Peter, mein Großvater väter 
licherseits, der mir dies alles vor Jahrzehnten 
selber erzählte. Er kam schon unfreiwillig, 
denn das Land unter sechs Buben verteilt, 
reichte ja nicht mehr. Auch Johann, sein 
ältester Sohn, kam mit 18 Jahren. Auch er 
■mußte, aber er hatte die Wahl: entweder zur 
Hütte oder zur Eisenbahn, hieß es, oder in 
die Grube. Da ging er in den Berg, er konnte 
wohl nicht anders. Unlöslich verkettet, im 
Blut liegend ... 
Dann erfuhr ichs am eigenen Leibe. Ehe 
der erste Weltkrieg ausbrach, lief ich 14jährig 
dem guten, alten, ergrauten Obersteiger Kuhn, 
der wie ein gütiger Berggeist unter und über 
Tage auf dem Josefaschacht, dem Nachfahr 
der Grube Bauernwald, herumlief, die Türe 
ein bis er mich anlegte. Zwei unvergeß 
liche Jahre durfte ich als jugendlicher Berg 
mann dahier im rauschenden Walde und über 
Tage verleben. Dann, mit 16 Jahren, erhielt 
ich meine Benzinlampe — die Nummer 214 
trug sie, so gut weiß ichs noch — und mußte 
hinabfahren unter den Hohberg. Viel tiefer 
schaffte ich hier als einst die Urgroßväter. 
Und der alte Bauernwaldstollen führte mir 
stets frische Wetter zu, seine letzte Aufgabe 
in seinen alten Tagen. 
Als dann einmal auf „Josefa“ der Quer 
schlag zu Bruch ging, mußten wir zu Fuß 
durch den Stollen über Tage. Da schritt ich 
einher auf den Spuren der Väter lichtsehn 
süchtig, doch aufrecht, schicksalbejahend. Fast 
ein Menschenalter ging es noch so auf allen 
Gruben rundum. Da traf mich ein schwereres 
Los als das im Blute liegende es jemals war: 
brotlos geworden, durfte ich viele Jahre nicht 
mehr hinao in die Tiefe, wo die Geister der 
Väter bisher mit mir wandelten. Schier un 
tragbar schien mir das. Und als mich dann 
ein unergründliches Schicksal für immer aus 
dem Bergwerk nahm, wurde mir, als ver 
leugne ich etwas, das schon immer in unserer 
Sippe heilig galt: das Bergmannsblut. So sitzt 
denn eine heimliche Sehnsucht nach der Tiefe 
und meinen immer noch in ihr werkenden 
guten Kameraden als unausrottbar in meinem 
Herzen. 
Verwittert, fast traurig schaut mich das 
altersgraue Haupt des Bauemwaldstollens an, 
so oft ich auch vorübergehen mag. Mir ist 
dann, als raune es klagend aus seinem In 
nern: die Geister der mir nun zürnenden 
Ahnen, die hier schafften. Stumm und tot 
liegt auch die alte Bergehalde nebenan. 
Bläulich träumt sie in die Gegenwart, ein 
Stück Sehnsucht nach der Tiefe im Innern 
des Berges verströmend. Und diese Sehnsucht 
nach der Tiefe überfällt mich zuweilen un 
sagbar schwer. Bergmannsblux ... 
St. Barbara« Ruf 
Nach einer wahren Begebenheit. 
Eine angeregt plaudernde Gruppe von Pen 
sionären — alte in Ehren ergraute und aus 
gediente Bergleute — schlenderten wie alle 
Tage aus dem Tale herauf über die Höhe. Es 
zog sie ja immer hin zu dem einsamen 
Schacht, in den sie so manches Jahr hinab 
gefahren waren zu schaffen und zu sorgen für 
das tägliche Brot. Dem Schacht, der sie vor 
Jahren schon freigab, gehörten sie trotzdem 
ihr Leben lang. Gute und schlechte Zeiten 
hatte er ja immer mit ihnen geteilt, frohe 
und auch traurige Stunden. 
Es war schon lange Tradition bei den Alten, 
daß, sooft der Schachtbock auftauchte, ab 
wechselnd jeden Tag ein anderer irgend ein 
Erlebnis aus seiner Schaffenszeit erzählen 
mußte. Die seltsamsten Schnurren und Ränke, 
einst von fröhlichen Knappen ausgeheckt und 
vollbracht, wurden da sorglos-friedlich auf 
gewärmt. Immer lachten alle herzhaft dabei 
einst. wäh r end der Schuht. Nur ei^r 
lachte nicht mit, der, sooft man an den 
Scnacht Kam, scheu am Ende schritt, schwer 
auf seinen ehemaligen Grubenstecken gestüczt. 
Der alte Bachwendel war es, der früher hier 
auf dem Schacht Chlotilde Schießhauer war. 
Sooft Bachwendel an der Reihe war, er 
zählte er etwas sehr Interessantes. Vor acht 
Tagen gab er zum letzten Male etwas zum 
Besten. Es war die spassige Geschichte, wie 
er seinem Lehrhauer das Schnapstrinken ab 
gewöhnte. Ein jeder war froh, daß der gute 
Erzähler heute wieder an der Reihe war. — 
,.Na, Wendel!“ rief Schmitthäns dringend 
von der Spitze her, ,.Du kenntest anfangen. 
Oder weißt Du nichts mehr davon, wie damals
	        
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