Full text: 1948 (0076)

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Käfer und Brotkrumen. Weit sperrten die 
Nimmersatten ihre spitzen Schnäbel auf, und 
die Kinder ließen die Atzung hineinfallen. 
Trudi, die Mütterliche, trug erst Watte, dann 
einen alten Wollstrumpf herbei und legte 
beides über die nackten Jungen, damit sie in 
der kühlen Luft nicht frieren sollten. Aber 
Watte und Strumpf waren bald verschwun 
den, und über den Boden, wie ein schwarzer 
Schatten, flüchtete die Amselmutter davon, 
sobald die Kinder den Garten betraten. 
So hatten die Kinder ihre Freude, die Mäd 
chen fütterten die Vögel unablässig, und 
Georg sorgte sozusagen für die geistige 
Unterrichtung. 
Indessen hielt der alte Großvater seinen 
Mittagschlaf. Er saß im Lehnstuhl, und ein 
mal redete er daher; er träumte sicher von 
seinen Kirschen und Beeren und von vollen 
Einmachgläsern. Als er wach wurde, setzte 
er sein Samtkäppchen auf und schlurfte in 
den Garten. Doch das Nest war verschwun 
den; über den Boden hin verstreut lagen ein 
paar graue Nesthalme, Moosstückchen und 
Federn. Aber die Kinder wußten von nichts. 
„So", dachte der alte Großvater zufrieden. 
„Die fressen mir keine Kirschen mehr, diese 
Strauchdiebe und Beerenstrolche!“ 
Aber das Nest war noch da. Es stand oben 
neben dem kleinen Giebelfenster in einer 
Mauernische. Und manchmal, während der 
alte Großvater sein Nickerchen hielt, nahm 
Georg oder eins der Mädchen die Leiter, stieg 
hinauf und warf einen Blick in das Nest. Die 
jungen Gelbschnäbel, von ihrer Mutter un 
ermüdlich gefüttert, gediehen schnell und 
bekamen schon bläulich-schwarze glänzende 
Federn. Nicht lange mehr, und sie waren 
flügge. 
Der alte Großvater kam eines Tages da 
hinter. Er murrte und knurrte. „Esser genug 
im Haus!", schalt er. 
Aber die Mutter meinte, die Amseln seien 
doch auch wieder recht nützlich, da sie die 
Käfer und Raupen und all das Ungeziefer 
im Garten wegfräßen. Und die Freude der 
Kinder sei doch auch etwas wert, zumal j» 
der heutigen Zeit. 
„Larifari!“, sagte er kopfwackelnd, und er 
ließ es dabei bewenden. 
Mettlach. Blick auf die Pfarrkirche und die keramischen Werke von ViUeroy & Boch. 
(Phot. Max Wentz, Saarbrücken)
	        
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