Full text: 1948 (0076)

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Schlagen? Wie konnte sie das überhaupt 
von ihm befürchten! Nie hätte er das übers 
Herz gebracht, ja, er hätte es auch gamicht 
gedurft. Eher hätte er dann schon sich selber 
schlagen müssen. 
Er setzte sich ihr gegenüber an den Tisch, 
stützte den Kopf in die Hand und zwirbelte 
an seinem Schnurrbart. Er drang behutsam 
ln sie, fragte noch einmal, aber sie schüttelte 
wieder und wieder den Kopf und weinte. 
Und dann brachte sie es nach und nach doch 
heraus: sie kannte ihn nur beim Vornamen. 
Karrenschmidt nickte traurig. 
„Du mußt jetzt gehen!“, trieb ihn die Un 
ruhe an. „Es ist höchste Zeit für dich!“ 
Aber hatte es denn jetzt überhaupt noch 
einen Sinn? Die Frau, wenn sie kam, würde 
Ihn mit Vorwürfen überschütten: Sie ist nicht 
schuld, nein du, du allein! Du hast uns weg 
geworfen von dir, wie ausgetretene Schuhe, 
und das arme Kind hast du den Gefahren 
überlassen. Die Zeit ist nicht tot, sie lebt 
weiter, deine Liederlichkeit zeugt jetzt fort! 
Das ist dein eigentliches Verfehlen, und dafür 
muß sie büßen. 
Er blickte scheu auf das still vor sich hin 
weinende Mädchen. 
Die Uhr schlug halb sechs. Zeit, Karren- 
achmidt! Er stand auf und schritt eine Weile 
ln der Küche hin und her. 
„Ich muß jetzt auf die Schicht, Martha!“, 
sagte er. Er blieb vor ihr stehen und strich 
ihr über den warmen Scheitel. „Laß den Mut 
nicht sinken, wir werden eben einen guten 
Weg finden müssen, Martha, da hilft nun 
kein Klagen und kein Jammern. Was soll 
denn werden, wenn auch du noch den Mut 
sinken laßt? Schließlich habe ich es nur dir 
zu verdanken, daß ich wieder mein altes Brot 
esse und daß wir hier wohnen. Nein, nein, 
das darfst du nicht! Der Schuldige bin ja 
Ich!“ 
Er legte die Hand auf den Tisch und sagte: 
„Ich kenne jetzt nur noch arbeiten und meine 
Familie, das kannst du mir getrost glauben!“ 
Er gab seiner Stimme einen Ton von Zuver 
sicht. „Oder glaubst du mir nicht? Nun, ich 
gebe zu, es ist vielleicht schwer, einem Men 
schen wie mir noch zu glauben. Aber du als 
meine Tochter, gerade du solltest doch mehr 
Vertrauen zu mir haben, jawohl! Warte nur, 
du wirst es erleben, wie ich für euch sorge, 
für euch alle, auch für das Kind. Wo fünf 
Esser am Tisch sitzen, da hat auch noch der 
sechste Platz!* 
Sie gab ihm keine Antwort, aber sie weinte 
wenigstens nicht mehr, und das beruhigte 
ihn. 
Er ging zum Herd, entfachte seine Pfeife 
am Feuer, und dann verließ er das Haus. 
Als er am Nachmittag heimkam, war die 
Wohnung leer. Eine furchtbare Angst befiel 
ihn. Er suchte sie im Hof, im Garten, ums 
Haus herum; er fragte bei den Nachbarsleu 
ten; aber kein Mensch hatte Martha gesehen. 
Er blieb am Fenster stehen, und nach einer 
Weile sah er sie die Straße herkommen. Ein 
Stein fiel ihm vom Herzen. Im Mantel und 
Mütze, die Einkaufstasche in der Hand, be 
trat sie die Küche, ganz wie sonst auch, nicht 
um eine Spur anders sah sie aus. Ihre zarten 
Backen waren sogar von einem leisen Rot 
überhaucht, und Karrenschmidt sah sie mit 
heimlichem Bewundern an. 
Sie fühlte seinen Blick, und sie fragte er 
staunt: „Warum starrst du mich so an?“ Da 
bei zog ihr die Röte bis unter die Mütze hin 
auf. 
„Darf ich das nicht, Martha? Ich freue 
mich, daß du bei mir bist. Ohne dich hätte 
ich keinen Boden mehr unter die Füße be 
kommen. Du hast mir geholfen, und jetzt 
helfe ich dir, dafür bist du ja auch mein 
Augapfel.“ 
Und dann sagte er noch: „Uebermorgen 
habe ich frei. Was meinst du, wenn ich zu 
deiner Mutter fahre und sie mit den Kin 
dern herhole? Schließlich gehört sie ja zu 
uns, und das muß ja auch einmal wieder in 
Ordnung kommen.“ 
Marthas Augen leuchteten vor Freude. „C 
ja, tu das!“, lobte sie ihn. „Wenn du zu ihf 
kommst und du sprichst mit ihr, wird sie dir 
auch wieder glauben!“ 
Er lachte geschmeichelt, und er fragte, ob 
man ihm denn das ansehen könne, daß er ein 
anderer Mensch geworden sei. — Ei, gewiß 
sehe man ihm das an. 
Später sah sie ihn vor dem Spiegel stehe» 
und mit der Schere seinen Schnurrbart 
stutzen, und sie sann mit bekümmertem Her 
zen darüber nach, daß man es auch ihr bald 
ansehen würde, was sie verloren und wieder 
gewonnen hatten. 
Arbeit und Freude 
Von JOSEF BURGER, Klarenthal. 
Willst du, daß man dich soll achten, 
lerne, wie es Jene machten, 
die im Leben viel vollbrachten 
und dabei noch sehr oft lachten! 
Frohes Schaffen bringt uns Segen 
und viel Achtung auch entgegen. 
Laßt uns dieser Achtung wegen 
neben Arbeit Frohsinn pflegen!
	        
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