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Schlagen? Wie konnte sie das überhaupt
von ihm befürchten! Nie hätte er das übers
Herz gebracht, ja, er hätte es auch gamicht
gedurft. Eher hätte er dann schon sich selber
schlagen müssen.
Er setzte sich ihr gegenüber an den Tisch,
stützte den Kopf in die Hand und zwirbelte
an seinem Schnurrbart. Er drang behutsam
ln sie, fragte noch einmal, aber sie schüttelte
wieder und wieder den Kopf und weinte.
Und dann brachte sie es nach und nach doch
heraus: sie kannte ihn nur beim Vornamen.
Karrenschmidt nickte traurig.
„Du mußt jetzt gehen!“, trieb ihn die Un
ruhe an. „Es ist höchste Zeit für dich!“
Aber hatte es denn jetzt überhaupt noch
einen Sinn? Die Frau, wenn sie kam, würde
Ihn mit Vorwürfen überschütten: Sie ist nicht
schuld, nein du, du allein! Du hast uns weg
geworfen von dir, wie ausgetretene Schuhe,
und das arme Kind hast du den Gefahren
überlassen. Die Zeit ist nicht tot, sie lebt
weiter, deine Liederlichkeit zeugt jetzt fort!
Das ist dein eigentliches Verfehlen, und dafür
muß sie büßen.
Er blickte scheu auf das still vor sich hin
weinende Mädchen.
Die Uhr schlug halb sechs. Zeit, Karren-
achmidt! Er stand auf und schritt eine Weile
ln der Küche hin und her.
„Ich muß jetzt auf die Schicht, Martha!“,
sagte er. Er blieb vor ihr stehen und strich
ihr über den warmen Scheitel. „Laß den Mut
nicht sinken, wir werden eben einen guten
Weg finden müssen, Martha, da hilft nun
kein Klagen und kein Jammern. Was soll
denn werden, wenn auch du noch den Mut
sinken laßt? Schließlich habe ich es nur dir
zu verdanken, daß ich wieder mein altes Brot
esse und daß wir hier wohnen. Nein, nein,
das darfst du nicht! Der Schuldige bin ja
Ich!“
Er legte die Hand auf den Tisch und sagte:
„Ich kenne jetzt nur noch arbeiten und meine
Familie, das kannst du mir getrost glauben!“
Er gab seiner Stimme einen Ton von Zuver
sicht. „Oder glaubst du mir nicht? Nun, ich
gebe zu, es ist vielleicht schwer, einem Men
schen wie mir noch zu glauben. Aber du als
meine Tochter, gerade du solltest doch mehr
Vertrauen zu mir haben, jawohl! Warte nur,
du wirst es erleben, wie ich für euch sorge,
für euch alle, auch für das Kind. Wo fünf
Esser am Tisch sitzen, da hat auch noch der
sechste Platz!*
Sie gab ihm keine Antwort, aber sie weinte
wenigstens nicht mehr, und das beruhigte
ihn.
Er ging zum Herd, entfachte seine Pfeife
am Feuer, und dann verließ er das Haus.
Als er am Nachmittag heimkam, war die
Wohnung leer. Eine furchtbare Angst befiel
ihn. Er suchte sie im Hof, im Garten, ums
Haus herum; er fragte bei den Nachbarsleu
ten; aber kein Mensch hatte Martha gesehen.
Er blieb am Fenster stehen, und nach einer
Weile sah er sie die Straße herkommen. Ein
Stein fiel ihm vom Herzen. Im Mantel und
Mütze, die Einkaufstasche in der Hand, be
trat sie die Küche, ganz wie sonst auch, nicht
um eine Spur anders sah sie aus. Ihre zarten
Backen waren sogar von einem leisen Rot
überhaucht, und Karrenschmidt sah sie mit
heimlichem Bewundern an.
Sie fühlte seinen Blick, und sie fragte er
staunt: „Warum starrst du mich so an?“ Da
bei zog ihr die Röte bis unter die Mütze hin
auf.
„Darf ich das nicht, Martha? Ich freue
mich, daß du bei mir bist. Ohne dich hätte
ich keinen Boden mehr unter die Füße be
kommen. Du hast mir geholfen, und jetzt
helfe ich dir, dafür bist du ja auch mein
Augapfel.“
Und dann sagte er noch: „Uebermorgen
habe ich frei. Was meinst du, wenn ich zu
deiner Mutter fahre und sie mit den Kin
dern herhole? Schließlich gehört sie ja zu
uns, und das muß ja auch einmal wieder in
Ordnung kommen.“
Marthas Augen leuchteten vor Freude. „C
ja, tu das!“, lobte sie ihn. „Wenn du zu ihf
kommst und du sprichst mit ihr, wird sie dir
auch wieder glauben!“
Er lachte geschmeichelt, und er fragte, ob
man ihm denn das ansehen könne, daß er ein
anderer Mensch geworden sei. — Ei, gewiß
sehe man ihm das an.
Später sah sie ihn vor dem Spiegel stehe»
und mit der Schere seinen Schnurrbart
stutzen, und sie sann mit bekümmertem Her
zen darüber nach, daß man es auch ihr bald
ansehen würde, was sie verloren und wieder
gewonnen hatten.
Arbeit und Freude
Von JOSEF BURGER, Klarenthal.
Willst du, daß man dich soll achten,
lerne, wie es Jene machten,
die im Leben viel vollbrachten
und dabei noch sehr oft lachten!
Frohes Schaffen bringt uns Segen
und viel Achtung auch entgegen.
Laßt uns dieser Achtung wegen
neben Arbeit Frohsinn pflegen!