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hacken . . . darüber kam er in Schweiß, der
rann nur so an ihm herunter; er wollte den
Rock ausziehen, riß und zerrte daran, doch
es gelang ihm einfach nicht.
„Ja ja“, hörte er die Frau sticheln, „wer
säuft, muß schwitzen!“
Plötzlich wachte er auf. In seine Augen
stürzte es rot, er hörte ein Knistern und
Knacken. Der Meiler brannte! Er wankte
hoch, suchte die Schippe. Es ist nicht meine
Schuld, Michaely, ich kann wahrhaftig nichts
dafür, so schrie es in seinem Innern.
Lorson kam aus der Hütte und lief vor dem
lodernden Brand auf und ab, klein und ge
duckt im Kampf. Er lud Erde auf die Schau
fel, warf sie in die Flammen. Er füllte und
warf, immerzu, immerzu. Aber das Feuer
fraß weiter. Karrenschmidt wühlte mit den
Händen im Boden, kratzte, scharrte und
grapste die feuchte Walderde und warf sie in
die Glut. Michaely saß aufrecht auf seinem
Lager, das Rot der Flammen huscherte über
sein starres Gesicht. Dann sprang er tau
melnd auf, rannte an Karrenschmidt vor
über und suchte Lorson. Die frei lohende
Flamme sank allmählich nieder, der Meiler
lag verglühend im Rund, die Luft zitterte
rot über der züngelnden Glut.
Da sagte Michaely zu Lorson: „Komm,
Lorson, komm, steh auf, laßt uns den lieder
lichen Hund da totschlagen! 4 Und Lorson
stand vom Boden auf und griff zur Axt.
Aber Karrenschmidt lief, was ihn die Beine
trugen.
Martha sah ihn eines Tages in der Stadt:
er führte ein kleines Gespann von Straße zu
Straße, worin er die Mülleimer entleerte.
Gesicht und Kleider waren grau vor Asche,
und mager war er wie ein alter Gaul. Da
wandte sie sich ab; sie schämte sich ihres
Vaters.
Und doch fühlte sie Mitleid
mit ihm; es drückte ihr fast
das Herz ab. Vielleicht hatte die
Mutter ihn nicht immer rich
tig angepackt. Sie erinnerte sich
ih'res harten, abweisenden Ge
sichts und hörte ihre spitzen
Worte, die einem mit ihren vie
len kleinen Stichen das Herz
aufritzen konnten. In der Tiefe
seines Wesens war er ein guter
Mensch, und etwas in ihm hatte
stets darauf gewartet, daß es
seinen richtigen Platz bekam.
Aber bei der Unverträglichkeit
und Härte der Mutter hatte er
es an fremde Menschen ver
schwendet.
Sie gedachte voll Wehmut der
Zeit, da sie noch alle beieinan
der waren: der Vater, die Mut
ter, die kleinen Geschwister. Es
war trotz allem für sie eine
schöne und vollends eine saubere
Zeit gewesen. Jetzt wurde sie
das Gefühl des Ekels vor den
Häßlichkeiten des Lebens nie los.
Sie wollte heim. Und eines
Tages faßte sie einen Entschluß.
Der Bergrat hörte sich das lebhafte, kind
liche Geplapper des Mädchens an, das blaß
und mager vor ihm saß und ihm bisweilen
wie ein Kind, dann wieder wie eine Frau
vorkam. Von seiner kleinen Stupsnase bis zu
den Mundwinkeln gruben sich zwei Falten
ein.
Er möge doch einsehen, daß der Vater
sonst zugrunde ginge. Ein erbärmliches,
freudloses Leben ohne Frau und Kinder! Ein
Leben, wie an den Haaren geschleift. Gewiß,
der Vater habe gefehlt, aber dafür sei er be
straft worden. Jetzt habe er wirklich den
Vorsatz, ein redlicheres Leben zu führen,
dafür verbürge sie sich, jawohl. Sie nahm
das Schnupftuch aus ihrem roten Handtäsch
chen und wischte sich über die Augen.
Sie sagte: „Und vorgestern, Herr Bergrat,
haben wir eine Wohnung hier gemietet, so
fest glaubt mein Vater daran, daß er wieder
angelegt wird. Aber nach allem, was er ge
tan hat, fehlt ihm jetzt der Mut, zu Ihnen
zu kommen. Er sagte: Ich weiß, Martha, daß
sie Leute suchen, und unsereiner ist ja Berg
mann; der Großvater ist es schon gewesen;
unsereiner könnte schaffen. Unser Herr Berg
rat hat ein gutes Herz; wenn es auf den an
käme, legten sie mich wieder an. Aber zu
dem wird der Karrenschmidt Nickel nicht
mehr vorgelassen, weil er doch ein bestraf
ter Mann ist. So hat er gesagt, und da ist
mir der Gedanke gekommen, du probierst es
einmal; mehr wie fortschicken können sie
dich nicht. Vater weiß von allem nichts. Er
tut mir ja so leid, jetzt hat er den guten
Willen, nur keine Arbeit. Und man kann ja
auch einen Menschen nicht ewig strafen. Er
fährt als Aschenfuhrmann in der Stadt. Aber
so will ihn die Mutter nicht. Wir haben eine
kleine Wohnung gemietet. Nur noch die Mö
bel. Wenn die Mutter kommt, bringt sie einen