Full text: 1948 (0076)

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uns in der Stadt getroffen, der Vater und ich, 
aber wir waren sehr traurig, weil du nicht 
mehr bei uns sein willst. Ist das wirklich 
dein Ernst? Vater will ein ordentlicher und 
enthaltsamer Mensch werden. Jetzt arbeitet 
er im Wald, ein schönes Brot, er trinkt auch 
nichts mehr, keinen Tropfen. Er rührt kein 
Glas mehr an. Heute war das etwas anderes, 
heute mußten wir einkehren, weil wir uns 
soviel zu erzählen hatten . . . Das schreibst 
du ihr, und vergiß nicht zu schreiben, daß 
ich auch ein schönes Häuschen kaufen will, 
hier am Waldrand, es ist der Traum deiner 
Mutter, ja?“ 
Aber nun war es Martha, die weinte. Kar 
renschmidt blickte sie wehmütig an. Die 
Kellnerin kam und fragte mitleidig, was 
denn dem Mädchen fehle. 
„Ach, es hat Heimweh nach seiner Mutter“, 
seufzte Karrenschmidt. 
„Ist sie gestorben?“ 
„Nein, Gott bewahre, sie ist fortgegangen, 
aber nur für kurze Zeit, sie kommt in den 
nächsten Tagen wieder zurück. Bringt dem 
Mädchen noch ein Päckchen Brezeln, es ist 
ein sittsames Kind!“ 
„Und Ihr, bekommt Ihr noch ein Glas?“ 
„Ich? Nein, nein, um Gottes willen!“ 
wehrte er entrüstet ab; er wollte schon gleich 
hier und jetzt mit der Verwirklichung seines 
Vorsatzes beginnen. 
Nun war ihm wieder leicht, und auch 
Marthas Gesicht hellte sich wieder auf, wäh 
rend er ihr sanft zuredete. Sie nahm die 
Brezeln und begann sie zu knabbern. Sie 
fühlte, daß ihm Ernst mit seinem Vorhaben 
war, und wenn sie erst einmal den Brief an 
die Mutter geschrieben hatte, würden sie 
auch bald wieder ein Heim haben, sie alle 
zusammen, wie vordem. Im Grunde genom 
men und um ganz ehrlich zu sein: beim Ka 
russell gefiel es ihr nicht im geringsten. Die 
stete Unruhe, überall und doch nirgendwo 
zu Hause zu sein, all das Niedere und Rohe .. 
das machte sie krank; man konnte sich der 
zudringlichen Männer und Burschen kaum 
erwehren. 
Karrenschmidt hob den Finger und mahnte 
väterlich besorgt: „Daß du mir nur ja keine 
Dummheiten machst, verstehst du? Du mußt 
immer daran denken, wer du bist! So, und 
nun komm, mein Kind!“ 
Er brachte sie wieder zurück, und singend 
wanderte er durch den Forst. Als er sie er 
mahnte, fiel ihm bei, war sie rot geworden. 
Ja, auch er hatte immer darauf gesehen, 
daß er im Innern sauber blieb, und darauf 
kam es im Leben an; das andere, weswegen 
man ihn bestraft hatte, war sozusagen auch 
nur im Hinblick auf seine Ehre geschehen; 
man sollte ihm nicht nachsagen, daß er seine 
Schulden nicht bezahlte. 
Wankend und vor sich hinträllernd langte 
er auf dem Meilerplatz an. Michaely schuef, 
Lorson saß vor der Hütte, schwarz im Ge 
sicht wie ein Teufel. Im Schein der Lampe 
sah man nur das gespenstische Weiß seiner 
Augen, die ihn schräg anblickten. Karren 
schmidt hieß Lorson in die Hütte gehen und 
sich hinlegen, er selbst wolle diese Nacht 
auf passen. Doch Lorson schüttelte stumm 
den Kopf. 
„Leg dich hin, du Duckmäuser!“, wieder 
holte Karrenschmidt und packte ihn am 
Kragen. 
Lorson fügte sich und kroch in die Hütte. 
Karrenschmidt machte die Runde von Meiler 
zu Meiler. Seit der Frühe hatte das fressende 
Feuer sein heimlich verzehrendes Werk fort 
gesetzt, das zeigten die tiefen Einbrüche, und 
man spürte es auch an der Wärme. Die 
Nacht fiel zeitiger in den Talgrund. Die 
hohen Buchenstämme wuchsen mit dem Ge 
schlinge ihrer Kronen ineinander, da und 
dort blinkte ein Stern in den Zweigen. Kar 
renschmidt hockte vor dem Meiler, sein Blick 
ging hin und her. Er dachte darüber nach, 
wie sich nun doch alles noch zum Guten ge 
wandt habe. Martha würde den Brief an die 
Mutter schreiben, und sobald er den ersten 
Lohn bekäme, würde er eine Wohnung mieten 
und die Frau mit den Kindern heimho’en. 
Hier im Walde verdiente er ein auskömm 
liches und vielleicht schmackhafteres Brot. 
Wenn man sich einteilte, konnte man auch so 
zu einem Häuschen kommen, warum denn 
nicht? Er stellte sich im Geist das Häuschen 
vor . . . natürlich stand es am Rand des 
Waldes ... er sah sich schon das Land ro 
den, Bäume umsägen, das Gewürzei los-
	        
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