der zu versorgenden Pensionäre und
Hinterbliebenen. Dieser Unterschied
zwischen Einnahmen und Ausgaben ist
noch so groß, daß nicht einmal die ge
kürzten Pensionszahlungen aufgebracht
werden könnten, wenn nicht von dritter
Seite Zuschüsse bzw. Darlehen in Mil
lionenhöhe an den Knappschaftsverein
gegeben würden. Mit geliehenem Geld
aber läßt sich auf die Dauer nicht
wirtschaften, das wäre so ungesund
wie nur etwas.
Neckel: Gewiß, so etwas geht auf die Dauer
nicht. Aber wie hier kann geholfen
werden, das scheint mir nicht so ein
fach zu sein.
Matz: Neckel, das Rezept ist garnicht so
schwierig. Es handelt sich in der
Hauptsache darum, die Zahl der Bei-
tragszahler für den Knappschaftsver
ein zu erhöhen. Es kommt daher dar
auf an, daß recht viele junge Leute
auf den Gruben anfahren. Ich sage
ausdrücklich junge Leute, die den
Knappschafts-Verein in absehbarer
Zeit nicht belasten. Mit anfahrenden
älteren Leuten ist uns wenig gedient,
denn sie werden allzu leicht und zu
früh Nutznießer der Kranken- wie
auch der Pensionskasse.
Neckel: Deine Darlegungen treffen den Nagel
auf den Kopf. Ich sehe, Du verstehst
etwas von der Sache, Du warst ja auch
nicht umsonst lange Jahre Büchsen
ältester. Es liegt also in unserem
eigenen Interesse, recht bald viele
junge Leute für den Bergbau unserer
Heimat zu gewinnen. So können wir
dem Knappschaftsverein wieder auf
die Strümpfe helfen und damit ist
uns selbst geholfen. Wenn jeder von
uns Alten sich vornimmt, aus seinem
Familien- und Bekanntenkreis den
einen oder anderen jungen Mann auf
die Grube zu bringen, so wird unsere
Pensionskasse nach und nach wieder
gesunden, und die Zukunft von uns
Pensionären und unseren Bergmanns
witwen und Waisen ist .sichergestellt.
Matz; Jawohl, nur so kann’s gemacht wer
den. Aber ganz abgesehen von diesen
sehr wichtigen Erwägungen im Inter
esse unseres Knappschaftsvereins gibt
es auch noch andere außerordentlich
wichtige Gründe, die die jungen Leute
veranlassen sollten, unseren Berg
mannsberuf zu ergreifen. Es ist doch
ein gesichertes Stück Brot. Sieh mal,
Matz, wir haben beide 40 Jahre auf
der Grube geschafft und sind in dieser
langen Zeit nicht ein einziges Mal ar
beitslos geworden. Gewiß gab es Zei
ten, in denen wegen Kohlenabsatz
mangel Feierschichten eintraten. Aber
diese Zeiten haben nie lange angehal
ten und wir haben unseren Arbeits
platz und unseren Beruf nie zu wech
seln brauchen. Und das war außer
ordentlich viel wert.
Wenn ich weiß, daß ich eine ge
sicherte Existenz habe, dann bin ich
auch in der Lage, meine häuslichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse dar
auf einzustellen. Nur dann kann ich
daran denken, mir ein Häuschen zu
bauen, einen Garten und ein Stück
Land anzuschaffen, etwas Kleinvieh zu
halten, und, wenn es ganz gut geht,
auch hie und da ein Schwein zu
schlachten, denn ohne Fettzusatz geht
es auch im Frieden nicht. Wenn ich
aber in einem Industriezweig oder
Gewerbe tätig bin, das jeder Konjunk
turschwankung so ausgesetzt ist, daß
Entlassungen oder längere Arbeits
losigkeit eintreten, dann kostet es
nicht nur Mühe „aus der Hand in den
Mund zu leben", sondern es ist an be
sondere Anschaffungen garnicht zu
denken. Lange oder wiederholte Ar
beitslosigkeit bringt die Familie genau
so in den Rückstand wie lange Krank
heiten.
Neckel: Das ist richtig, ich habe das beste
Beispiel an meinem Schwager selbst.
Der Pitt ist ein recht ordentlicher und
braver Kerl. In die Grube aber wollte
er nicht gehen, er sagte in seinen jun
gen Jahren immer, die Grube sei ihm
zu schwarz, und solange keine Fenster
dran seien, bringe ihn niemand hinein.
Er fand Arbeit in einem Eisenbearbei
tungsbetrieb. Nachdem er wenige Jahre
dort gearbeitet hatte, wurde der Be
trieb nach Westfalen verlegt. Mein
Schwager wurde arbeitslos und zwar
fast ein halbes Jahr. Schließlich fand
er in einem Handelsunternehmen in
Saarbrücken als „Handwerker für
alles“ Beschäftigung. Aber auch hier
war seines Bleibens nicht. Der arme
Kerl hatte viele Kinder, und um an
den Kinderzulagen vorbeizukommen,
war er bei eingetretenem schlechten
Geschäftsgang der erste, der abgebaut
wurde, während die Grube Kinderzu
lagen anstandslos bezahlt. Die Folge
war, daß die Familie meines Schwagers
wirtschaftlich auf keinen grünen Zweig
kam, sie ist in unserer ganzen Ver
wandtschaft die ärmste geblieben und
war schon oft froh, wenn wir ihr unter
die Arme gegriffen haben. Mein
Schwager ist jetzt alt und hat außer
der allgemeinen Invalidenrente keinen
Pfennig Pension. Er hat es schon oft
bereut, daß ihm in seiner Jugend die
Grube zu schwarz war.
Matz: Neckel, Neckel, wie es Deinem Schwa
ger erging, so ist es vielen anderen er
gangen, die später froh gewesen
waren, wenn sie in ihrer Jugend den