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dem Bache entlehnt haben, so würde es sich,
schon mit Rücksicht auf die Salzgewinnung,
gewiß eher Salzbach genannt haben. Wie dem
immer sei: ist Sulzbach erst eine jüngere
Gründung, das heißt, deckt sich seine Ent
stehungszeit in etwa mit dem gefeierten
Jubiläum, so ist die bisherige Anschauung,
daß das Dorf seinen Namen dem Bächlein
entliehen habe, durchaus gerechtfertigt.
Dieser Auffassung stellen sich indes die
vorgenannten zwei Steintröge sowie Herr
Hermann Albert Prietze entgegen. Erstere
sprechen, wo immer ihre Bruchstücke auch
eingemauert sein mögen, für eine ältere,
also für eine in die fränkische Zeit zurück
reichende Siedlung. Herr Prietze 3 ), ein her
vorragender Ethnologe und Forscher, ist der
Meinung, daß die Namensgebung des Dorfes
keineswegs etwas mit dem vorbeifließenden
Bache zu tun habe, sondern mit einem Back
(Beck, Büchel, Buckel), einem ehemaligen Ge
richtsplatz Zusammenhänge. So vielem Wider
spruch die Auffassung Prietze’s im Saar
gebiet auch begegnet ist — er war nämlich
nicht ..weit genug her“, um dafür gefeiert zu
werden — so große Beachtung wurde ihr
wieder in den Kreisen der ethnologischen
Wissenschaft zuteil, der die Studien und
Untersuchungen Prietze’s ja auch einzig dienen
sollten. Bekanntlich müssen sich wissenschaft
liche Erkenntnisse immer erst durchringen,
erst recht dann, wenn sich den an sich klaren
Theorien neue Probleme in den Weg stellen.
Hinsichtlich des Namens Sulzbach recht-
fertigen aber noch einige lokale Gegeben
heiten die Theorie Prietze’s. Aus der Zeit vor
dem 30jährigen Kriege ist durch ein Reno-
vaturprotokoll vom Jahre 1686 4 ) eine alte
Flurbezeichnung erwiesen, die das Sulzbach
nordwestlich vorgelagerte Gelände, von der
heutigen Glashütte an, als den „Hunerbauer"
bezeichnet. Nichts wäre jedoch unrichtiger,
als hier etwa an einen Bauer zu denken, der
im Mittelalter eine Hühnerfarm betrieben
hätte. Vielmehr liegt der Bezeichnung „Huner
bauer“ das gleiche Stammwort zugrunde wie
der Distriktsbezeichnung „Hunackerhof“. Der
Hunr, Hun, Hunt oder Hüne war nämlich
nichts anderes als eine Amtsperson auf den
Jahrgedingen. Wenn im Bereich des Saar
gebietes bis jetzt auch nur drei Orte als
Thingstätten verbürgt waren (Hunackerhof,
Malstatt und Aßweiler), so erinnert die Be
zeichnung „Hunerbauer“ an den weiteren
Vorsteher einer „Honschaft“ oder Bauern
schaft, und zwar an einen freien Bauern, der
der Hun oder Dorfrichter war. Ursprünglich
wurde unter dem Hunr der Gauälteste ver
standen, sodaß die Bezeichnung bis zum Dorf
richter bereits an Bedeutung eingebüßt hatte.
Doch hängen mit dem Hunr oder Hun auch
die Hünengräber und Hünensteine zusammen.
In Sulzbach schloß sich an den Distrikt
„Hunerbauer“ der Distrikt „Hünerfeld“. Müßte
besser Hünenfeld (wie Hünfeld) heißen, weil
man mit „Hünerfeld“ nie etwas Rechtes anzu
fangen wußte. Um 1700 wurde die Dehnung
*) Prietze, Hermann Albert: „Das Geheimnis der
deutschen Ortsnamen“, Hannover-Linden, 1929.
«) Staatsarchiv Koblenz.
noch durch Konsonantenverdopplung ausge
drückt und also ,Hünnerfeld“ geschrieben.
Die Saarbrücker Distriktbeamten glaubten der
Mundart entsprechen zu müssen und machten
1718 aus dem Hünnerfelder Hof den „Hinter
felder Hof. Genau so unzutreffend ist die
heutige Schreibweise „Hühnerfeld“. Der
freundliche Kalenderleser erinnert sich da
vielleicht gar an Christoph von Schmid’9
Kinderroman: „O weh, da giebt’s noch nicht
einmal Hühner!“ Dem kann aber entgegen
getreten werden, denn in Hühnerfeld gibt es
wirklich Hühner.
Der Sulzbacher Hunr, dessen Liegenschafts
bezeichnung „der Hunerbauer“ längst aufge
gangen ist, lebt nur noch in Hühnerfeld fort.
Daß der Hun sehr weitreichende Besitzungen
haben mußte, ist erklärlich, da ein solcher
auch zur unabhängigen Führung des Amtes
nötig war. Die Wahl des Hunr war eine freie,
doch dürfte meistens der Sohn des alten Hunr
aus derselben hervorgegangen sein, denn
anders ließen sich die Distriktbezeichnungen
kaum erklären.
Ein Sulzbach in der Oberpfalz nennt sich in
mittelalterlicher lateinischer Bezeichnung „So-
lisbacum“. Es leitet seinen Namen also auch
nicht von Salz (oder Sülze), sondern von Sonne
her. Das Bild einer Sonne findet sich aber
vielerorts auf Thingsteinen dargestellt Diese
Steine hießen „Sule“. Nach der Sule, der Ge
richtssäule, nannten sich noch andere Orte
mit dem Namen Sulzbach, die weder einen
Bach noch eine Salzlecke aufzuweisen haben.
Bemerkenswert ist immerhin, daß Sulzbach
noch unter den Grafen von Saarbrücken ein
eigenes Gericht hatte, dem ein Hunmeier
Vorstand. Also ist es schon möglich, ja sogar
wahrscheinlich, daß der Ortsname Sulzbach
auf eine Thing- oder Gerichtsstätte zurück
zuführen ist, die, wie alle anderen Gerichts
stätten durch eine Steinsäule — Sule — ge
kennzeichnet war.
Sulzbach ist sonach nicht unter die mittel
alterlichen und späteren bach - Orte des Saar
gebiets einzureihen. Seine Entstehung fällt
zweifellos in eine frühgeschichtliche Zeit
spanne. Daß es alt, ja beträchtlichen Alters
ist, wissen wir. Indes bricht vor dem
Jahre 1346 die Brücke ab, die etwa in seine
weitere Vergangenheit hinübergeleiten könnte.
Eine fremde Reisegesellschaft, die im
Jahre 1892 im Hotel Hexamer abgestiegen
war, wandelte es an, sich nach den Sehens
würdigkeiten Sulzbachs zu erkunden. Ein
junges Bürschchen verwies die Fremden nach
dem Brennenden Berg und nach dem denk
würdigen Schlackenloch der historisch ge
wordenen Eisenschmelze 5 ). Gefragt, was das
für ein Berg sei, der gleich hinter dem
Schlackenloch auf stieg, antwortete das Büb-
lein: „Das ist ein sehr alter Berg“. Er wollte
den Namen „Geißenknopf“, den Montblanc im
Sulzbacher Kinderhimmel, durch keines Frem
den Mund geschändet sehen, aber es ant
wortete schon recht so. Viel mehr wissen
wir nämlich von dem übrigen Sulzbach nicht.
5 ) Hier waren, erstmals auf dem Festland, die Ver
suche angestellt worden, Eisenerze mit Koks
auszuschmelzen.