brecher wurde ein reicher Mann, der aber
nie vergaß, was er einmal gewesen und der
auch nie vergaß, daß Armut weh tut.
Wenn aber der Peter und die Liesel abends
zu Bett gingen, dann traten sie zuerst noch
einmal zum Fenster und schauten hinaus
zum Wald, zum Hünengrab. Dann winkten
und grüßten sie in die Richtung und der ver¬
nünftige Peter sprach aus dankbarem Herzen
heraus die schlichten Worte:
„Nun gute Nacht, ihr Zwerge,
schützt Vaters Glück im Berge!“
Raubritter Reppert
Eine Sage vom räuberischen Herrn des Stiefeler Schlosses bei St. Ingbert
ln grauer Vorzeit schon hatte es ein tapferer
Ritter unternommen, auf der langgestreckten
Höhe des Großen Stiefels bei St. Ingbert
eine trutzige Burg anzulegen. Hier hausten er
und seine Nachkommen in Unabhängigkeit
lange Zeit, bis endlich der letzte Sprosse des
Geschlechtes starb. Da zerstreuten sich die
Dienstleute, die Hochveste lag öde und ver¬
lassen und schien dem Verfall geweiht. Doch
plötzlich erhielt sie einen neuen Herrn. Das
war ein fremder Ritter, der die zerfallenen
Räume wieder wohnlich herrichten ließ und
mit seinen Mannen die Burg bezog. Es dauerte
nicht lange, so war sein Name Reppert
bekannt und gefürchtet im Westricher Land.
Das Volk nannte ihn den „Schnapphahn“,
denn niemand war vor seinen Räubereien
sicher, und wo er auf der Talstraße einen
Saumzug überfallen konnte, versäumte er es
nicht. Besonders oft wurde von ihm als
Hinterhalt ein Tälchen benützt, das oberhalb
des Dorfes Rentrisch vom Wald nach der
Straße zieht und heute noch „Schnapp-
hahnerdell“ heißt. Das Tal war damals
sehr einsam, weil das Dorf noch nicht bestand,
eine Waffenschmiede, von den Leuten des
Ritters bewohnt (auf der Stelle des späteren
Rentrischer Hammers) und die Brudermühle
am Bach waren die einzigen Wohnstätten, in
deren nächster Umgebung von Heiäeland,
Triesch, umlagert, während rechts und links
der Bergwald sich heranstreckte. Das war
eine gefährliche Stelle zu Schnapphahns
Zeiten. Mit Furcht und Zagen zogen die
Reisenden ihre Straße, die Zinnen des Stiefeler
Schlosses vor Augen, die drohend über die
mächtigen Eichen und Buchen blickten. Kam
aber der Zug an Schnapphahns Dell vorbei,
dann gab es ein Rennen und Laufen über das
Triesch, um aus Repperts unheimlicher Nach¬
barschaft zu kommen. Das war der Schau¬
platz von Repperts Raubtaten, über die
manche schauerliche Geschichte vom Volks¬
mund erzählt wird.'
Eines Tages war Reppert auch ausgeritten
und trabte auf seinem Rappen das Scheidter
Tal abwärts. Ein Seitentälchen lockte ihn zum
Hinterhalt, und er legte sich hier auf die
Lauer. Nicht lange brauchte er zu spähen, so
gewahrte sein Auge eine weibliche Gestalt.
Auf der Straße nach Saarbrücken wanderte
eine hochgewachsene, braunlockige Jungfrau
einher. Das Mädchen trug Trauben für die
Schloßküche in Saarbrücken. Es war eine
ländliche Schönheit aus Scheidt. Sie war nach
des Ritters Sinn. Er wollte sie um jeden Preis
besitzen. Und dem Gedanken folgte nach
Repperts Art sogleich die Ausführung. Wie
ein hungriger Geier, der nach Beute jagt,
stürzte der Schnapphahn aus dem Hinterhalt,
raubte die vor Schreck in Ohnmacht gesun¬
kene Jungfrau und entführte sie in raschem
Ritte zum Stiefeler Schloß. Als die Unglück¬
liche aus der Betäubung erwachte, wußte sie,
daß ein trauriges Leben ihrer wartete. Der
Raubritter hielt sie fortan gefangen. Sieben
Jahre mußte sie an seiner Seite aushalten, und
während dieser Zeit schenkte sie drei Kindern
das Leben, die der Ritter aber, weil es Mägde¬
lein waren, stets vier Wochen nach der Ge¬
burt erwürgte. Doch die irdische Strafe für
des Raubritters Untaten sollte ihn ereilen.
Mit plötzlicher Heftigkeit warf ihn eine böse
Krankheit auf das Siechbett. Je länger er
aber leiden mußte, desto übellaunischer und
mißtrauischer gegen seine Umgebung wurde
er. Von allen Seiten fürchtete er Gift und.
Verrat, seinen Dienstleuten schärfte.er aufs
strengste ein, niemanden ein- noch auszu¬
lassen, und bei Nacht konnte er nicht ruhen,
wenn die Burgschlüssel nicht unter seinem
Kopflager verwahrt lagen. Von Arzneien
mochte der Sieche nicht reden hören, viel
weniger wollte er sie, aus Furcht vor Vergif¬
tung, nehmen. Oft und oft ging ihn die ge¬
fangene Scheidterin an, daß sie nach Saar¬
brücken dürfe zu einem Heilkünstler, damit
dieser unter ihren Augen einen heilenden
Trank für ihn herstelle. Lange sträubte sich
Reppert, sie ziehen zu lassen, denn die Furcht
war in ihm rege, daß ihr Weg nicht mehr
nach dem Stiefel führe, vielmehr sie ihn an
seine Feinde verraten würde. Doch die
Schmerzen quälten ihn von Tag zu Tag länger
und ärger, so sagte Reppert denn endlich
grimmig Ja. Doch nicht ohne Gelöbnis ließ er
seine Gefangene ziehen. Bei allem, was ihr
heilig war, nahm er ihr den Schwur ab, daß
sie an keinen Verrat denke, und daß sie allein
mit dem Heiltrank zu ihm wiederkehre.
Jetzt endlich nach so langer Haft war
die Freiheit für das arme Weib gekommen.
Sie hätte wohl hinausziehen können in die
Fremde oder sich verbergen vor des Ritters
Nachforschungen. Aber getreu ihrem Schwur
wanderte sie den bekannten Weg nach Saar¬
brücken. Seit ihrer Kindheit kannte sie den
Pfarrpriester in St. Johann. Zu dem führte sie
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