Full text: 72.1944 (0072)

brecher wurde ein reicher Mann, der aber 
nie vergaß, was er einmal gewesen und der 
auch nie vergaß, daß Armut weh tut. 
Wenn aber der Peter und die Liesel abends 
zu Bett gingen, dann traten sie zuerst noch 
einmal zum Fenster und schauten hinaus 
zum Wald, zum Hünengrab. Dann winkten 
und grüßten sie in die Richtung und der ver¬ 
nünftige Peter sprach aus dankbarem Herzen 
heraus die schlichten Worte: 
„Nun gute Nacht, ihr Zwerge, 
schützt Vaters Glück im Berge!“ 
Raubritter Reppert 
Eine Sage vom räuberischen Herrn des Stiefeler Schlosses bei St. Ingbert 
ln grauer Vorzeit schon hatte es ein tapferer 
Ritter unternommen, auf der langgestreckten 
Höhe des Großen Stiefels bei St. Ingbert 
eine trutzige Burg anzulegen. Hier hausten er 
und seine Nachkommen in Unabhängigkeit 
lange Zeit, bis endlich der letzte Sprosse des 
Geschlechtes starb. Da zerstreuten sich die 
Dienstleute, die Hochveste lag öde und ver¬ 
lassen und schien dem Verfall geweiht. Doch 
plötzlich erhielt sie einen neuen Herrn. Das 
war ein fremder Ritter, der die zerfallenen 
Räume wieder wohnlich herrichten ließ und 
mit seinen Mannen die Burg bezog. Es dauerte 
nicht lange, so war sein Name Reppert 
bekannt und gefürchtet im Westricher Land. 
Das Volk nannte ihn den „Schnapphahn“, 
denn niemand war vor seinen Räubereien 
sicher, und wo er auf der Talstraße einen 
Saumzug überfallen konnte, versäumte er es 
nicht. Besonders oft wurde von ihm als 
Hinterhalt ein Tälchen benützt, das oberhalb 
des Dorfes Rentrisch vom Wald nach der 
Straße zieht und heute noch „Schnapp- 
hahnerdell“ heißt. Das Tal war damals 
sehr einsam, weil das Dorf noch nicht bestand, 
eine Waffenschmiede, von den Leuten des 
Ritters bewohnt (auf der Stelle des späteren 
Rentrischer Hammers) und die Brudermühle 
am Bach waren die einzigen Wohnstätten, in 
deren nächster Umgebung von Heiäeland, 
Triesch, umlagert, während rechts und links 
der Bergwald sich heranstreckte. Das war 
eine gefährliche Stelle zu Schnapphahns 
Zeiten. Mit Furcht und Zagen zogen die 
Reisenden ihre Straße, die Zinnen des Stiefeler 
Schlosses vor Augen, die drohend über die 
mächtigen Eichen und Buchen blickten. Kam 
aber der Zug an Schnapphahns Dell vorbei, 
dann gab es ein Rennen und Laufen über das 
Triesch, um aus Repperts unheimlicher Nach¬ 
barschaft zu kommen. Das war der Schau¬ 
platz von Repperts Raubtaten, über die 
manche schauerliche Geschichte vom Volks¬ 
mund erzählt wird.' 
Eines Tages war Reppert auch ausgeritten 
und trabte auf seinem Rappen das Scheidter 
Tal abwärts. Ein Seitentälchen lockte ihn zum 
Hinterhalt, und er legte sich hier auf die 
Lauer. Nicht lange brauchte er zu spähen, so 
gewahrte sein Auge eine weibliche Gestalt. 
Auf der Straße nach Saarbrücken wanderte 
eine hochgewachsene, braunlockige Jungfrau 
einher. Das Mädchen trug Trauben für die 
Schloßküche in Saarbrücken. Es war eine 
ländliche Schönheit aus Scheidt. Sie war nach 
des Ritters Sinn. Er wollte sie um jeden Preis 
besitzen. Und dem Gedanken folgte nach 
Repperts Art sogleich die Ausführung. Wie 
ein hungriger Geier, der nach Beute jagt, 
stürzte der Schnapphahn aus dem Hinterhalt, 
raubte die vor Schreck in Ohnmacht gesun¬ 
kene Jungfrau und entführte sie in raschem 
Ritte zum Stiefeler Schloß. Als die Unglück¬ 
liche aus der Betäubung erwachte, wußte sie, 
daß ein trauriges Leben ihrer wartete. Der 
Raubritter hielt sie fortan gefangen. Sieben 
Jahre mußte sie an seiner Seite aushalten, und 
während dieser Zeit schenkte sie drei Kindern 
das Leben, die der Ritter aber, weil es Mägde¬ 
lein waren, stets vier Wochen nach der Ge¬ 
burt erwürgte. Doch die irdische Strafe für 
des Raubritters Untaten sollte ihn ereilen. 
Mit plötzlicher Heftigkeit warf ihn eine böse 
Krankheit auf das Siechbett. Je länger er 
aber leiden mußte, desto übellaunischer und 
mißtrauischer gegen seine Umgebung wurde 
er. Von allen Seiten fürchtete er Gift und. 
Verrat, seinen Dienstleuten schärfte.er aufs 
strengste ein, niemanden ein- noch auszu¬ 
lassen, und bei Nacht konnte er nicht ruhen, 
wenn die Burgschlüssel nicht unter seinem 
Kopflager verwahrt lagen. Von Arzneien 
mochte der Sieche nicht reden hören, viel 
weniger wollte er sie, aus Furcht vor Vergif¬ 
tung, nehmen. Oft und oft ging ihn die ge¬ 
fangene Scheidterin an, daß sie nach Saar¬ 
brücken dürfe zu einem Heilkünstler, damit 
dieser unter ihren Augen einen heilenden 
Trank für ihn herstelle. Lange sträubte sich 
Reppert, sie ziehen zu lassen, denn die Furcht 
war in ihm rege, daß ihr Weg nicht mehr 
nach dem Stiefel führe, vielmehr sie ihn an 
seine Feinde verraten würde. Doch die 
Schmerzen quälten ihn von Tag zu Tag länger 
und ärger, so sagte Reppert denn endlich 
grimmig Ja. Doch nicht ohne Gelöbnis ließ er 
seine Gefangene ziehen. Bei allem, was ihr 
heilig war, nahm er ihr den Schwur ab, daß 
sie an keinen Verrat denke, und daß sie allein 
mit dem Heiltrank zu ihm wiederkehre. 
Jetzt endlich nach so langer Haft war 
die Freiheit für das arme Weib gekommen. 
Sie hätte wohl hinausziehen können in die 
Fremde oder sich verbergen vor des Ritters 
Nachforschungen. Aber getreu ihrem Schwur 
wanderte sie den bekannten Weg nach Saar¬ 
brücken. Seit ihrer Kindheit kannte sie den 
Pfarrpriester in St. Johann. Zu dem führte sie 
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