lieh wird, also das eh vor s ausfällt, so
kam es auch zu den Formen Dreßler und
Drießler, Dressei (Dreßei) und Dröschel,
und es meinen solche Namen immer noch
den einstigen Handwerker, welcher an der
Drehbank arbeitete. In Vergessenheit ge¬
raten ist auch eine alte Benennung für
den Kleinhändler, Trödler, Krämer, mag
sie nun als Familienname heute Gremp(e),
Kremp(e), Grempener oder Krempel ge¬
schrieben werden; am richtigsten ist das
G am Wortanfang. Daß Schuster und
Schuhmacher den gleichen Beruf benen¬
nen, verstehen wir; aber auch Sutter und
Sauter meinen ihn, sind nur landschaft¬
liche Unterschiede für ursprüngliches lat.
sutor (= ,Schuhflicker*), ebenso bezeichnen
Schu(h)mann und auch aus Schuhmacher
(alt Schuomacher) zusammengezogenes
Schummer und Schommer das gleiche
Handwerk.
Doch nicht bloß handwerkliche und
händlerische Berufe ljeben in Familien¬
namen weiter sondern auch Amt und
Würde. Vogt, Voit und Fauth meinen
denselben einstigen richterlichen, Auf-
sichts- und Verwaltungsbeamten; nur ist
die eine Wortform in der, die andere in
jener Gegend aus dem ursprünglichen
lateinischen Namen entstanden. Daneben
stellen wir mit gutem Grund den Graf oder
Gräfe oder Gräff; denn einmal verhielt es
sich mit diesen wechselnden Gestaltungen
der gleichen Herkunft ebenso, und zum
andern benannten sie ebenfalls einen
richterlichen, Aufsichts- und Verwaltungs¬
beamten; aber es mußte durchaus nicht
ein Graf der Art sein, wie wir ihn uns
zumeist bei diesem Namen vorstellen, son¬
dern auch ein Dorfvorstand, ein Gilde¬
meister, ja sogar ein Aufseher über Feder¬
vieh und dergleichen konnte im späteren
Mittelalter so heißen (man denke auch an
den Namen Hühnerfauth!) Ebenfalls bei
Gericht tätig war der Stuhlsatz, nämlich
als Gerichtsbeisitzer, heute würden wir
Schöffe sagen (und das Stuhlsatzenhaus
zwischen Dudweiler und Saarbrücken hat
von einem Träger des Namens, der es
einst besaß, seine Benennung erfahren).
Schauen wir noch einmal zurück, dann
durchwanderten wir drei verschiedene
Gruppen von Familiennamen, aus Ruf¬
namen, aus Ortschafts- und aus Berufs¬
benennungen entstandene- Die letzte, die
wir noch in ein paar Beispielen vorzu¬
führen haben, geht auf sogenannte Über¬
namen zurück. Sie können ursprünglich
unfreundlich gemeint sein und heißen
dann mit Recht Spitznamen, können
aber auch ganz harmlos sein. Es war
doch bestimmt nicht bös gemeint, wenn
man zur Zeit, die noch ohne Familien¬
namen war, drei Heinrich so unterschied:
der dicke Heinrich, der große Heinrich,
der kleine Heinrich, woraus später „Hein¬
rich Dick“, „Heinrich Groß“, „Heinrich
Klein“ wurde; denn man sprach ja nur
wirklich gegebene Tatsachen aus. Statt zu
Dick konnte es ebenso zum Ubernamen
und folglich auch Familiennamen Fett oder
auch Sinnwell (= ,kugelrund*) kommen,
statt Groß zu Lang(e) oder Stang(e) und
statt Klein zu Kurz oder — was dasselbe
ist — Lützel oder Stump(f) oder Sturz oder
Storz, und den Gegensatz zum Dick bildet
der Schmal oder Dürr oder Dörr. Rau(h)
und Rauch ist ehemals dasselbe und meint
einen recht haarigen Menschen, Grim(m)
einen, der den Gegensatz zu einem von
sanfter, freundlicher Art bildete, Fink eine
frohe, lustige Natur.
Aber genug der Beispiele! Die Erklärung
aller Familiennamen im Sulzbachtal würde
ein Buch ergeben. Soviel hat wohl der
freundliche Leser begriffen: wenn auch
mancher Name ohne tieferes Nachdenken
zu verstehen ist, bei vielen muß man vor¬
sichtig sein, auch wenn sie ganz verständ¬
lich erscheinen. Ich will das noch einmal
unterstreichen, indem ich Kratz und
Gewehr vornehme. Jener ist kein Spitz¬
name für einen streit-(kratz-)süchtigen
Menschen, sondern Kurzform aus dem zum
Rufnamen gewordenen Heiligennamen
Pankratius, und dieser hat mit der Waffe
ganz und gar nichts zu tun, sondern wäre
heute richtig Gewähr zu schreiben und
bedeutet ,Gewährsmann, Bürge*. Die rich¬
tige Deutung der Familiennamen erfordert
gründliche Sprachkenntnisse, und zwar
der hochdeutschen Sprache und der Mund¬
art, und lange und umsichtige Beschäfti¬
gung mit ihnen, d. h. Erforschung an Hand
alter Formen und Belege, und noch man¬
cherlei mehr. Und selbst dann steht man
am Ende eines Menschenlebens immer noch
vor einer nicht kleinen Anzahl von Rät¬
seln. Umsomehr sollte man sich vor ober¬
flächlicher Deutelei und Raterei hüten.
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