Full text: 72.1944 (0072)

Familiennamen aus dem Sulzbachtal Prof. Dr. E. Christmanu 
Kaiser und Könige werden nur mit 
ihrem Rufnamen genannt, und wenn es 
mehrere Heinrich oder Konrad oder Karl 
unter ihnen gibt, genügt die Unterschei¬ 
dung durch Hinzufügung einer Nummer: 
Heinrich I., Konrad II., Karl V. Auch wir 
bürgerlichen Menschen hatten einst nur 
einen einzigen Namen, den in der Taufe 
erhaltenen, hießen also schlichtweg Her¬ 
mann oder Otto oder Johannes. Das war 
freilich in einer Zeit, als wir noch nicht in 
solchen Massen herumwimmelten wie jetzt, 
als im Sulzbachtal also noch nicht Hämmer 
dröhnten, Ketten rasselten, Maschinen 
zischten und ratterten und schnaubten, 
als hier vielmehr der weite Waldmantel 
der Berge sich auch noch durch ein stilles 
Tal legte und sich um die schwarzen 
Diamanten noch niemand sonderlich be¬ 
mühte. Erst zwischen 1200 und 1600 ent¬ 
wickelten sich zu den Ruf- oder Vor- auch 
noch solche Zunamen, die allmählich zu 
festen und bleibenden Familiennamen 
wurden; erst vollzog sich das in den großen 
Städten am Rhein, so in Speyer und Worms 
bald nach 1200, weiter im Westen erst seit 
dem 14./15. Jahrhundert. Noch 1432 kann 
man z. B. in einer Steuerliste aus Saar¬ 
brücken Leute kurzweg so aufgeführt 
finden: „diederich, mathis, michel“ (Diet¬ 
rich, Matthias, Michael), und wenn da¬ 
neben auch steht: „Hans Hudemecher, 
Jacob Schumecher, Rymey Haffener“, dann 
bedeutet das nur, daß jener Hans von 
Beruf Hutmacher war, sein Mitbürger 
Jakob das Schuhmacherhandwerk, und der 
genannte Remigius das Gewerbe des Häf- 
ners betrieb. Ja, in Quierschied, das damals 
noch besonders klein und unbedeutend 
war, heißen der Meier (d. i. der Ortsvor¬ 
stand) und sein Schwiegersohn sogar noch 
1542 kurzweg Niklas und Peter. Nun gab 
es damals aber in dem Örtchen nichtsdesto¬ 
weniger noch einen Peter. Um ihn von 
jenem andern zu unterscheiden, sagte 
man „Classen Peter“ zu ihm, und das 
bedeutet Niklausen Peter, d. h. der Peter, 
welcher ein Sohn des Nikolaus ist. Bür¬ 
gerte es sich ein, ihn immer so zu nennen, 
so gelangte er zu einem festen Zunamen, 
und wenn er ihn auch auf seinfe Nach¬ 
kommen vererbte, wurde daraus ein 
F amilienname. 
Wir verstehen also, daß Johannes oder 
Hans, Gebhard, Rupprecht oder Ruppert 
(und daraus abgekürztes Rupp), Friedrich 
und die Kurzform Fried dazu in der glei¬ 
chen Weise wie Claß (Classen, Klaus, 
Nikolaus, Nickel) aus Ruf- zu Familien¬ 
namen werden konnten und geworden 
sind. Dabei ist noch ein Unterschied fest¬ 
zustellen. Im Norden von Deutschland hieß 
ein Hermann, welcher der Sohn eines 
Wilhelm war, „Hermann Wilhelms“ (oder 
zusammengezogen Willems oder Wilms), 
während man bei uns und im südlichen 
Deutschland überhaupt das s am Schluß 
wegließ- In gelehrten Berufen gab man 
gern ein lateinisches Schwänzchen zu und 
nannte z. B. den Sohn eines Wilhelmus 
dann „Hermann Wilhelmy“ (Wessenfall). 
Wenn wir uns nun unter den Familien¬ 
namen in Dudweiler, Sulzbach usw. noch 
weiter umsehen, werden uns schon recht 
viele klar, dagegen andere noch nicht, weil 
sie sich mehr oder weniger geändert 
haben. Nehmen wir einige vor! Auch 
Siebert und Seibert gehen auf den Ruf¬ 
namen eines Vorfahren zurück, der eigent¬ 
lich Sigibert hieß; aber im Mund der Leute 
war daraus längst Sibert zusammen¬ 
gezogen (wie Wagen, sagen usw. zu „Wahn, 
sahn“), ebenso sind Siefert, Seifert und 
Seufert nur landschaftlich verschiedene 
Zusammenziehungen und Schreibungen 
für den alten Rufnamen Sigifrid, der uns 
für den Helden Siegfried gut bekannt ist 
Wir dürfen gleich Siegel daneben stellen; 
denn wie man einen Friedrich abgekürzt 
Fried ruft oder verkleinert auch Friedei 
so wurde auch in der Leute Mund aus dem 
Siegfried über Sieg ein kleiner Siegel; 
blieb der Rufname, auch als der Bube er¬ 
wachsen war, an ihm haften, dann konnte 
er auf seine Nachkommen ebenso über¬ 
gehen, wie wir es oben von Nikolaus 
(Claßen) zeigten. Ist es schwer zu ver¬ 
stehen, daß wie der Friedrich über Fried 
zu Fritz (oder was dasselbe ist: Fritsch} 
wurde, auch der Dietrich über Diet zum 
Dietz (im nördlichen Deutschland Dietzen), 
ebenso aber auch über Diet zu Dietel wer¬ 
den konnte, wie unser Generaloberst vom 
Nordabschnitt unserer Front heißt? Und 
von da ist es nur ein kleiner Schritt, daß 
man Dietel zu Diel oder Diehl zusammen - 
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