Full text: 71.1943 (0071)

Ein Kalender entfesselt einen Krieg! 
Plauderei von Viktor Langhanki 
Der Kalender gehört unserer Meinung nach 
zu den nüchternsten Dingen des Alltags. Eine 
der Selbstverständlichkeiten des Lebens, 
nichts weiter. Da jedoch oft gerade von den 
unscheinbarsten Dingen die interessantesten 
Tatsachen zu erzählen sind, ist es gewiß von 
großem Reiz, einen Blick auf die Geschichte 
des Kalenders zu werfen. 
Der Datumanzeiger, wie man früher den 
Kalender nannte, geht in seinen Ursprüngen 
viele Jahrtausende zurück. Bereits im Jahre 
4241 vor Christi entstand in Ägypten, das einst 
auf wissenschaftlichem Gebiete höchste Gel¬ 
tung besaß, der erste Kalender der Welt. Als 
dann später Ägyptens Macht durch das römi¬ 
sche Reich zerbrochen und abgelöst wurde, 
trat der altrömische Kalender mit zehn Mo¬ 
naten in Kraft, der jedoch bald von dem 355- 
tägigen Mondjahr ersetzt wurde. Da dieses 
aber zwölf völlig ungleiche Monate aufwies, 
die es erforderlich machten, daß des öfteren 
sogenannte Schaltmonate eingeschoben wer¬ 
den mußten, kennte es nur als ein Notbehelf 
angesehen werden, und die Astronomen arbei¬ 
teten daher ständig weiter an einer Verbes¬ 
serung. 
Im Jahre 46 vor Christi wurde dann eine 
wesentliche Vervollkommnung erreicht, als 
Julius Cäsar mit dem Julianischen Kalender 
das Sonnenjahr mit 365 Tagen und allen vier 
Jahren 366 Tagen einführte. Auch hiermit 
setzte sich der große Imperator ein ewiges 
Denkmal, denn der Kalender trägt nach nie¬ 
mand anders als nach Julius Cäsar seine Be¬ 
zeichnung, und auch unser Monat Juli ver¬ 
dankt ihm seinen Namen. 
Nun wurde es viele Jahrhunderte still um 
dieses so viele Gemüter bewegende Problem, 
das erst gegen Ende des Mittelalters wieder 
aufgegriffen wurde und nach vielen Verhand¬ 
lungen schließlich im Jahre 1582 eine erneute 
Reform erfuhr, indem der Julianische Kalen¬ 
der abgeschafft und an seine Stelle der von 
dem Papst Gregor XIII. propagandierte und 
nach ihm benannte Gregorianische Kalender 
trat. Während die Katholiken ihn natürlich 
sofort anerkannten, wurde er von den Prote¬ 
stanten erst im Jahre 1700 mit einigen Ver¬ 
besserungen angenommen. Als er dann aber 
1775 von Friedrich dem Großen eingeführt 
wurde, einigte man sich 1777 in Deutschland 
allgemein auf den — auch Reichskalender ge¬ 
nannten — Gregorianischen Kalender, der 
sich bis in unsere heutige Zeit seine Lebens¬ 
dauer erhalten konnte. Sein Vorzug besteht 
darin, daß er noch größere Genauigkeit auf¬ 
weist, da die Schaltung im letzten Jahre eines 
jeden Jahrhunderts fortfällt, falls nicht etwa 
die Zahl der verflossenen Jahrhunderte gerade 
durch vier zu teilen ist. Auf die Einwendung, 
„aber das können doch nur Minuten aus- 
machen“, muß erwidert werden, daß sich Ru߬ 
land, das den Julianischen Kalender weiterhin 
beibehielt, seit dem 1. März 1900 der anderen 
Welt gegenüber volle dreizehn Tage in Rück¬ 
stand befand, bis es vor einigen Jahren seinen 
viel belachten Kalender mit der Fünf-Tage- 
Woche einführte. 
Wie schon angedeutet wurde, gingen so 
manche Länder erst spät dazu über, den alt¬ 
gewohnten Kalender durch den neuen zu er¬ 
setzen. So mußte beispielsweise der berühmte 
Schweizer Kanton Graubünden zur Annahme 
des Gregorianischen Kalenders mit Waffen¬ 
gewalt gezwungen werden. 
Jedoch ist die Einteilung der Zeit auch 
heute noch nicht befriedigend und die Be¬ 
strebungen, einen verbesserten Kalender zu 
schaffen, werden ständig fortgesetzt. Vor allem 
Deutschland hat sich immer wieder mit neuen 
Anregungen bemüht, einen sogenannten „Ewi¬ 
gen Kalender“ einzuführen, der eine einheit¬ 
liche Zeitrechnung vermitteln würde und der 
Weltwirtschaft nur dienlich sein könnte. 
Worin liegt nun aber die Schwierigkeit, 
einen genauen Datumanzeiger herzustellen? 
Darin, daß die Erde fünf Stunden, achtund¬ 
vierzig Minuten und sechsundvierzig Sekun¬ 
den mehr als 365 Tage benötigt, einmal ihre 
Bahn um die Sonne zu ziehen. Um hierfür 
einen entsprechenden Ausgleich herbeizufüh¬ 
ren, wurde kürzlich angeregt, den Monaten 
eine Länge von 28 Tagen zu geben und zwi¬ 
schen Juni und Juli einen dreizehnten Monat 
mit dem Namen „Sol“, Sonnenmonat, einzu¬ 
legen. Dieser Gedanke ist übrigens nicht neu, 
da er schon in ähnlicher Weise von den 
Mayas verwirklicht worden ist, deren Kalen¬ 
derrechnung bis zum 6. August 618 vor Christi 
Geburt in bewundernswerter Genauigkeit vor¬ 
liegt und Zeugnis von diesem einst in jeder 
Beziehung hoch entwickelten Kulturvolk Mit¬ 
telamerikas ablegt. Da aber dreizehn Monate 
zu 28 Tagen nur 364 Tage ergeben, ist vor¬ 
geschlagen, die beiden Monate Juli und De¬ 
zember um einen Tag zu verlängern, womit 
jedoch schon wieder ein großer Schatten auf 
diese „Patentlösung“ fällt. Sie würde im übri¬ 
gen verschiedene Kuriositäten mit sich brin¬ 
gen, denn während in der augenblicklichen 
Zeitrechnung die in einem Schaltjahr am 
29. Februar geborenen Erdenbürger „nur alle 
vier Jahre Geburtstag haben“, könnten die an 
den wegfallenden Daten Geborenen überhaupt 
keinen Geburtstag mehr feiern. 
So alt der Kalender aber auch ist, so wenig 
Exemplare sind uns leider aus vergangener 
Zeit erhalten geblieben. Ein besonders schönes 
Stück ist im Besitz der Staats- und Univer¬ 
sitätsbibliothek in Hamburg. Es handelt sich 
hier zugleich um den ältesten in der Hanse¬ 
stadt gedruckten Kalender, der unter dem 
Titel „Chronologie, dat ys, Ein Korter Vthtock 
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