Ein Kalender entfesselt einen Krieg!
Plauderei von Viktor Langhanki
Der Kalender gehört unserer Meinung nach
zu den nüchternsten Dingen des Alltags. Eine
der Selbstverständlichkeiten des Lebens,
nichts weiter. Da jedoch oft gerade von den
unscheinbarsten Dingen die interessantesten
Tatsachen zu erzählen sind, ist es gewiß von
großem Reiz, einen Blick auf die Geschichte
des Kalenders zu werfen.
Der Datumanzeiger, wie man früher den
Kalender nannte, geht in seinen Ursprüngen
viele Jahrtausende zurück. Bereits im Jahre
4241 vor Christi entstand in Ägypten, das einst
auf wissenschaftlichem Gebiete höchste Gel¬
tung besaß, der erste Kalender der Welt. Als
dann später Ägyptens Macht durch das römi¬
sche Reich zerbrochen und abgelöst wurde,
trat der altrömische Kalender mit zehn Mo¬
naten in Kraft, der jedoch bald von dem 355-
tägigen Mondjahr ersetzt wurde. Da dieses
aber zwölf völlig ungleiche Monate aufwies,
die es erforderlich machten, daß des öfteren
sogenannte Schaltmonate eingeschoben wer¬
den mußten, kennte es nur als ein Notbehelf
angesehen werden, und die Astronomen arbei¬
teten daher ständig weiter an einer Verbes¬
serung.
Im Jahre 46 vor Christi wurde dann eine
wesentliche Vervollkommnung erreicht, als
Julius Cäsar mit dem Julianischen Kalender
das Sonnenjahr mit 365 Tagen und allen vier
Jahren 366 Tagen einführte. Auch hiermit
setzte sich der große Imperator ein ewiges
Denkmal, denn der Kalender trägt nach nie¬
mand anders als nach Julius Cäsar seine Be¬
zeichnung, und auch unser Monat Juli ver¬
dankt ihm seinen Namen.
Nun wurde es viele Jahrhunderte still um
dieses so viele Gemüter bewegende Problem,
das erst gegen Ende des Mittelalters wieder
aufgegriffen wurde und nach vielen Verhand¬
lungen schließlich im Jahre 1582 eine erneute
Reform erfuhr, indem der Julianische Kalen¬
der abgeschafft und an seine Stelle der von
dem Papst Gregor XIII. propagandierte und
nach ihm benannte Gregorianische Kalender
trat. Während die Katholiken ihn natürlich
sofort anerkannten, wurde er von den Prote¬
stanten erst im Jahre 1700 mit einigen Ver¬
besserungen angenommen. Als er dann aber
1775 von Friedrich dem Großen eingeführt
wurde, einigte man sich 1777 in Deutschland
allgemein auf den — auch Reichskalender ge¬
nannten — Gregorianischen Kalender, der
sich bis in unsere heutige Zeit seine Lebens¬
dauer erhalten konnte. Sein Vorzug besteht
darin, daß er noch größere Genauigkeit auf¬
weist, da die Schaltung im letzten Jahre eines
jeden Jahrhunderts fortfällt, falls nicht etwa
die Zahl der verflossenen Jahrhunderte gerade
durch vier zu teilen ist. Auf die Einwendung,
„aber das können doch nur Minuten aus-
machen“, muß erwidert werden, daß sich Ru߬
land, das den Julianischen Kalender weiterhin
beibehielt, seit dem 1. März 1900 der anderen
Welt gegenüber volle dreizehn Tage in Rück¬
stand befand, bis es vor einigen Jahren seinen
viel belachten Kalender mit der Fünf-Tage-
Woche einführte.
Wie schon angedeutet wurde, gingen so
manche Länder erst spät dazu über, den alt¬
gewohnten Kalender durch den neuen zu er¬
setzen. So mußte beispielsweise der berühmte
Schweizer Kanton Graubünden zur Annahme
des Gregorianischen Kalenders mit Waffen¬
gewalt gezwungen werden.
Jedoch ist die Einteilung der Zeit auch
heute noch nicht befriedigend und die Be¬
strebungen, einen verbesserten Kalender zu
schaffen, werden ständig fortgesetzt. Vor allem
Deutschland hat sich immer wieder mit neuen
Anregungen bemüht, einen sogenannten „Ewi¬
gen Kalender“ einzuführen, der eine einheit¬
liche Zeitrechnung vermitteln würde und der
Weltwirtschaft nur dienlich sein könnte.
Worin liegt nun aber die Schwierigkeit,
einen genauen Datumanzeiger herzustellen?
Darin, daß die Erde fünf Stunden, achtund¬
vierzig Minuten und sechsundvierzig Sekun¬
den mehr als 365 Tage benötigt, einmal ihre
Bahn um die Sonne zu ziehen. Um hierfür
einen entsprechenden Ausgleich herbeizufüh¬
ren, wurde kürzlich angeregt, den Monaten
eine Länge von 28 Tagen zu geben und zwi¬
schen Juni und Juli einen dreizehnten Monat
mit dem Namen „Sol“, Sonnenmonat, einzu¬
legen. Dieser Gedanke ist übrigens nicht neu,
da er schon in ähnlicher Weise von den
Mayas verwirklicht worden ist, deren Kalen¬
derrechnung bis zum 6. August 618 vor Christi
Geburt in bewundernswerter Genauigkeit vor¬
liegt und Zeugnis von diesem einst in jeder
Beziehung hoch entwickelten Kulturvolk Mit¬
telamerikas ablegt. Da aber dreizehn Monate
zu 28 Tagen nur 364 Tage ergeben, ist vor¬
geschlagen, die beiden Monate Juli und De¬
zember um einen Tag zu verlängern, womit
jedoch schon wieder ein großer Schatten auf
diese „Patentlösung“ fällt. Sie würde im übri¬
gen verschiedene Kuriositäten mit sich brin¬
gen, denn während in der augenblicklichen
Zeitrechnung die in einem Schaltjahr am
29. Februar geborenen Erdenbürger „nur alle
vier Jahre Geburtstag haben“, könnten die an
den wegfallenden Daten Geborenen überhaupt
keinen Geburtstag mehr feiern.
So alt der Kalender aber auch ist, so wenig
Exemplare sind uns leider aus vergangener
Zeit erhalten geblieben. Ein besonders schönes
Stück ist im Besitz der Staats- und Univer¬
sitätsbibliothek in Hamburg. Es handelt sich
hier zugleich um den ältesten in der Hanse¬
stadt gedruckten Kalender, der unter dem
Titel „Chronologie, dat ys, Ein Korter Vthtock
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