Full text: 71.1943 (0071)

buch der Vorgeschichte aus Zeiträumen, über 
die uns kein anderes Dokument berichtet. Sie 
haben uns viele Millionen Jahre alte Zeugen 
der Pflanzen- und Tierwelt erhalten, von 
denen wir sonst nichts wüßten. In der Stein¬ 
kohle wurden die Stämme einstiger Bäume 
und die Abdrücke von Blättern in allen Ein¬ 
zelheiten erhalten: Farne, Schachtelhalme, 
Bärlappengewächse, die in unvorstellbaren 
Zeiten der Entstehung der Steinkohle in der 
deutschen Heimat in Baumgröße wuchsen, 
Insekten und Käfer von Riesengröße, Libellen 
mit meterlangen Flügeln und riesige Spinnen. 
In der jüngeren Braunkohle ähnelt das Pflan¬ 
zen- und Tierleben dann schon mehr dem 
unseren. Auch die Urrebe wurde in Braun¬ 
kohle eingeschlossen entdeckt, ein Beweis, daß 
nicht erst die Römer den Weinstock nach 
Deutschland gebracht haben! Im Senften- 
berger Braunkohlenrevier wurden Baum¬ 
recken gefunden, die über 4000 Jahre wuchsen! 
❖ 
Angesichts der Bodenschätze an Kohlen 
allein in Deutschland mutet es unsagbar ko¬ 
misch an, wenn im „ofenlosen Sonnenland des 
Orient“ Kohle wie Bonbons tütenweise ver¬ 
kauft wird. Das geschieht mit den freund¬ 
lichen Worten des Basarhändlers: „Erwärme 
dein Herz damit, brate deine Hausgenossen!“ 
Worunter als Hausgenossen allerdings nur — 
Hühner gemeint sind! 
Bei all diesen Wundern aus Kohle über¬ 
rascht es kaum noch, daß Kohle auch als 
Werkstoff für Schmuck verwendet wurde. 
Und zwar bereits in der Jungsteinzeit! Der 
Steinzeitmensch verstand, aus Gagat-Jett, das 
ist eine harte, polierfähige Steinkohle, ebenso 
aus einer harten Braunkohle, glänzende Zier¬ 
perlen und Armringe herzustellen, um sich mit 
diesen „schwarzen Diamanten“ zu schmücken, 
— Noch heute verwenden ja in sudeten¬ 
deutschen Braunkohlengebieten und im ober¬ 
schlesischen Braunkohlenrevier die Bergleute 
die Kohle als Werkstoff für bodenständige 
„Reise-Andenken“. Sie schnitzen und drech¬ 
seln aus Kohle kleine Grubenhunde, Würfel, 
Flaschen und ähnliche Dinge. — In Beuthen, 
der oberschlesischen Steinkohlenstadt, wurde 
sogar in einer Schrotholzkirche ein Gefallenen¬ 
ehrenmal aus einem riesigen Steinkohlenblock 
in Form eines Sarkophages herausgemeiselt 
und aufgestellt. Sein einziger Schmuck ist ein 
mit dem Hakenkreuz geschmückter Stahl¬ 
helm. 
4* 
So ist die Kohle, aus deren Glut die Sonnen¬ 
wärme unvorstellbar ferner Erdzeiten aus¬ 
strahlt, wahrhaft das erstaunliche Rohstoff- 
wunder unserer Zeit und fast zu wertvoll, um 
nur als Heizmaterial im Ofen verbrannt zu 
werden! Die Zeit wird einst kommen, wo man 
das mehr erkennen wird als heute, wo wir 
uns noch an Riesenvorräten erfreuen dürfen! 
MSR 
IHK 
Pferdestall unter Tage. 
Radierung von Hermann Kätelhön, aus dem Werk „Arbeit“. 
208
	        
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