Hofe floh, und in diesem Wald um den Mai¬
mont soll er auch seinen Kampf mit König
Günther von Worms, mit Hagen von Tronje
und den fränkischen Recken bestanden haben.
Noch stehen die uralten Mauern der Burg
Wasigenstein im Dunkel dieser Wälder trutzig
und stark, die Wegelenburg und der Falken¬
stein, die Hohenburg und der Blumenstein,
Wineck und Wittschlössel....
Bist Du schon einmal durch den Warndt
gewandert, den dunklen Wald Warndt mit
seinen Tannen und Fichten und Buchen, in
dem schon Barbarossa hinter Hirsch und
Keiler und Ur herritt? — oder durch die
Wälder um Johanniskreuz, dem einstigen
Reichs- und Königswald? Überall in den wei¬
ten Wäldern der Westmark werden wir das
tiefe Geheimnis spüren, das sie in sich tragen,
dieses tiefe Einssein mit Natur und Gott, die
tiefe Stille und das Gefühl des Geborgenseins
in ihrem Leben, dieses Aufdämmern und Auf¬
gehen im All und die Erweckung der Welten-
seele, wie sie in den Wäldern sich schon un¬
seren Ahnen vor Jahrtausenden offenbarte ...
Du stilles Land . . .
Neben der Enge und Gebundenheit der
Wälder steht die beseligende Weite des freien
und waldlosen Landes. In den Wäldern ist der
Blick gehemmt, in dem freien und lichten
Land aber kann er in die Ferne und ihr
Gleißen und Schimmern hineintauchen, kann
in Sehnsüchten zerflattem.
Wandern wir einmal durch das Landstuhler
Bruch, jene Moorlandschaft, die sich einst
vierzig Kilometer von Homburg bis nach
Kaiserslautern hinzog, heute aber erst teil¬
weise drainiert ist. Ernst und schwermütig ist
diese Bruchlandschaft, über der selbst in den
Sommerabenden oft dichte Nebel brauen.
Wandern wir aber in einem schönen und
hellen Frühlingstage über die alte Kaiser¬
straße, die an ihm entlang läuft, oder auf den
stillen Moorwegen, wenn die weißstämmigen
Birken mit ihrem hellen Grün einen mai¬
frohen Zauber in dieses schwermütige Land
werfen, so werden wir seltsam beglückende
Stunden erleben. Ein heller, durchsichtiger
Schimmer liegt dann über dem Bruch. Weit
im Norden leuchten die Glanberge im blauen
Licht, und noch weiter wachsen die Huns¬
rückberge wie hauchfeine Nebel in den
amethystfarbenen Himmel hinein, verschwim¬
men fast in ihm und dem Silbergrau der wan¬
dernden Wolken, daß man oft nicht weiß, was
Berge und Wolken und Himmel ist.
Das unfaßbarste Gefühl der Weite und Stille
überkommt uns aber im südwestlichsten Teile
unserer Gauheimat, im lothringischen Hügel¬
land. Hier stehen im weiten Kreis die lang¬
schwingenden Hügel mit ihren sanftgewellten
Tälern um uns, liegen die langgestreckten
Felder und grünen Weiden in einem satt-
samen Farbenspiel fruchtschwer und streng
gegliedert vor und unter uns. Weit fliegt der
Blick über die wellenden Hügelkuppen hin,
die sich irgendwo in Ferne und Blau und
Flimmern verlieren.
Und dann die lothringischen Dörfer. Ver¬
loren liegen sie an den einsamen Wegen, ein¬
gebettet in den Hügelfalten, als wollten sie
sich vor dem lauten Alltag scheu verstecken.
Nur die Kirchtürme lugen oft neugierig über
die Hügelränder und in die pulsende Welt, die
auf den großen, staubigen Straßen ist. In den
Dorfstraßen plätschern die Waschhaus¬
brunnen, brüllt das Vieh und singen im Spät¬
herbst die Dreschflegel oder brummen die
Dreschmaschinen ihr dumpfes Lied.
O du stilles, weites Land mit deinem durch¬
sichtigen, weitschichtigen Schimmer, das den
mattblauen Himmel wie eine Schale auf seinen
starken Schultern trägt — o ihr schmalen,
verstaubten Wege und Straßen, die ihr euch
windend und schwingend in Hügeln und Wei¬
ten verliert,... o du lichtdurchflossene Ferne,
die die Seele zum Träumen und Stillesein
zwingt! Wo finden wir noch einmal ein Land,
das uns diese Weite in einer so beseligenden
Fülle und Tiefe schenkt . . .?
Die Lothringer Weiher
Sie stehen traumhaft still im weiten Raum,
verloren in der Hügeleinsamkeit
wie Gottestränen, übers weite Land gestreut.
Du spürest kaum
der Wanderwolke Flug, die still darüberzieht,
hörst leise nur den Vogelruf im dichten
Uferried,
und leise harfend singt der Wind sein Lied
in Halm und Rohr.
Äonenklang, der sich in Raum und Zeit ver¬
lor.
Das ist das Bild, das die Lothringer Weiher
uns bieten. Ich habe die Worte an einem
Sommertage niedergeschrieben, da ich nach
langem Wanderwege an einem dieser Weiher
saß, die sich zwischen Finstingen und Duß
und Gunderchingen, zwischen Saarburg und
Falkenberg hinziehen. Sie liegen in dem wei¬
ten Schwingen der Hügel, oft von breiten
Schilfgürteln und Wäldern umsäumt: der
Gunderchinger- und der Stockweiher, der
Mittersheimer- und der Linderweiher, der
Langweiher und der Bischwaldweiher, um
nur die größten zu nennen. In ihren Wassern,
die wie mattsilberne Spiegel aus dem grünen
Land leuchten, spiegeln sich Wolken und
Himmel und Sonne, Mond und Sterne. Eine
unsägliche Stille liegt über diesen Wassern
gebreitet und auf ihren Oberflächen strahlen
Hunderte und Tausende von gelben und wei¬
ßen Wasserrosen. Im Uferschilf schnattern
die Wildenten, girren Wasserhühner und
Haubentaucher, steigt mit weiten und schwe¬
ren Flügelschlägen zuweilen ein Reiher aus
dem dichten Schilfgürtel auf. Am Himmel
zieht ruhig und majestätisch einer der 2ahl-
reichen Habichte und Bussarde, einer der
selteneren Fischadler seine Kreise, stößt plötz¬
lich auf die Wasserfläche herab, bäumt sich auf
und streicht wieder, die zappelnde und sil¬
brige Beute in den Fängen, zu seinem Horst
im nahen Walde ab . . .
Das ist die Stille, in der wir uns an diesen
Weihern verlieren.
142