Mann, Mitte der Fünfziger, vor dem Altar. Er
nahm keine Notiz vom König, begann vielmehr
ruhig und sachlich seines Amtes zu walten. Der
König sah, daß, seiner Vorschrift gemäß, keine
Lichter brannten, daß aber die leeren Kerzen¬
leuchter auf dem Altartisch standen. Er sah es
mit Mißbehagen und seine schmalen Lippen
schlosien sich zum Strich. Hinterher auf der
Kanzel redete der Pastor über das Wort des
Paulus: „Stehet in der Freiheit, damit Euch
Christus befreiet hat, und lastet Euch kein Ge-
wisten machen über Neumonden und Sabbat."
Er sprach mit Schwung und Begeisterung und
klagte mit beweglichen Worten über die Not und
Sklaverei, so die Kirche Christi zu ertragen habe.
Des Königs Ingrimm wuchs mit jedem Wort,
das der Pastor sprach, aber er tat bis zum Segen
die Lippen nicht voneinander. Als die Kirche sich
zu leeren begann, ließ er dem Pastor sagen, daß
er in der Sakristei auf ihn warten möge. Er habe
ihm etliches zu sagen.
Dort standen sich dann in wenigen Minuten
die beiden Männer gegenüber, sich mit harten
Blicken gegenseitig musternd; der Pastor gerade
und aufrecht in trotziger Haltung, der König auf
den Stock gestützt, aber den anderen nicht aus
der Klammer seines Blickes lastend.
„Er hat im großen und ganzen meinen Be¬
fehlen gehorcht", begann Friedrich Wilhelm,
„aber ich habe wohl gehört, daß er widerspen¬
stigen Herzens ist. Ich will Ihm da nichts drein¬
reden, denn Er versteht nichts von meinem Ge¬
schäft, und also mag Er mich immerhin hasten,
da Er mich nicht lieben kann. Aber warum hat
Er die Leuchter auf dem Altar stehen lasten, da
er doch die Lichter entfernte?"
Des Pastors Gesicht änderte sich in keinem
Zug.
„Ich habe die Lichter nicht entfernen lasten,
Majestät."
„Er hat nicht?"
„Die Lichter wurden gestohlen, Majestät!"
„So, so. Gestohlen! Immerhin hat Er sie
dann nicht ersetzt."
„Nein, Majestät!"
„So, so! Aber wenn sie nun nicht gestohlen
worden wären, die Lichter. Hätte Er sie dann
entfernt?"
„Nein, Majestät!"
„Nein? Er hätte sie nicht entfernt? Trotzdem
ich dergleichen Zeug verboten habe in meinen
Kirchen?"
Der Pastor schwieg, aber in seinem Gesicht
arbeitete es heftig. Der König fühlte, wie es
ruhiger in ihm wurde. Kälte überkam ihn von
innen heraus. Ihn fröstelte vor dem Anblick des
maskenhaft starren Puritanergesichtes vor seinen
Augen.
Trotz! dachte er. Trotz! Sie haben harte
Schädel, die Kerle. Und sie. wollen nicht be¬
greifen. Sie wollen nicht. Man muß sie beugen.
Man muß, die Staatsräson steht auf dem Spiel.
Plötzlich spielte um seine schmalen Lippen ein
spöttisches Lächeln.
„Entwendetes Kircheneigentum ist zu ersetzen",
sagte er langsam. „Das weiß Er doch."
Der Pastor sah ihn an, ohne zu antworten.
„Laß Er neue Kerzen besorgen!"
Der Pastor, der nicht wußte, wohin das führen
sollte, dem aber die Ruhe des Königs unheimlich
dünkte, gab dem harrenden Küster entsprechenden
Befehl. In weniaen Minuten waren die Kerzen
zur Stelle. Der König befahl, sie in die Leuchter
zu stecken, und auch dies geschah. Noch immer
standen König und Pastor sich gegenüber. Der
Küster, dem die Angelegenheit verwunderlich vor¬
kam, stand harrend an der Tür.
Der König sah auf. Wieder spielte das spöt¬
tische Lächeln um seine Lippen; er wandte sich an
den Pastor: „Nun entferne Er die Leuchter!
Schließ Er sie weg!"
Den Pastor überkam ein Zittern. Helle Röte
schoß ihm in die Wangen. Er fühlte sich ver¬
höhnt. „Majestät..keuchte er, „Maje¬
stät ..."
„Tue Er sie weg! Augenblicklich!" Das klang
so hart, so unzweideutig, daß der Pastor unter
dem Bann dieses suggestiven Willens zitternd
dem Befehl gehorchte. Die Leuchter verschwan¬
den im Schrank. Die Tür schloß sich kreischend.
Mit aufgeriffenen Augen starrte der Küster auf
die Szene.
Der König wandte sich zum Gehen. Noch ein«
mal traf im Schreiten sein Blick den Pastor. Der
erschien plötzlich gebeuater; das Haar an seinen
Schläfen schimmerte silbern. Der König preßte
die Lippen zusammen.
„Sie wißen es nicht", murmelte er, „Herrgott
im Himmel, ich bin Dein Diener und fühle mich
in Deiner Gnade, aber sie wißen nicht, was Du
mir aufgetragen hast. Laß mich nicht schwach
werden, Herr, denn dieses Volk kann nur durch
Zucht zu einem Staate werden."
Ludwig schlug die Decken um seinen Herrn.
Weiter rollte der Wagen durch das Land. Und
die Glocken von den Kirchtürmen läuteten.
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