Kalkgruben im Köllertal /
Fürst Wilhelm Heinrich betrachtete die Land¬
wirtschaft als die ursprüngliche Quelle des Wohl¬
standes und wendet seine ganze Aufmerksamkeit
dem Ackerbau zu. Der plötzliche Aufstieg der
Landwirtschaft im Köllertal ist sein Verdienst.
Mancherlei Neuerungen wurden von ihm ein¬
geführt, deren Durchführung von ihm oft unter
Gewaltanwendung durchgedrückt wurde. Der
landwirtschafttreibenden Bevölkerung ließ er jede
Vergünstigung zukommen, denn er war nur auf
den Wohlstand seiner Untertanen bedacht. Be¬
züglich der Düngung der Felder bestimmte Fürst
Wilhelm Heinrich, daß die Felder zur ersten
Saat mit Kalk und zu den beiden folgenden mit
Mist oder Asche gedüngt werden sollten. Zur Ge¬
winnung des Düngekalks erlaubte er die Anlage
von eigenen Kalköfen und gewährte Steinkohlen¬
grieß zum Kalkbrennen aus den herrschaftlichen
Gruben zu billigen Preisen. Es entstanden zahl¬
reiche Kalköfen im Köllertal, die aber im Laufe
der Zeit alle wieder eingingen. Als die älteste
Kalkgrube muß das Wiesbacher Kalksteinwerk
bezeichnet werden, das sich im Laufe der Jahr¬
zehnte zu einem ansehnlichen Betrieb entwickelte.
Im Bannbuch der Gemeinde Wiesbach vom
Jahre 1772 finden wir auf Flur „Harthumes"
und „Auf dem Wacken" ein größeres Ackerstück
auf den Besitzer „Gnädigste Herrschaft" einge¬
tragen mit der Bemerkung „Kalkgrube". Hier
war schon drei Jahrzehnte vorher eine Kalkgrube
in Betrieb, die dem Ort Wiesbach und den um¬
liegenden Ortschaften des oberen Köllertals den
nötigen Düngerkalk und Baukalk lieferte. In
einem zur Grubenanlage gehörigen Ofen wurden
die Kalksteine gebrannt und auf schlechten We¬
gen zu den Abnehmern in den umliegenden Ort¬
schaften gebracht. Daß der Kalk hochwertig und
gesucht war, ist daraus zu schließen, daß sogar
beim Ausbau der Festungswerke Saarlouis
Wiesbacher Kalk verwendet wurde. Die Kalk¬
brennerei und besonders die „Grube" waren noch
bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr primi¬
tiv eingerichtet. Das sollte anders werden, als
im Jahre 1811 ein Gottleb Erdmenger ausDud-
weiier die ganze Anlage kaufte. Nun begann ein
bergmännischer Ausbau mit verbauten Stollen.
Der Absatz steigerte sich, sodaß sechs, zeitweise
sogar zehn Arbeiter fast dauernd beschäftigt wur¬
den. Am 14. April 1821 verkaufte Erdmenger
das ganze „Bergwerk" mit seinen Anlagen und
Gerätschaften an Wilhelm Groß, Gastwirt und
Gutsbesitzer in Scheidt, für 105 Taler. Durch
Kaufvertrag unter Notar Laukhard-Saarbrücken
ging die Anlage 14 Jahre später an H. Jakob
Ohre fast 200-jähr. Ses'chichle seit der Zürsten-Herrschaft
Bickelmann, Ackerer in Bietschied und dessen
minderjährige zukünftige Ehefrau, Karoline Klein
in Berschweiler über. Die Anlage kostete 324
Taler. Bickelmann ließ ein Wohnhaus mit Stal¬
lung und Futterraum daneben erbauen für seinen
auswärtigen Betriebsführer. 1861 ließ Bickel¬
mann die Anlage in Wiesbach öffentlich ver¬
steigern. Anstcigerer waren Pfarrer Valerius,
Müller Peter Blees und Ackerer Matthias Krä¬
mer, alle aus Wiesbach. Der Ersteigerungspreis
betrug für Anlage, Ofen, Land, Gerätschaften
und Wohnhaus 610 Taler. Müller Blees trat
seinen Anteil 1872 für 250 Taler ab, nachdem
Matthias Krämer schon vorher abgefunden wor¬
den war. Der Wert des Betriebes und der Ab¬
satz hatten sich bedeutend gesteigert. Pfarrer Va¬
lerius war nun alleiniger Besitzer und Förderer
desselben. Mancher Kleinbauer bezog von ihm
unentgeltlich Kalk. Auch säumige Zahler wurden
von ihm nie hart angetrieben. Kurz vor seinem
Tode, als er schon nicht mehr zum „Kalkofen"
gehen konnte, veräußerte er den ganzen Betrieb
an H. M. Monz, der ihn mit seinen Söbnen auf¬
recht erhielt und später an Johann Monz ver¬
erbte, der ihn mit dem Steiger Albrecht weiter
ausbaute. Inzwischen waren zwei neue Kalköfen
aus Backsteinen erbaut worden und ein dritter,
Fahrsteiger Diversy, beteiligte sich am Betriebe.
Jedoch diese Neuanlage der Ofen, der Bau eines
neuen Weges, die teuere Fracht und allerlei mi߬
liche Umstände hatten zur Folge, daß der „Kalk¬
ofen" vor 35 Jahren stillgelegt wurde. Erst im
Juni 1921 wurde er mit der ganzen Anlage von
der Sparkasse Merchweiler und dem Obersteiger
Diversy aus Maybach zur Versteigerung aus¬
geboten und für 20 000 Mark dem Obersteiger
Diversy zugeschlagen, der ihn am 20. März 1922
du-ch Kaufakt an die Eheleute Wendel-Krämer
für 70 000 Mark (Inflation) übertrug.
So hat die Kalkgrube Wiesbach eine bewegte
200jährige Geschichte hinter sich. Heute ist die
Versorgung mit dem notwendigenDüngekalk für
Felder und Gärten etwas schwieriger geworden
gegenüber früheren Jahren. Die Gartenbauver¬
eine, die immer wieder auf die Notwendigkeit des
Kalkes für den Obst- und Gemüsegarten hin¬
weisen, sind bei der Beschaffung desselben jedem
behilflich, indem sie Bestellungen seitens der Mit¬
glieder entgegennehmen und den Kalk im großen
beziehen. Denn Kalk ist heute für Garten und
Feld noch genau so notwendig wie vor 200
Jahren und mancher Mißerfolg im Garten sowie
im Obstbau ist auf das Fehlen des Kalks zurück¬
zuführen. (—ob)
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