Full text: 70.1942 (0070)

Kalkgruben im Köllertal / 
Fürst Wilhelm Heinrich betrachtete die Land¬ 
wirtschaft als die ursprüngliche Quelle des Wohl¬ 
standes und wendet seine ganze Aufmerksamkeit 
dem Ackerbau zu. Der plötzliche Aufstieg der 
Landwirtschaft im Köllertal ist sein Verdienst. 
Mancherlei Neuerungen wurden von ihm ein¬ 
geführt, deren Durchführung von ihm oft unter 
Gewaltanwendung durchgedrückt wurde. Der 
landwirtschafttreibenden Bevölkerung ließ er jede 
Vergünstigung zukommen, denn er war nur auf 
den Wohlstand seiner Untertanen bedacht. Be¬ 
züglich der Düngung der Felder bestimmte Fürst 
Wilhelm Heinrich, daß die Felder zur ersten 
Saat mit Kalk und zu den beiden folgenden mit 
Mist oder Asche gedüngt werden sollten. Zur Ge¬ 
winnung des Düngekalks erlaubte er die Anlage 
von eigenen Kalköfen und gewährte Steinkohlen¬ 
grieß zum Kalkbrennen aus den herrschaftlichen 
Gruben zu billigen Preisen. Es entstanden zahl¬ 
reiche Kalköfen im Köllertal, die aber im Laufe 
der Zeit alle wieder eingingen. Als die älteste 
Kalkgrube muß das Wiesbacher Kalksteinwerk 
bezeichnet werden, das sich im Laufe der Jahr¬ 
zehnte zu einem ansehnlichen Betrieb entwickelte. 
Im Bannbuch der Gemeinde Wiesbach vom 
Jahre 1772 finden wir auf Flur „Harthumes" 
und „Auf dem Wacken" ein größeres Ackerstück 
auf den Besitzer „Gnädigste Herrschaft" einge¬ 
tragen mit der Bemerkung „Kalkgrube". Hier 
war schon drei Jahrzehnte vorher eine Kalkgrube 
in Betrieb, die dem Ort Wiesbach und den um¬ 
liegenden Ortschaften des oberen Köllertals den 
nötigen Düngerkalk und Baukalk lieferte. In 
einem zur Grubenanlage gehörigen Ofen wurden 
die Kalksteine gebrannt und auf schlechten We¬ 
gen zu den Abnehmern in den umliegenden Ort¬ 
schaften gebracht. Daß der Kalk hochwertig und 
gesucht war, ist daraus zu schließen, daß sogar 
beim Ausbau der Festungswerke Saarlouis 
Wiesbacher Kalk verwendet wurde. Die Kalk¬ 
brennerei und besonders die „Grube" waren noch 
bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr primi¬ 
tiv eingerichtet. Das sollte anders werden, als 
im Jahre 1811 ein Gottleb Erdmenger ausDud- 
weiier die ganze Anlage kaufte. Nun begann ein 
bergmännischer Ausbau mit verbauten Stollen. 
Der Absatz steigerte sich, sodaß sechs, zeitweise 
sogar zehn Arbeiter fast dauernd beschäftigt wur¬ 
den. Am 14. April 1821 verkaufte Erdmenger 
das ganze „Bergwerk" mit seinen Anlagen und 
Gerätschaften an Wilhelm Groß, Gastwirt und 
Gutsbesitzer in Scheidt, für 105 Taler. Durch 
Kaufvertrag unter Notar Laukhard-Saarbrücken 
ging die Anlage 14 Jahre später an H. Jakob 
Ohre fast 200-jähr. Ses'chichle seit der Zürsten-Herrschaft 
Bickelmann, Ackerer in Bietschied und dessen 
minderjährige zukünftige Ehefrau, Karoline Klein 
in Berschweiler über. Die Anlage kostete 324 
Taler. Bickelmann ließ ein Wohnhaus mit Stal¬ 
lung und Futterraum daneben erbauen für seinen 
auswärtigen Betriebsführer. 1861 ließ Bickel¬ 
mann die Anlage in Wiesbach öffentlich ver¬ 
steigern. Anstcigerer waren Pfarrer Valerius, 
Müller Peter Blees und Ackerer Matthias Krä¬ 
mer, alle aus Wiesbach. Der Ersteigerungspreis 
betrug für Anlage, Ofen, Land, Gerätschaften 
und Wohnhaus 610 Taler. Müller Blees trat 
seinen Anteil 1872 für 250 Taler ab, nachdem 
Matthias Krämer schon vorher abgefunden wor¬ 
den war. Der Wert des Betriebes und der Ab¬ 
satz hatten sich bedeutend gesteigert. Pfarrer Va¬ 
lerius war nun alleiniger Besitzer und Förderer 
desselben. Mancher Kleinbauer bezog von ihm 
unentgeltlich Kalk. Auch säumige Zahler wurden 
von ihm nie hart angetrieben. Kurz vor seinem 
Tode, als er schon nicht mehr zum „Kalkofen" 
gehen konnte, veräußerte er den ganzen Betrieb 
an H. M. Monz, der ihn mit seinen Söbnen auf¬ 
recht erhielt und später an Johann Monz ver¬ 
erbte, der ihn mit dem Steiger Albrecht weiter 
ausbaute. Inzwischen waren zwei neue Kalköfen 
aus Backsteinen erbaut worden und ein dritter, 
Fahrsteiger Diversy, beteiligte sich am Betriebe. 
Jedoch diese Neuanlage der Ofen, der Bau eines 
neuen Weges, die teuere Fracht und allerlei mi߬ 
liche Umstände hatten zur Folge, daß der „Kalk¬ 
ofen" vor 35 Jahren stillgelegt wurde. Erst im 
Juni 1921 wurde er mit der ganzen Anlage von 
der Sparkasse Merchweiler und dem Obersteiger 
Diversy aus Maybach zur Versteigerung aus¬ 
geboten und für 20 000 Mark dem Obersteiger 
Diversy zugeschlagen, der ihn am 20. März 1922 
du-ch Kaufakt an die Eheleute Wendel-Krämer 
für 70 000 Mark (Inflation) übertrug. 
So hat die Kalkgrube Wiesbach eine bewegte 
200jährige Geschichte hinter sich. Heute ist die 
Versorgung mit dem notwendigenDüngekalk für 
Felder und Gärten etwas schwieriger geworden 
gegenüber früheren Jahren. Die Gartenbauver¬ 
eine, die immer wieder auf die Notwendigkeit des 
Kalkes für den Obst- und Gemüsegarten hin¬ 
weisen, sind bei der Beschaffung desselben jedem 
behilflich, indem sie Bestellungen seitens der Mit¬ 
glieder entgegennehmen und den Kalk im großen 
beziehen. Denn Kalk ist heute für Garten und 
Feld noch genau so notwendig wie vor 200 
Jahren und mancher Mißerfolg im Garten sowie 
im Obstbau ist auf das Fehlen des Kalks zurück¬ 
zuführen. (—ob) 
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