$te ^O^lc tm / Von Konrad Hau mann
Sprichwörter sind Spiegelbilder der im
ganzen Volk umlaufenden Meinung über eine
Sache. Sie legen Erfahrungen und Lebensweis¬
heiten kurz und bündig, bildhaft und oft in
witzigen Sprüchen fest. So bleiben Volks-
meinungen und Redensarten oft für Jahrhun¬
derte erhalten. Auch mit den Kohlen hat sich der
Bolksmund sehr lebhaft beschäftigt, wie aus
der großen Zahl dieser Kohlen-Sprichwörter her¬
vorgeht.
Die beiden heute noch am meisten angewandten
Sprichwörter aus dem Gebiet der Kohle sind:
„Feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln",
d. h. jemand, der es nicht verdient hat, durch
Großmut beschämen, und „Wie auf Kohlen
stehen", wenn man in höchster Ungeduld ist und
seine Zeit anderswo dringender verbrinaen
möchte. Andere Sprichwörter heißen: „Es sind
taube Kohlen" oder „Sie hat Kohlen im Ge¬
wisien", wenn „sie" von einem schlechten Gewisien
geplagt wird. Töricht wäre es „Kohlen zu
bleichen" oder zu waschen oder „Sich mit Kohlen
weiß waschen", denn das wäre dazu nur ein
verkehrtes Mittel. Ebenso unklug wäre es „Die
Kohlen vom Schmied kaufen", der dafür nur
Apothekerpreise nimmt! Das alte Sprichwort:
„Einen durch die Kohle ziehen" im Sinn von
große Schmerzen zufügen, scheint an eine ver¬
gessene Strafart oder Torturanwendung zu er¬
innern. Wenn gesagt wird, „Er kann eher
glühende Kohlen im Mund behalten" als dies
oder jenes zu tun, so darf man ihm am wenig¬
sten etwa ein Geheimnis anvertrauen. Auch heißt
es, „Er sieht keine Kohle in einer Schüsiel
Milch", so fragt man sich: Sieht er so schlecht
oder ist er so dumm? „Für einen in die Kohle
schlagen" wird wohl angewandt, um Undank
auszudrücken. In Schlesien kannte man das
Sprichwort: „Ich decht, a wär schund durch de
Kohlen geruckt worden". „In die Kohle schla¬
gen" heißt eine Sache durch erfolglose Mittel
zu bekämpfen. In Böhmen sagte man, wohl
mit einem Anflug von Neid „Wenn die einen
Kohlen nagen, finden die andern am Kuchen
Behagen".
^Durchaus beherzigenswert scheinen folgende
Sprichwörter zu sein:
„Gemach in die Kohlen geblasen, so fährt dir
keine Asche in die Nasen" oder „Blase sachte in
die Kohlen, sonst fliegen dir Funken ins Ge¬
sicht."
„Eine Kohle allein erlischt bald" (darum also
mehrere auflegen).
„Eine Kohle, die nicht zur Zeit brennt, brennt
nimmer" (also: Wenn der rechte Augenblick ver¬
paßt ist, ist oft alles weitere Tun vergeblich).
„Eine Kohle glüht oft auch noch unter grauer
Asche" (auch das Alter ist nicht frei von Leiden¬
schaften).
„Glühende Kohlen muß man mit der Zange
aus der Esie nehmen, nicht mit der Hand" (wie
man es oft beim Schmied sieht).
„Jeder scharrt die Kohlen um seinen Topf."
„Kohlen, die glühen, pflegen zu sprühen" (wer
bewegt ist, bricht leicht in Worte aus).
„Man darf glühende Kohlen nicht vom Herd
in Nachbars Scheuer werfen".
„Man muß die Kohlen brennen, wie die
Grube sie gibt".
„Man muß nicht Kohlen in den Pelz setzen"
(Überflüssiges Unterlasten).
„Man muß seine Kohlen im Sommer kaufen"
(schon früher: beizeiten Vorsorgen, als man noch
keine Sommerpreise kannte).
„Man muß sich nicht an fremden Kohlen die
Finger verbrennen".
„Verborgene Kohlen sind die gefährlichsten".
„Viel Kohlen beisammen, erhalten das Feuer
am besten".
„Wenn die Kohle nicht brennt, so schwärzt
sie doch".
„Wo eine Kohle glimmt, kann oft ein klei¬
ner Wind Feuer blasen".
„Wo es an Kohlen fehlt, da geht das Feuer
aus".
„Eine Kohle maust bester als zehn Katzen".
„Aus Kohle Kreide machen" (eine Sache ver¬
drehen, aus schwarz weiß machen).
Sehr alter Herkunft sind die folgenden Sprich¬
wörter, die des besieren Verständnisses wegen
in der neuen Rechtschreibung angeführt werden:
„Alte Kohlen soll man nicht wieder auf¬
blasen".
„An einer Kohle kann man sich wohl ver¬
brennen, aber nicht wärmen".
„Eine glimmende Kohle ist nicht so gut zu
meiden als eine Flamme".
„Auf heißen Kohlen ist bös sitzen".
„Bei großen Haufen Kohlen wärmt sich wohl,
wenn man nicht hineinfällt".
„Eine glühende Kohle zündet die andere an".
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