Lothringen, ein Bauernlan5
Von Bauer Julius Scheu, Metz
leitet der Abteilung „Ernährung und Landwirtschaft" des Beichsstatthalters in der Westmark und Chefs der
Zivilverwaltung in Lothringen
Lothringen ist von je ein Bauernland gewesen und
wird es immer bleiben. Ohne die Schollentreue seiner
Bauern wäre Lothringen längst ein menschenleerer Raum
geworden. Kein Krieg, keine noch so unsinnige Politik
vermochte, so groß die Schäden im einzelnen oft auch
waren, das zähe Bauerntum Lothringens unterzukriegen.
Empfindlich groß waren die Verluste besten Blutes durch
die harten Kämpfe, die im Laufe der Geschichte auf
lothringischem Boden ausgetragen wurden. Groß waren
die Verluste, die durch die Abwanderungen eintraten.
Aber doch war das Bauerntum immer lebensstark genug,
diese, oft in kurzen Abständen, entstandenen Lücken zu
schließen.
Lothringen ist ein Bauernland — wer offenen Auges
dieses schöne Land durchwandert, findet das überall
bestätigt. Die Dörfer, die Äcker und Weiden, die Wein¬
berge und die ausgedehnten Obstgärten offenbaren es.
Und selbst dort, wo Bergbau und Industrie heimisch
geworden sind, künden die bestellten Felder davon, daß
Lothringen Bauernland ist.
Die Jahre seit 1918 mit ihren landwirtschafts¬
fremden, ja landwirtschaftsfeindlichen Maßnahmen ver¬
mochten wohl tiefgreifende Änderungen in der Struktur
der lothringischen Landwirtschaft hervorzurufen, aber
den landwirtschaftlichen Charakter dieses Landes konn¬
ten sie nicht verwischen.
Anknüpfend an den 1870 begonnenen und sich bis
1918 eindrucksvoll vollzogenen Aufstieg der lothringi¬
schen Landwirtschaft begann mit der Wiedergewinnung
dieses alten deutschen Landes ein neuer, verheißungsvoller
Abschnitt. Mit besieren Mitteln noch als ehedem, in
einer nicht nur fachlichen sondern weltanschaulich viel
besieren Weise wird Lothringens Landwirtschaft einer
Blütezeit entgegengehen. Landwirte von der Saar und
aus der Pfalz wurden in Lothringen angesetzt. Sie
werden zusammen mit den Landwirten Lothringens den
guten Ruf Lothringens, ein tüchtiges Bauernland zu
sein, bald wieder gefestigt haben.
Diese Arbeit war und ist nicht einfach. Ein sehr
großer Teil des Bodens war in falsche Hände geraten.
Menschen, die mit der Scholle nicht verwachsen waren,
denen der Hof nur eine Äußerlichkeit, ein zum Reno-
mieren geeignet erscheinender Besitz war, hatten sich des
Landes bemächtigt. Nur wenige Tage oder Wochen im
Jahr verbrachten sie, Erholung oder Zerstreuung suchend,
auf ihrem Besitztum. Das Land wurde verpachtet; wer
am meisten bot, erhielt den Zuschlag. Was aus dem
Lande wurde, war diesen „Landedelleutcn" gänzlich
gleichgültig. Machte ein Pächter bankrott, dann zog
der nächste auf. Krasicr noch als bei diesen Vornehmen
oder vornehm tuenden Kreisen des französischen Adels
trat die Auffasiung, daß der Boden lediglich eine Ware,
eine sich gut verzinsende Kapitalsanlage sei, bei den
Besitzern auf, die nach dem Weltkrieg durch mehr oder
weniger ehrliche Arbeit Geld erworben hatten und sich
nun nach einer „rentablen" Sache umsahen. Daß unter
dieser Sorte Besitzer die Juden sehr zahlreich vertreten
waren, braucht nicht besonders betont zu werden. Sie
verstanden es, mit „ihren Pfunden zu wuchern".
Diese Zeiten sind vorüber. Nicht Titel und Geld¬
beutel, sondern allein die Tüchtigkeit, die Zuverläsiigkeit
und die Bereitschaft zur Schollentrcue entscheiden dar¬
über, wer in Lothringen Bauer und Landwirt ist. Die
Zeit des Eigennutzes ist ebenfalls vorüber; wie groß
auch der landwirtschaftliche Betrieb sein mag, wie er
aufgebaut ist — dies alles sind technische Dinge, die
untergeordnet sind dem Bewußtsein, daß der Bauer und
Landwirt auch in Lothringen fortan Treuhänder des
Volkes ist mit dem Auftrag, Ernährer — durch höchst¬
mögliche Steigerung der Erzeugung — und Erhalter —
durch eine große Kinderzahl — der Nation zu sein.
Es ist erfreulich, daß der Wille zum Land in Loth¬
ringen auch dort stark geblieben ist, wo Industrie und
Bergbau tonangebend sind. Es ist ganz sicher, daß dem
Wunsch der Bergknappen und Hüttenleute, einen Gar¬
ten, einen Acker zu besitzen, immer stattgegeben wird.
Es ist darüber hinaus selbstverständlich, daß — ähnlich
liegen ja die Dinge auch im Saarland — der land-
wirtschafttreibende Berg-- und Hüttenmann jede Unter¬
stützung erfährt, die er durch seinen Fleiß verdient. Und
ich weiß mir nichts Schöneres, als daß auch in Loth¬
ringen recht viele Bergleute sowohl unter Tag wie auch
über Tag treue Diener am Boden sind und bleiben.
108