Uber die Bedeutung
der
Runen
Von Karl Brück
Seit der Machtübernahme durch den Führer begegnen
wir immer häufiger Menschen, Männern und Frauen,
Jungen und Mädchen, die ein für manchen noch seltsames
Zeichen, sei es nun als Schmuck, am Gürtel, auf dem
Koppelschloß oder als sonstiges Abzeichen tragen. Es sind
dies sogenannte Runcnzeichen. Wenn man ein Lexikon auf¬
schlägt und dort unter Runen nachsieht, so kann man lesen,
daß Runen Schriftlichen der alten Germanen waren.
Nun sind aber die Runen sicherlich mehr als nur Schrift-
zeichen gewesen. Denn wir finden sie eingeritzt in Steine
und Metalle, in Waffen, in Grabmälern und an Weihe-
stätten und auch in vielen Gebrauchsgegenständen unserer
Ahnen. Sie wurden von ihnen sicher als Glücks- und
Heilszeichen gewertet. Man schrieb ihnen wahrscheinlich
eine ganz besondere Wirkung zu. Wir könnten daher in
einem gewisien Sinn von einem Geheimnis der Runen
sprechen. Wenn man aber nun dem Sinn und der Be¬
deutung der Runen auf den Grund geht, dann bleibt aber
kein Geheimnis und auch nicht irgendwelche Zauberkraft,
sondern dann erkennt man aus ihrer Bedeutung, daß sie
Mahnzeichen gewesen sind, die ihren Träger oder Besitzer
oder den Beschauer an etwas ganz Bestimmtes mahnen
und erinnern sollten und so sicherlich Manchem zum Segen
geworden sein mögen. Dies wird einem erst klar und ver¬
ständlich, wenn man in der Edda in „Lieder des Hohen"
Wodans Runenlied liest und die Übersetzung und Er¬
klärung berücksichtigt, die Guido von Lift den einzelnen
Runen gegeben hat. Schon der Name Rune, der abge¬
leitet ist von dem Wort Raunen, besagt, daß diese Zeichen
uns etwas raunen, zuraunen, zuflüstern wollen. Jede Rune.
aber bat ihren besonderen Namen. Diese Namen wiederum
sind Keim- oder Urworte der germanischen Sprache. Jedes
dieser Keim- oder Urworte aber hat eine dreifache Be¬
deutung entsprechend den drei Waltungsftufen: Entstehen,
Sein oder Walten und Vergehen zum Neuentftehen.
Dieser Bedeutung entsprechend müsien wir beim Deuten
des WodanlicdcS diese Runenzeichen einsetzen. Das wird
uns klar werden, wenn wir einmal die Worte raub, Rat
und Hunt auf ihre Bedeutung in den drei Ordnungsftufen
betrachten.
1. Das Wort rauh auf der ersten Stufe, der Entstebungs-
stufe, bedeutet rauh soviel wie Gegensatz von glatt. Man
spricht auch von aus dem Rauhen herausarbeiten, soviel
als aus dem Rohen, dem Urzustand etwas erarbeiten.
Auf der zweiten Stufe, der Seind- oder Waltungs-
stufe, bedeutet Rau aber Recht und Gesetz, daher der
Name Raugras. In der dritten Stufe des Vergehens
bedeutet das Wort aber soviel wie Rauch, in Rauch
aufgehen, oder Rauhreif. Die neue Schreibweise scheidet
daher diese Begriffe des Keim- und Wurzelwortcs
rauh in die Worte rauh, Rau und Rauch.
2. Das Wort Rat: Rat bedeutet auf der ersten Stufe
soviel wie das Fördernde, Entstehend«. Ein Mann, der
durch seinen Rat irgend etwas fördern oder aufbauen
hilft.
In der zweiten Stufe bedeutet Rad soviel wie das
Laufende oder als Rate das Mehrende,
auf der dritten Ordnungsstufe aber soviel wie Ratte, daö
Vernichtende. Nach der neuen Rechtschreibung sind diese
Begriffe gekennzeichnet durch die Worte Rat, Rad
bzw. Rate und Ratte.
3. Das Wort Hunt:
Auf der ersten Stufe ist Hunt die Bezeichnung für
einen Behälter, mit dem Erz und Kohlen usw. befördert
werden. Aus der zweiten Stufe Hund als Tier und auf
der dritten Stufe soviel wie auf den Hund kommen.
Aus diesen drei Beispielen ersehen wir, wie ein und
dasselbe Wort drei grundverschiedene Begriffe kenn¬
zeichnet.
Dies aber läßt uns etwas mehr Verständnis bekommen
für die nun folgende Deutung des Wodansliedes. Das
Wodanslied gibt wie kein zweites Einblick in die »mansche
Weltanschauung über das Verhältnis vom Geist zum
Körper, von Gott zum All, über das Entstehen, Sein
und Vergehen zum Neuentstehen, vom ewigen Wandel
und doch vom immer werdenden Sein. Erft die künftige
Erkenntnis auf dem Gebiete der Biologie wird uns diese
Dinge noch klarer sehen und erkennen lassen.'
Das Lied selbst bringt die Kennzeichnung der Runen in
mystische Gewand«, welches aber mit dem Namen der
Runen in Verbindung gebracht, die Lösung des „Runen-
geheimnisses" wesentlich fördert. Zuerst spricht in dem
Liede Wodan von seinem Opfersein und Erkenncndwerden,
um dann zur eigentlichen Runendeutung überzugehen. Das-
Lied lautet:
Ich weiß, wie ich hing am windkalten Baum
Neun ewige Nächte.
Vom Speere verwundet, dem Wodan geweiht,
Ich selber geweiht mir selber,
An jenem Baum, der jedem verbirgt,
Wo er den Wurzeln entwachsen.
Sie boten mir weder Brot noch Meth;
Da neigt ich mich spähend nieder.
Aus klagenden Ruf wurden Runen mir kund,
Bis ich vom Baume herabsank.
Vor Weltentwicklung war Wodans Wissen,
Woher er gekommen, dahin kehrt er zurück.
Nun kenn' ich die Lieder wie keiner der Männer
Und wie kein fürstliches Weib.
Hilfreich zu helfen verheißt dir das Eine
In Streit und in Jammer und jeglicher Not.
Ein anderes lernt ich, das Leute gebrauchen,
Die Arzte zu werden wünschen.
Ein Drittes kenn ich, das kommt mir zu gut
Als Fessel für meine Feinde.
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