Full text: 69.1941 (0069)

Schmerz des Trauernden kehrt in Madonnen¬ 
bildern, Mariendarstellungcn und ChrrftuS- 
bildern wieder. Szenen aus dem Volksleben mit 
den vielen Menschentypen der deutschen Land¬ 
schaft enthalten die Heiligengeschichten. Alle Emp¬ 
findungen, die ein Menschenherz bewegen, hat 
die Gotik gestaltet. Gewachsen ist alles aus 
der Verbindung eines freien Umblicks im Dies¬ 
seits mit einem aufs höchste gesteigerten Icn- 
seitSglauben. Sie zeigt uns, was eine Gemein¬ 
schaft vermag, wenn sie auf ein Ziel gerichtet 
bleibt. Die gebändigte Kraft und fanatische Be- 
seffenheit dieser geistigen Führer ist uns in man¬ 
chem Vildwerk überliefert. Abb. 6. 
Auch die völkischen Kräfte wuchsen und ge¬ 
stalteten sich mit. Ein Walter von der Vogel¬ 
weide sang die frühesten Liebeslieder in deutscher 
Sprache; in der Nähe unserer Heimat, gegen¬ 
über von Bingen, wo heute Bingerbrück liegt, 
schrieb in ihrem Kloster die Äbtissin Hildegard 
von Bingen die erste deutsche Naturgeschichte. 
Eike von Repgow bringt in seinem „Sachsen¬ 
spiegel" die erste Sammlung deutschen Volks- 
rechtS mit anschaulichen Bilderklärungen und 
schließlich entsteht die herrliche Manessische Bil¬ 
derhandschrift eine Sammlung der Minnesänger 
mit den berühmten Bilderseiten, auf denen sie 
Abt>. 7: Ein Mensch der Renaissance (1350 — 1650) 
Der Bauherr des Rathauses 
selbst bei ritterlichem und minnlichem Dienst mit 
ihren Wappen auf Pergament gemalt sind. 
Die kämpferischen Kräfte allerdings leitet die 
Kirche ab in die Kreuzzüge und läßt in den 
Wüsten und Gebirgen Kleinasiens und Syriens 
die Jugend Europas verbluten um ein Ziel, das 
außerhalb unseres Vaterlandes lag. 
Mit dem Verfall der Kaisermacht nahm der 
deutsche Mensch seine Verteidigung gegen die 
Auswüchse des Rittertums (Raubritter!) selbst 
in die Hand. Städtebünde (Hansa!) und Zünfte 
innerhalb der Städte schufen neue Gemein, 
wesen. Die Wiffenschaft wurde von rastlosen 
Geistern vorwärts getrieben. Neue Erdteile 
(Amerika), neue Seewege wurden entdeckt. Das 
alte Weltbild, das die Kirche mit aller Macht und 
auch Rücksichtslosigkeit zu halten suchte, zerfiel. 
— Die Reformation bricht an, die neue Epoche, 
die Renaissance ist das Zeitalter der 
Persönlichkeit (1300 — 1500). Man entdeckt 
wieder, daß Griechen und Römer bereits vieles 
voraus gewußt hatten, man lehnt die Bevor- 
mundung der Kirche ab, sprengt die religiöse 
und jetzt nur hemmende Gemeinschaft. Religion 
wird Selbstverantwortung des einzelnen vor 
seinem Gott. Der Künstler schafft als Einzel¬ 
persönlichkeit, Dürer, Grünewald und Cranach 
sind die bekanntesten Namen. Noch wurzeln sie 
in der Gotik, schaffen auö einer starken Gläu- 
bigkeit, doch die Goldhintergründe der Gotik 
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