Full text: 69.1941 (0069)

Tausend Jahre deutsche Kunst 
Vom ersten germanischen Reich bis zur deutschen Wiedergeburt 
Von Jakob Schug. (Mit Zeichnungen des Verfaffers) 
Was ein Volk fühlt und denkt, drückt sich in 
seiner Kunst aus. Unsere Heimat, Jahrhundert 
um Jahrhundert von Kriegen heimgesucht, hat 
zwar wenige Kunftdenkmäler früherer Zeiten, 
trotzdem lag sie im Lauf der Geschichte an einer 
Stelle unseres Vaterlandes, von wo aus Kräfte 
gestaltend nach allen Himmelsrichtungen aus¬ 
strömten. 
Die Mitte des Reiches Karls des Großen 
war Aachen. Dort entstand der erste Steinbau 
nördlich der Alpen. Seine Baumeister zwar 
waren Menschen aus Italien, aber sein Vorbild 
war jenes Grabmal des germanischen Fürsten 
Theoderich in Ravenna. 
Dieser Vau wurde die Grabkapelle Karls 
und Bausymbol der Reichsmitte. Im Laufe 
eines Jahrhunderts sind Um- und Anbauten er¬ 
folgt, aber manche von ihnen mußten nachträgt 
lich mit dem karolingischen Bau verankert wer¬ 
den, so stark und mächtig sind besten Mauern. 
Mit dem Münster zu Aachen beginnt die 
Baukunst deS fränkisch-germanischen Reiches, 
die Romanik 800 biß 1200 n. Chr. 
Abb. 1. 
Der alte, romanische Turm in Mettlach ist 
der verkleinerte Nachfahre deS Aachener Baues 
und zeigt uns, wie auch bei den bischöflichen 
Herren das weltliche Bauen ihrer Zeit Vorbild 
blieb. 
Nach der Dreiteilung des karolingischen Rei¬ 
ches verschob sich die Mitte deS Reiches der 
Deutschen an den Pfälzer Rhein, von Mainz 
bis Speyer. 
Hier entstehen, als Zeugen deutscher Kaiser¬ 
macht, die Dome in Mainz, Worms und Speyer. 
Wie die Pyramiden in den Ebenen Ägyptens, 
so ragen aus der Ebene des Rheins die gewal¬ 
tigen Gottesburgen der salischen und fränkischen 
Kaiser. Um den Dom von Worms, den jüngsten 
dieser Dome, rankt sich das erste deutsche Helden¬ 
epos, daö Nibelungenlied. Abb. 2. 
Das Antlitz dieser kaiserlichen Bauherrn ist 
uns von den Bildhauern gemeißelt erhalten ge¬ 
blieben. Abb. 3. 
Hier ist Hoheit, Klugheit, Mut und Phan¬ 
tasie zum Bild deS geistigen und weltlichen Füh¬ 
rers geworden. Bauherrn und Bauwerk um¬ 
wittert die gleiche Luft. Es ist merkwürdig, daß 
der letzte romanische Bau unserer engeren Hei¬ 
mat, die Klosterkirche von Maria Laach in der 
Eifel, trotzdem er doch eine geistliche Kloster¬ 
kirche ist, ganz im Geist jener wehrhaften Chri¬ 
stenburgen am Rhein gebaut ist. Sie zeigt uns, 
daß das Christentum bei den deutschen Verkün¬ 
dern jener Zeit ihre kämpferische Haltung nicht 
gemindert hat. In der Umdichtung des Heiland¬ 
lebens in ein Heldenlied vom Herzog und seinen 
Mannen im „Heliandlied", ist es uns auch durch 
die Dichtkunst bestätigt. 
In den Schatzkammern der romanischen Dome 
ruhen Kostbarkeiten an Schmuck und Gewän¬ 
dern, die uns die hohe Handwerkskultur unserer 
Vorfahren vor 1000 Jahren in reicher Fülle 
zeigen. Die Malerei jener Zeit zeigen uns die 
Bilderhandschriften, die Psalter und Gebetbücher 
der deutschen Kaiser und Fürstinnen. Mit dem 
Übergang der Karserwürde auf das Geschlecht 
der Sachsen, den Nachkommen des „Rebellen" 
Widukind, verschiebt sich das Gewicht der deut¬ 
schen Baukunst in deren Stammland nördlich 
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