Die Juden im deutschen Bergrecht
.Von Dr. Sieben, Dortmund
Mit den Juden als praktischen Berg¬
leuten hat das deutsche Bergrecht, ebenso wie
das Bergrecht anderer Länder, sich nie zu be-
fasten brauchen. Die schwere bergmännische Be-
rufsarbeit haben dre Juden zu allen Zeiten wie
das Feuer gemieden. Trotzdem finden wir im
alten deutschen Bergrecht die Juden des öfteren,
allerdings immer unrühmlich, erwähnt. So ver¬
bot z. V. schon daö Reichsrecht des ausgehen¬
den Mittelalters den vereidigten Kuxhändlern,
früher Kuxkränßler genannt, Kuxe an Juden zu
verkaufen. Daneben gab es aber noch ein un¬
überwindliches Hindernis, das eS den Juden un.
möglich machte, Grubenbesitz oder Grubenanteile
zu erwerben, das war der Judeneid. Ursprüng¬
lich wurde bei allen Rechtsgeschäften, die Berg,
gerechtigkeiten betrafen, auf dem Rundbaum,
der Haspel geschworen. Der Bergbau befolgte
hierbei einen alten deutschen Gerichtsbrauch, der
z. B. den Schiffer mit dem Fuße auf dem
Schiffsbord, den Reiter mit dem Fuße im
Steigbügel, den Fuhrmann mit dem Fuße auf
dem Wagenrand, den Ritter auf das Schwert
schwören ließ. Solche an berufsständischem
Brauchtum ausgerichtete Eide konnte ein Jude
natürlich nicht schwören.
Wie schwur nun ein Jude? Die Form des
Judeneides, wie er außerhalb der Synagoge ge¬
schworen wurde, war derartig, daß schon die
Eidesform Rechtsgeschäfte zwischen den sehr be-
rufsstolzen Bergleuten und Gewerken auf der
einen und Juden auf der anderen Seite zur Un-
Möglichkeit machten. Der Judeneid blieb näm¬
lich durch die Jahrhunderte ein ungelöstes Pro-
blem. Nichtjuden hatten tausendfach erfahren,
daß keinem Judeneid zu trauen sei; in zahl-
reichen Sprichwörtern hat das Volk diese Er-
fahrung niedergelegt. Die Juden hielten Eide,
die sie einem Nichtjuden schwuren, grundsätzlich
nicht; solche Eide waren immer Meineide, die
konfessionell, d. h. nach dem Talmud, berechtigt
waren. Wollte doch Mendelssohn noch zu Be¬
ginn des vorigen Jahrhunderts, als er zu einem
Gutachten über den Judeneid aufgefordert
wurde, seinen Raffegenosten einen konfessionell
berechtigten Meineid zugesichert wisten. Das be¬
stehende Mißtrauen gegen den Judeneid kommt
dadurch zum Ausdruck, daß von den Behörden
und Gerichten beim Judeneid die verschiedensten
außergewöhnlichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen
wurden. Derartige Sicherung waren von Land
zu Land, oft von Stadt zu Stadt verschieden;
gemeinsam war ihnen, daß sie von einem ab-
grundtiefen Mißtrauen gegen den Judeneid dik-
tiert waren. Grundregel war, daß die Juden
auf die Bücher Mosis schwören mußten, wobei
darauf geachtet wurde, daß die Hand deS schwö¬
renden Juden bis zum Gelenk in der Gesetzes-
rolle steckte. Darüber hinaus bestimmte schon
Karl der Franke, daß rings um den schwörenden
Juden Brombeerzweige gestreut wurden. Die
dornigen Zweige sollten den Juden an die Dor-
nenkrone erinnern; es war also ein Appell an
das schlechte jüdische Gewisten. Nach dem
Schwabenspiegel mußte der Jude bei einem Eid
auf einer Schweinöhaut stehen. Nach altem
sächsischen Recht mußte es die Haut einer Sau
sein, die „binnen 14 Tagen Junge gehabt".
Wörtlich heißt es dann weiter: „Die Haut soll
man bei dem Rücken aufschneiden, und sie drei-
ten auf den Zizen, da soll der Jude barfuß
stehen." In Hesten-Darmstadt ließ der amtie-
rende Richter ein Fenster deS Gerichtssaales
ausbrechen. Eine Erklärung fand das kostspielige
Verfahren in der feststehenden Ansprache deS
Richters an den Juden: „Meinst du etwa, daß
du falsch schwörst und der Teufel holt dich und
führt dich zum Fenster hinaus, du wolltest mich
dann zugleich um das Fenster bringen?" In
Schlesien stellte man den schwörenden Juden
auf einen dreibeinigen Stuhl. Fiel er herunter,
dann hatte Gott gesprochen, er war meineidig.
In Dortmund wurde der Eid nicht zugelaffen,
wenn der Jude beim Wiederholen der Eides-
formet, die ihm vom Rabbiner vorgesprochen
wurde, stotterte. In Galizien steckte man den
schwörenden Juden in ein graues Hemd und
dann mußte er sich in einen Sarg legen.
In einem Verufsstande, der so viel auf Her-
kommen und Brauchtum gab wie der bergmän-
nische, waren schon aus formalen Gründen Ge¬
schäfte mit Juden ausgeschlossen: Eine andere
Frage ist eS, warum die Behörden beim Juden¬
eid sonderbare Zeremonien einführten. Die be¬
tonte Absicht war, durch die Zeremonien den Eid
für die Juden möglichst abschreckend zu gestalten.
Denn einen Judeneid verhindern bedeutete
immer, einen Meineid zu verhindern. Besonders
das Stehen auf einer Schweinehaut war den
Juden ein Greuel und wirkte bestimmt ab-
schreckend.
Andere berggesetzliche Bestimmungen betrafen
den Handel mit Metall, vor allem mit Edel-
metall. Bei ihrem ersten Auftreten in Bergbau¬
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