Full text: 69.1941 (0069)

Die Juden im deutschen Bergrecht 
.Von Dr. Sieben, Dortmund 
Mit den Juden als praktischen Berg¬ 
leuten hat das deutsche Bergrecht, ebenso wie 
das Bergrecht anderer Länder, sich nie zu be- 
fasten brauchen. Die schwere bergmännische Be- 
rufsarbeit haben dre Juden zu allen Zeiten wie 
das Feuer gemieden. Trotzdem finden wir im 
alten deutschen Bergrecht die Juden des öfteren, 
allerdings immer unrühmlich, erwähnt. So ver¬ 
bot z. V. schon daö Reichsrecht des ausgehen¬ 
den Mittelalters den vereidigten Kuxhändlern, 
früher Kuxkränßler genannt, Kuxe an Juden zu 
verkaufen. Daneben gab es aber noch ein un¬ 
überwindliches Hindernis, das eS den Juden un. 
möglich machte, Grubenbesitz oder Grubenanteile 
zu erwerben, das war der Judeneid. Ursprüng¬ 
lich wurde bei allen Rechtsgeschäften, die Berg, 
gerechtigkeiten betrafen, auf dem Rundbaum, 
der Haspel geschworen. Der Bergbau befolgte 
hierbei einen alten deutschen Gerichtsbrauch, der 
z. B. den Schiffer mit dem Fuße auf dem 
Schiffsbord, den Reiter mit dem Fuße im 
Steigbügel, den Fuhrmann mit dem Fuße auf 
dem Wagenrand, den Ritter auf das Schwert 
schwören ließ. Solche an berufsständischem 
Brauchtum ausgerichtete Eide konnte ein Jude 
natürlich nicht schwören. 
Wie schwur nun ein Jude? Die Form des 
Judeneides, wie er außerhalb der Synagoge ge¬ 
schworen wurde, war derartig, daß schon die 
Eidesform Rechtsgeschäfte zwischen den sehr be- 
rufsstolzen Bergleuten und Gewerken auf der 
einen und Juden auf der anderen Seite zur Un- 
Möglichkeit machten. Der Judeneid blieb näm¬ 
lich durch die Jahrhunderte ein ungelöstes Pro- 
blem. Nichtjuden hatten tausendfach erfahren, 
daß keinem Judeneid zu trauen sei; in zahl- 
reichen Sprichwörtern hat das Volk diese Er- 
fahrung niedergelegt. Die Juden hielten Eide, 
die sie einem Nichtjuden schwuren, grundsätzlich 
nicht; solche Eide waren immer Meineide, die 
konfessionell, d. h. nach dem Talmud, berechtigt 
waren. Wollte doch Mendelssohn noch zu Be¬ 
ginn des vorigen Jahrhunderts, als er zu einem 
Gutachten über den Judeneid aufgefordert 
wurde, seinen Raffegenosten einen konfessionell 
berechtigten Meineid zugesichert wisten. Das be¬ 
stehende Mißtrauen gegen den Judeneid kommt 
dadurch zum Ausdruck, daß von den Behörden 
und Gerichten beim Judeneid die verschiedensten 
außergewöhnlichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen 
wurden. Derartige Sicherung waren von Land 
zu Land, oft von Stadt zu Stadt verschieden; 
gemeinsam war ihnen, daß sie von einem ab- 
grundtiefen Mißtrauen gegen den Judeneid dik- 
tiert waren. Grundregel war, daß die Juden 
auf die Bücher Mosis schwören mußten, wobei 
darauf geachtet wurde, daß die Hand deS schwö¬ 
renden Juden bis zum Gelenk in der Gesetzes- 
rolle steckte. Darüber hinaus bestimmte schon 
Karl der Franke, daß rings um den schwörenden 
Juden Brombeerzweige gestreut wurden. Die 
dornigen Zweige sollten den Juden an die Dor- 
nenkrone erinnern; es war also ein Appell an 
das schlechte jüdische Gewisten. Nach dem 
Schwabenspiegel mußte der Jude bei einem Eid 
auf einer Schweinöhaut stehen. Nach altem 
sächsischen Recht mußte es die Haut einer Sau 
sein, die „binnen 14 Tagen Junge gehabt". 
Wörtlich heißt es dann weiter: „Die Haut soll 
man bei dem Rücken aufschneiden, und sie drei- 
ten auf den Zizen, da soll der Jude barfuß 
stehen." In Hesten-Darmstadt ließ der amtie- 
rende Richter ein Fenster deS Gerichtssaales 
ausbrechen. Eine Erklärung fand das kostspielige 
Verfahren in der feststehenden Ansprache deS 
Richters an den Juden: „Meinst du etwa, daß 
du falsch schwörst und der Teufel holt dich und 
führt dich zum Fenster hinaus, du wolltest mich 
dann zugleich um das Fenster bringen?" In 
Schlesien stellte man den schwörenden Juden 
auf einen dreibeinigen Stuhl. Fiel er herunter, 
dann hatte Gott gesprochen, er war meineidig. 
In Dortmund wurde der Eid nicht zugelaffen, 
wenn der Jude beim Wiederholen der Eides- 
formet, die ihm vom Rabbiner vorgesprochen 
wurde, stotterte. In Galizien steckte man den 
schwörenden Juden in ein graues Hemd und 
dann mußte er sich in einen Sarg legen. 
In einem Verufsstande, der so viel auf Her- 
kommen und Brauchtum gab wie der bergmän- 
nische, waren schon aus formalen Gründen Ge¬ 
schäfte mit Juden ausgeschlossen: Eine andere 
Frage ist eS, warum die Behörden beim Juden¬ 
eid sonderbare Zeremonien einführten. Die be¬ 
tonte Absicht war, durch die Zeremonien den Eid 
für die Juden möglichst abschreckend zu gestalten. 
Denn einen Judeneid verhindern bedeutete 
immer, einen Meineid zu verhindern. Besonders 
das Stehen auf einer Schweinehaut war den 
Juden ein Greuel und wirkte bestimmt ab- 
schreckend. 
Andere berggesetzliche Bestimmungen betrafen 
den Handel mit Metall, vor allem mit Edel- 
metall. Bei ihrem ersten Auftreten in Bergbau¬ 
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