Full text: 68.1940 (0068)

verschiedenen Lazaretten gelegen hat, kommt er 
im März in eine Genesungskompanie nach Offen- 
bürg. Eines Tages sitzen die Verwundeten in der 
Stube beisammen und erzählen ihre Erlebnisie. 
Da heißt es plötzlich: „Kriegsfreiwilliger Emil 
Huber hat sich um 5 Uhr zum Konfirmations¬ 
unterricht einzufinden!" Daß diesem Befehl ein 
homerisches Gelächter seitens seiner Kameraden 
folgte, versteht sich von selbst. Aber Emil, so pein¬ 
lich ihm die Sache auch war, mußte sich fügen. 
Befehl ist Befehl! Am Tage der Konfirmation 
ist er unter weißgekleideten Mädchen und Knaben 
in nagelneuen blauen Anzügen ein erwachsener 
Mann und ein Held im Soldatenrock. Der Pre¬ 
diger erwähnt ihn: „Einer ist unter Euch, der 
schon sein Blut fürs Vaterland hingegeben hat!" 
2m Februar 1916 zieht Emil Huber neuer¬ 
dings an die Front. Er erlebt die furchtbaren 
Tage von Verdun und Douaumont. Sein Kopf 
hämmert, die Nerven lassen ihn im Stich. Es ist 
die alte Kopfwunde, die ihm in dieser Hölle wie- 
Das Kreuz des Marschalls 
Es war im letzten Kriegsjahr, als nach einem kurzen, 
doch mörderischen Feuerüberfall schwerer und schwerster 
Artillerie frische englische Regimenter eine deutsche Spitzen¬ 
stellung bei C. stürmten. Die Überraschung war vollkom¬ 
men. Die erste Linie, fast eingeebnet vom Geschützfeuer, 
wurde überrannt, und auch die zweite hielt die erbitterte 
Abwehr der dezimierten Besatzung nur kurze Zeit. Doch 
genügte die gewonnene Frist, nicht nur die Reihen der 
Angreifer grausig zu lichten, sondern auch die dritte Linie 
um eine Handvoll Leute und ein Maschinengewehr zu 
verstärken. 
An diesem dritten Riegel zerbrach der Angriff. Welle 
auf Welle der opfermütig Stürmenden sank in der Feuer¬ 
mahd der Verteidiger zusammen. Wie Wand und Deich 
schichteten sich die Reihen der Gemähten vor den deut¬ 
schen Hindernisien. Als die Stille des Todes, einzig be¬ 
lebt vom Stöhnen und Ächzen der Sterbenden, auf daS 
Blutfeld herabsank, zählte die deutsche Besatzung noch 
vierzehn kampffähige Leute, auch diese von der Wirkung 
der Handgranaten zum Teil schon verletzt. Unter ihnen 
war der Vize K., ein schmaler, bleichgesichtiger Junge, der 
vor anderthalb Jahren aus der Schulbank in den Krieg 
gezogen war. Als die beiden Grabenoffiziere gefallen 
waren, hatte er das Kommando übernommen und es mit 
so kaltblütiger Umsicht und verbisienem Siegeswillen ge¬ 
führt, daß er die schon Verzagenden wie unter geheimem 
Zwange zu letztem Einsatz befeuert hakte. 
In Ruhestellung, zwei Tage später, erhielten sie, kaum 
waren die Quartiere bezogen, Befehl, mit bereitfiehenden 
Lastwagen in die nicht allzu ferne Stadt B. zu fahren. 
Ihr Erstaunen war groß; doch größer war es, bei ihrer 
Ankunft zu hören, daß sie — durch Vermittlung des 
der zu schaffen macht. Als sich im August die 
Nervenanfälle steigern, wird der tapfere Kämp¬ 
fer, desien Brust bereits das Eiserne Kreuz 2. Kl. 
schmückt, auf ausdrückliches Verlangen seines 
Vaters in die Heimat entlasten. Er tritt in die 
kaufmännische Lehre ein, die im September 1918 
eine Unterbrechung erfährt, weil Emil Huber mit 
seinem normalen Jahrgang 1900 neuerdings ein¬ 
gezogen wird. Er kommt zum Fußartillerie-Regi¬ 
ment 23 nach Straßburg, wo ihn dann bald dar¬ 
auf die Demobilmachung erreicht. Und nun ist 
Emil Huber im besten Alter von 38 Jahren sei¬ 
nem heimtückischen Leiden erlegen, das er sich als 
Deutschlands jüngster Kriegsfreiwilliger vor bald 
25 Jahren geholt hatte. Bei dieser Gelegenheit 
erinnert man sich an den zweitjüngsten deutschen 
Frontsoldaten Paul Mauk aus Waldkirch a. Elz, 
ebenfalls ein Badener, der nur ein paar Monate 
älter war als sein Offenburger Kamerad. 2m 
Jahr 1916 hauchte er auf der Lorettohöhe sein 
kindliches Leben aus. zb. 
Von Werner Oellers 
Divisionskommandeurs — dem gerade in B. weilenden 
Marschall Hindenburg vorgestellt werden sollten. 
Da stand nun die kleine Mannschaft ausgerichtet in 
Reih und Glied, der junge K. an der Spitze: ausgezehrte, 
graue Kämpfergesichter, von Stahlhelmen überschatkei; 
abgewetzte, nun peinlich saubere Uniformen und blinkende 
Waffen. 
Wie durch einen Schleier, so groß war die Erregung, 
sahen sie die hohe, schon ins Legendäre erhobene Gestalt 
des Marschalls vor sich aufragen und hörten seine schlich¬ 
ten Worte, Worte des Dankes und der Anerkennung. 
Daß er sie heute sehen und auszeichnen dürfe, sei ihm 
nicht nur eine Freude, sondern auch — sie möchten das 
nehmen, wie es gesagt sei — eine Ehre. 
Dann trat er vor den Vize K., der wie aus Stein ge¬ 
hauen am Flügel stand. Ein Adjutant reichte dem Mar- 
schall das Leutnantpatent und die Urkunde über die Ver¬ 
leihung des E.K. I. Doch der Alte hielt seine Hand immer 
noch hingestreckt, schaute fragend hinab auf das halb¬ 
erhobene, ebenfalls fragende Gesicht des Adjutanten. Durch 
die Reihen der Offiziere ging Bewegung, kurzes Tuscheln 
und Gebärdenspiel, und da der Marschall nun etwas zu 
seinem Hauptmann hinbrummte, huschte über besten Ge¬ 
sicht ein kleines Erschrecken. Das Eiserne Kreuz war nicht 
zur Stelle, vielleicht war es vergessen worden. 
Ein erzenes Standbild, ragte der Leutnant K. in der 
abgewetzten Uniform des Vize. Rur die heiße Röte, die 
nun das schmale, fahle Gesicht überschüttete, zeugte von 
Leben. 
Der Alte hatte sich ihm wieder zugewandt, einen Augen¬ 
blick ratlos und überlegend. Groß und gewaltig hob sich 
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