verschiedenen Lazaretten gelegen hat, kommt er
im März in eine Genesungskompanie nach Offen-
bürg. Eines Tages sitzen die Verwundeten in der
Stube beisammen und erzählen ihre Erlebnisie.
Da heißt es plötzlich: „Kriegsfreiwilliger Emil
Huber hat sich um 5 Uhr zum Konfirmations¬
unterricht einzufinden!" Daß diesem Befehl ein
homerisches Gelächter seitens seiner Kameraden
folgte, versteht sich von selbst. Aber Emil, so pein¬
lich ihm die Sache auch war, mußte sich fügen.
Befehl ist Befehl! Am Tage der Konfirmation
ist er unter weißgekleideten Mädchen und Knaben
in nagelneuen blauen Anzügen ein erwachsener
Mann und ein Held im Soldatenrock. Der Pre¬
diger erwähnt ihn: „Einer ist unter Euch, der
schon sein Blut fürs Vaterland hingegeben hat!"
2m Februar 1916 zieht Emil Huber neuer¬
dings an die Front. Er erlebt die furchtbaren
Tage von Verdun und Douaumont. Sein Kopf
hämmert, die Nerven lassen ihn im Stich. Es ist
die alte Kopfwunde, die ihm in dieser Hölle wie-
Das Kreuz des Marschalls
Es war im letzten Kriegsjahr, als nach einem kurzen,
doch mörderischen Feuerüberfall schwerer und schwerster
Artillerie frische englische Regimenter eine deutsche Spitzen¬
stellung bei C. stürmten. Die Überraschung war vollkom¬
men. Die erste Linie, fast eingeebnet vom Geschützfeuer,
wurde überrannt, und auch die zweite hielt die erbitterte
Abwehr der dezimierten Besatzung nur kurze Zeit. Doch
genügte die gewonnene Frist, nicht nur die Reihen der
Angreifer grausig zu lichten, sondern auch die dritte Linie
um eine Handvoll Leute und ein Maschinengewehr zu
verstärken.
An diesem dritten Riegel zerbrach der Angriff. Welle
auf Welle der opfermütig Stürmenden sank in der Feuer¬
mahd der Verteidiger zusammen. Wie Wand und Deich
schichteten sich die Reihen der Gemähten vor den deut¬
schen Hindernisien. Als die Stille des Todes, einzig be¬
lebt vom Stöhnen und Ächzen der Sterbenden, auf daS
Blutfeld herabsank, zählte die deutsche Besatzung noch
vierzehn kampffähige Leute, auch diese von der Wirkung
der Handgranaten zum Teil schon verletzt. Unter ihnen
war der Vize K., ein schmaler, bleichgesichtiger Junge, der
vor anderthalb Jahren aus der Schulbank in den Krieg
gezogen war. Als die beiden Grabenoffiziere gefallen
waren, hatte er das Kommando übernommen und es mit
so kaltblütiger Umsicht und verbisienem Siegeswillen ge¬
führt, daß er die schon Verzagenden wie unter geheimem
Zwange zu letztem Einsatz befeuert hakte.
In Ruhestellung, zwei Tage später, erhielten sie, kaum
waren die Quartiere bezogen, Befehl, mit bereitfiehenden
Lastwagen in die nicht allzu ferne Stadt B. zu fahren.
Ihr Erstaunen war groß; doch größer war es, bei ihrer
Ankunft zu hören, daß sie — durch Vermittlung des
der zu schaffen macht. Als sich im August die
Nervenanfälle steigern, wird der tapfere Kämp¬
fer, desien Brust bereits das Eiserne Kreuz 2. Kl.
schmückt, auf ausdrückliches Verlangen seines
Vaters in die Heimat entlasten. Er tritt in die
kaufmännische Lehre ein, die im September 1918
eine Unterbrechung erfährt, weil Emil Huber mit
seinem normalen Jahrgang 1900 neuerdings ein¬
gezogen wird. Er kommt zum Fußartillerie-Regi¬
ment 23 nach Straßburg, wo ihn dann bald dar¬
auf die Demobilmachung erreicht. Und nun ist
Emil Huber im besten Alter von 38 Jahren sei¬
nem heimtückischen Leiden erlegen, das er sich als
Deutschlands jüngster Kriegsfreiwilliger vor bald
25 Jahren geholt hatte. Bei dieser Gelegenheit
erinnert man sich an den zweitjüngsten deutschen
Frontsoldaten Paul Mauk aus Waldkirch a. Elz,
ebenfalls ein Badener, der nur ein paar Monate
älter war als sein Offenburger Kamerad. 2m
Jahr 1916 hauchte er auf der Lorettohöhe sein
kindliches Leben aus. zb.
Von Werner Oellers
Divisionskommandeurs — dem gerade in B. weilenden
Marschall Hindenburg vorgestellt werden sollten.
Da stand nun die kleine Mannschaft ausgerichtet in
Reih und Glied, der junge K. an der Spitze: ausgezehrte,
graue Kämpfergesichter, von Stahlhelmen überschatkei;
abgewetzte, nun peinlich saubere Uniformen und blinkende
Waffen.
Wie durch einen Schleier, so groß war die Erregung,
sahen sie die hohe, schon ins Legendäre erhobene Gestalt
des Marschalls vor sich aufragen und hörten seine schlich¬
ten Worte, Worte des Dankes und der Anerkennung.
Daß er sie heute sehen und auszeichnen dürfe, sei ihm
nicht nur eine Freude, sondern auch — sie möchten das
nehmen, wie es gesagt sei — eine Ehre.
Dann trat er vor den Vize K., der wie aus Stein ge¬
hauen am Flügel stand. Ein Adjutant reichte dem Mar-
schall das Leutnantpatent und die Urkunde über die Ver¬
leihung des E.K. I. Doch der Alte hielt seine Hand immer
noch hingestreckt, schaute fragend hinab auf das halb¬
erhobene, ebenfalls fragende Gesicht des Adjutanten. Durch
die Reihen der Offiziere ging Bewegung, kurzes Tuscheln
und Gebärdenspiel, und da der Marschall nun etwas zu
seinem Hauptmann hinbrummte, huschte über besten Ge¬
sicht ein kleines Erschrecken. Das Eiserne Kreuz war nicht
zur Stelle, vielleicht war es vergessen worden.
Ein erzenes Standbild, ragte der Leutnant K. in der
abgewetzten Uniform des Vize. Rur die heiße Röte, die
nun das schmale, fahle Gesicht überschüttete, zeugte von
Leben.
Der Alte hatte sich ihm wieder zugewandt, einen Augen¬
blick ratlos und überlegend. Groß und gewaltig hob sich
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