Frühsport im Freien Esicnspciusc auf unserem Acker ffoto: O.M.
wie gehts, Klölichfrau?" angeredet wurde, es
war doch schön. Und wenn man nach dem Abend¬
lied auf den Strohsack fiel, dann schlief es sich
so herrlich, wie zu Hause wohl selten. Schnarcher,
Nachtwandler, im Schlaf Singende, die konnten
uns nicht wecken. Das konnte höchstens so ein
blinder Feueralarm, bei dem wir aber bald wie¬
der zur Ruhe kamen, nachdem die Lagerleiterin
unsere Kunstmalerin wieder zu Bett gebracht
hatte, die beim ersten Alarmzeichen sich in
nächtlich ungenügender Bekleidung und ihr
L i e b st e s, ihre Zeichnungen und Mappen, in
einem Köfferchen ins Freie gerettet hatte.
Bei der Arbeit war eine der andern Vorbild,
die Abiturientin lernte von der Hausangestell¬
ten, bei der Schulung halsen unsere Lehrerinnen
der Lagerleiterin, und der Medizinstudentin lag
das Wohl aller am Herzen.
Die schönste und befriedigendste Arbeit war
für alle der Außendienst, die Hilfe bei den armen
Familien. Es hieß immer, die Hausfrau soll ent¬
lastet werden, wenn sie krank war, zur Erholung
fort mußte, oder wenn der große Haushalt, den
sie allein zu besorgen hatte, über ihre Kräfte
ging. Uns Mädels ist es oft schwer gewesen.
Arbeiten, die selbst im Lager nicht vorgekommen
waren, mußten erledigt werden. Doch die oft
rührende Dankbarkeit der Betreuten hat nicht
wenig dazu beitragen helfen, daß man es doch
fertig brachte. Was konnte einen froher machen,
als wenn man nachmittags im Lager sich gegen¬
seitig die Erlebnisie des Morgens erzählte, man
berichten konnte: „Mein Wickelkind hat heute
Mm ersten Mal richtig gelacht"; „Meinem
Mann hat heute das Esten besonders gut ge-
lch^eckt". — Als ich an einem Morgen zum ersten
Mal in einer Familie antrat, der ich beim Um¬
zug, der kleinen Kinder wegen, behilflich sein
sollte, da wurde ich stürmisch von den Kleinen
begrüßt und der Mutter als „ihre Tante Otti"
vom Kindergarten (wo ich einen Monat lang
den Schwestern geholfen hatte) strahlend vorge¬
stellt. In dieser Familie zu arbeiten, war eine
große Freude für mich. Aber nicht immer wurde
das Mädel aus dem Arbeitslager von vorne-
herein freundlich aufgenommen. Als ich einmal
ganz früh vom Gemüseholen heimkam, wurde ich
zu einer Familie geschickt, aus der die Mutter
über Nacht erblindet und in die Klinik gebracht
worden war. Da hieß es, schnell und ordentlich
zupacken. Zum Mittagesten kam der Mann nach
Hause. Als er sein kleines Mädchen wohlbehütet,
die Wohnung in Ordnung und das Esten fertig
vorfand, gestand er mir ganz ehrlich, daß er nie
habe etwas wisten wollen vom Arbeitsdienst und
erst recht nichts von den marschierenden Mädels
des Frauenarbeitsdienstes. Nun sei er bekehrt.
Etwas fiel ihm jedoch noch schwer zu verstehen
und er sagte: „Die Arbeiten, die Sie hier in
meiner Familie machen, die brauchen Sie zu
Hause, wo ihre Mutter Wasch- und Putzfrau hat,
nicht zu machen. Wie können Sie das nun?",
worauf ich antwortete: „Wir Mädels im deut¬
schen Frauenarbeitsdienst sehen ja gerade darin
unsere Aufgabe, dem Vaterland einen wirklichen
Dienst zu leisten, indem wir mit unserer jungen,
ungelernten, aber willigen Kraft dem bedürf¬
tigen Volksgenosten helfen, und so das richtige
Verhältnis zu seiner Arbeit und feinen Nöten
finden." Diese Antwort hat ihn sehr nachdenklich
gemacht und ich glaube, auch ihn ganz für uns,
d. h. für den Arbeitsdienst und für den Gedanken
des wirklichen Sozialismus, der im Arbeitsdienst
seine lebendige Gestalt gefunden hat, gewinnen
lasten. O. M.
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