Full text: 64.1936 (0064)

Die französischen Grubenkonzerte und wir 
Von Dr. Szliska, Rektor, Spiesen-Saar 
Kaum hatten die französischen Soldaten 1918 
den saardeutschen Boden betreten, so begann auch 
schon eine zielklare Werbetätigkeit um den saar- 
deutschen Menschen. Die französischen Kultur¬ 
politiker erstrebten einen starken Vorstoß in den 
Volksdeutschen Raum des deutschen Westens, um 
hier mit Hilfe der phantastischen 150 000 Saar¬ 
franzosen und ihrer kulturellen Bedürfnisse 
später politische Ansprüche anmelden und fordern 
zu können. Wir sehen hier von allen plan¬ 
mäßigen kulturpolitischen Arbeiten im Unter¬ 
richt, in der Presse usw. ab und betrachten nur 
einmal kurz die französische Werbung durch die 
Musik. 
Wir müssen uns 15 Jahre zurückversetzen. Der 
fremde General Andlauer diktierte, französische 
Soldaten durchzogen unsere Straßen. Zurück¬ 
haltung und maßlose Verbitterung auf unserer 
Seite. Andlauer wollte mit allen Mitteln eine 
Verbindung mit dem Saarvolke gewinnen. Gab 
es da — von seiner Warte aus gesehen — ein 
besseres Mittel als die Musik?! Platzkonzerte 
wurden angesetzt. Mit viel Tam-Tam wurde die 
Bevölkerung auf diese edle Gabe der „siegreichen 
Truppen" hingewiesen. Noch bedeutender sollten 
die kultischen Umzüge der mohammedanischen 
Truppen an den Samstagabenden wirken. 
Von den Kasernen zogen die fremden Musi¬ 
kanten durch die Hauptstraßen, z. B. des Ortes 
Sulzbach, zogen bis zum Schnappacher Weg und 
hielten zu einer längeren „Serenade" auf dem 
im Mittelpunkt gelegenen Marktplatz. Fremde 
Weisen entlockten sie fremdartigen Instrumenten. 
Das war fremde — westliche, ja afrikanische 
Kultur. Das zog nicht an. Mancher hörte aus 
Neugierde und lehnte dann instinktiv ab. Er 
dachte der Zeiten, in denen deutsche Musikanten 
hier gestanden hatten — nein — das hier war 
Fremdes, das konnte seine Seele nicht zum 
Schwingen bringen; denn seine Seele war 
deutsch. War es nicht einmal so weit, daß ein 
grader Bergmann, der da stand, in seiner Wal¬ 
lung so weit ging, heftig den Kopf schüttelnd, 
sich von den Wenigen, die neugierig lauschten, 
entfernte und seiner innern Ablehnung grimmig 
Ausdruck verlieh mit den Worten: „Wir senn 
doch kä Hottentotten." Sprang nicht ein junger 
— blutjunger fremder Offizier mit seiner Reit¬ 
peitsche auf den Mann zu und schlug ihm ins 
Gesicht?! So also konnte das starkwurzelnde 
deutsche Volkstum nicht überwunden werden. 
Diese Art der kulturellen Eroberung wurde des¬ 
halb bald eingestellt. Doch glaubte man höheren 
Ortes weiter an die Macht der Musik in diesem 
Prozesse der „friedlichen Durchdringung". 
Inzwischen hatte ja das politische Wollen Fort¬ 
schritte zu Gunsten der Hinausschiebung der 
Grenze erreicht. Der Friede war diktiert und 
rechtskräftig geworden. Das Saargebiet war ge¬ 
bildet, die Regierungskommission hatte die Ver¬ 
waltung des Landes und die neue Bergverwal¬ 
tung die Ausbeutung der Gruben übernommen. 
Die Regierungskommission, die ja immer wie¬ 
der zur Durchführung französischer Wünsche zur 
Verfügung stand, scheidet bei unserer weiteren 
Betrachtung aus. Die Bergverwaltung aber 
— die eigentlich mit der kulturellen Betreuung 
des Landes und seiner Bewohner nichts zu tun 
hatte — scheint doch oft dies als ihre erste Auf¬ 
gabe betrachtet zu haben. Und so sehen wir sie 
denn auch bei der musikalischen Durchdringung 
des deutschen Saarvolkes an erster Stelle. Noch 
mehr als die Regierungskommission es bereits 
getan hatte, zerschlug sie die führende Ober¬ 
schicht: französische Ingenieure zogen ein, die 
deutschen Vergräte und Assessoren wurden zur 
Verfügung gestellt. Die oberen Beamten waren 
fast ausschließlich Franzosen. Eine wichtige Tat¬ 
sache im Volkstumskampf war geschaffen. Deut¬ 
lich ist nunmehr das Bestreben nach Gewinnung 
der restlichen Oberschicht, der mittleren und der 
unteren Schicht erkennbar. Die französischen 
Kulturgüter sollten ihnen — ihrem geistigen 
Niveau entsprechend — dargestellt, sie selbst da¬ 
durch gewonnen werden. Das hat in Neunkirchen 
ein Kapitän eines Tages klar und deutlich er¬ 
klärt: „Wir wollen Sie nicht zwingen, sondern wir 
wollen Sie gewinnen," so sagte er wörtlich. So 
wurde auch die Abhaltung von drei Arten 
von Konzerten beschlossen. 
In Saarbrücken selbst sollte die Oberschicht 
mit den ersten Komponisten durch die her¬ 
vorragendsten Pariser Künstler bekannt ge¬ 
macht werden. Hier finden wir Fourestier 
(Laureat de l'Academie des Beaux-Arts- 
Prise Rossini), die Sängerin litte. Du- 
mont, den Geiger M. H. Fricquegnon, 1. Geiger 
des Pariser Konservatoriums, M. A. Bateau, 
Eello, 1. Preis des Pariser Konservatoriums, 
Prof. Skohoutil, Frl. Sanrezac, M. G. Reit- 
linger, 1. Preis des Pariser Konservatoriums, 
Mme. Cesbron-Viseur und die Herren Soria 
und Huberty, „Solistes de l'Opera". Die Vor¬ 
tragsfolge dieser Veranstaltungen zeigte zudem 
das Wollen der Veranstalter kristallklar. 
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