Full text: 64.1936 (0064)

Die französischen Domanialschulen v»,, A-w-d H°y» 
Wie an einen längst entschwundenen Alpdruck 
denkt man heute an diese Schulen eines fremden 
Eroberers zurück. Noch künden von ihnen hie 
und da die für sie seinerzeit schnell erbauten 
langgestreckten Schulbaracken, allerdings heute 
längst Zwecken zugeführt, die dem deutschen 
Bolksganzen zugute kommen. Lebendiger aber 
noch sind in den Herzen unserer Saarbergleute 
die vielerlei inneren Spuren: unliebe Erinne¬ 
rungen an das Dunkel der Daseinsnot, das die 
Weigerung, sein eigen Fleisch und Blut einer 
landfremden Kultur auszuliefern, heraufbe¬ 
schwor; schmerzvolles Gedenken der von vie¬ 
len Müttern vergossenen Tränen; peinliche, 
kaum abwälzbar erscheinende Last in nicht we¬ 
nigen unserer jungen Volksgenossen, die in jenen 
Schulen einer seelisch fremden Welt ausgeliefert 
waren. — Der Mahr ist gewichen. Treue ver¬ 
trieb ihn. Ungute Erinnerungen machen all¬ 
mählich dem stolzen Gefühl vollbrachter Leistung 
Platz. Wir gewinnen schon jetzt den inneren 
Abstand, um leidenschaftslos einen ergänzenden 
Rückblick tun zu können auf das, was in die 
Geschichte eingegangen ist. Aus Reden und 
Zeitungsgedröhn, aus Propaganda und Waffen 
des geschliffenen Wortes schälte schon während 
der Kampfzeit deutsche Sachlichkeit und Wahr¬ 
heitsliebe umfassende schriftliche Darstellungen 
heraus,*) in denen wissenschaftliches Bemühen 
sich paarte mit Kampftrotz und warmem Mit¬ 
gefühl für die zunächst Bedrängten. Jene Werke 
behalten auch nach den heute erweiterten Kennt¬ 
nissen ihre Gültigkeit. Es ist lediglich nötig, in 
umfassenden Uebersichten und Randbemerkungen 
einige Lücken zu schließen, um das Bild der 
entsagungsreichen kulturellen Abwehr unserer 
Kumpels zu runden. Mögen so die Zahlenreihen 
Leben bekommen und aufs neue die Berechti¬ 
gung meiner „Widmung an den treuen deutschen 
Saarbergmann" im letzten Domanialschulbuche 
erweisen! 
1. Wie gewann man Zahlen über 
die Domanialschulen? 
Leider ist in den ersten Jahren des Bestehens 
der Domanialschulen es von deutscher Seite 
versäumt worden, genaue zahlenmäßige Unter¬ 
lagen zu sammeln. In der Glut des da¬ 
*) Flttbogen, Die französischen Domanial- 
Ichulen im Saargebiet. 1925. 
II. Denkschrift der 3. Lehrerkammer: Die fran¬ 
zösischen Domanialschulen. 1929. 
M. ^ .Hoyer, Die französischen Domanial- 
Iwulen im Saargebiet. 1931. 
mals frisch entfachten Kampfes fehlte der 
innere Abstand, umfassende Statistiken an¬ 
zulegen. Wo der Kampf am heißesten je¬ 
weilig entbrannte, da bediente man sich auch 
der Zahlen. Die französische Seite hat bis auf 
den einen Fall 1931, als sie der Regierungskom¬ 
mission zu deren Selbstverteidigung Zahlenmate¬ 
rial übergab, niemals Statistiken noch Einzel¬ 
zahlen über ihre Schuleinrichtungen im Saar¬ 
lande veröffentlicht. Ja, sie har es verstanden, 
die tatsächlichen Klassenstärken geschickt zu tar¬ 
nen. Von unserer Seite setzten ab 1928 fol¬ 
gende Versuche ein, stichhaltiges Material über 
das neu entstandene französische Volksschulwesen 
zu gewinnen. 
Die Lehrerkammer veranstaltete durch 
die Lehrer an den deutschen Volksschulen Um¬ 
fragen. Das so gewonnene Material blieb lücken¬ 
haft. Es darf hierbei nicht übersehen werden, 
daß besonders in größeren Orlen — und die 
meisten Domanialschulen waren in großen Ort¬ 
schaften — es sehr schwer war, die Zahl der von 
der deutschen Schule abgewanderten Kinder zu 
ermitteln. Trotzdem erhielt die Lehrerkammer 
über manche Domanialschulen recht gutes Mate¬ 
rial. Aber dieses allein war nicht ausreichend. 
Die Abwicklungsstelle der preußischen 
Grubenverwaltung in Bonn hatte natür¬ 
lich auch Änteresie an dem Umfange der Doma¬ 
nialschulen. Sie unterhielt genügend Beziehun¬ 
gen im Kohlenrevier, um auch Zahlen zu er¬ 
langen. Aber auch diese Erhebungen mußten aus 
Schwierigkeiten stoßen, da die ermittelnden Per¬ 
sonen nicht Schulleute waren und so gezwungen 
waren, sich wieder an solche zu wenden. Zuweilen 
gelang es ihnen, Lehrkräfte der Domanialschulen 
zum Sprechen zu bewegen. Dann hatte man 
natürlich sichere Unterlagen. Aber die Bergver- 
waltung in Bonn war sich der Fragwürdigkeit 
ihres eigenen Materials zu gut bewußt, um ihm 
allein zu vertrauen . Sie wandle sich daher an 
eine andere deutsche Stelle, die sich ebenfalls 
diesen Fragen zuwenden mußte. 
Sie hatte sich zentral mit den Saarangelegen¬ 
heiten zu befassen und unterhielt zu ihrer Un¬ 
terrichtung auf den verschiedensten Gebieten ein 
aut ausgebautes Netz von Vertrauens¬ 
leuten^ Diese waren aus allen Schichten der 
Bevölkerung gewählt, und wegen der Vordring¬ 
lichkeit gerade kultureller Belange befanden sich 
darunter auch genügend Männer von der Schule. 
Sie taten viele Jahre hindurch ihre nicht un¬ 
gefährliche Pflicht gegen ihr Heimatland, ohne 
es irgendwie spürbar zu machen. Ihren Ermit¬ 
telungen kam zweierlei zugute: einmal das be¬ 
sonders Maß von Verantwortlichkeit, das ihnen 
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