Full text: 64.1936 (0064)

sannt, daß die Streikenden ohne Kündigung ent¬ 
lassen sind und zur Schadensersatzleistung heran¬ 
gezogen werden. Ein „Schreckschuß", der erst recht 
böses Blut auslöst. Kein Saarbergmann geht 
deswegen zur Arbeit. Auch alle übrigen Druck¬ 
maßnahmen, z. V. Wohnungskündigungen, Aus¬ 
weisungen usw. können die streikende Front nicht 
im geringsten ins Wanken bringen. Ueberall 
herrscht mustergültige Ruhe und Ordnung, eine 
wunderbare Disziplin. Niemand wird belästigt. 
Das französische Militär bekommt keinerlei Ar¬ 
beit. Die tadellose Haltung der Streikenden 
findet allenthalben große Anerkennung. Auch 
eine durch die Regierungskommisston willkürlich 
vorgenommene wesentliche Einschränkung des 
Koalitionsrechtes bringt die Bergarbeiterschaft 
nicht aus der Ruhe. Verbissen hält sie uner¬ 
schütterlich Ruhe und Ordnung aufrecht. Ein 
Streik, wie er friedlicher nicht gedacht werden 
kann. So geht es mehr als drei Monate 
lang. Eine unerhört lange Zeit für einen Berg- 
arbeiterstreik. In Deutschland noch nicht da¬ 
gewesen. Ein eigens zur Organisierung des 
Streikbruchs gegründeter „Verband" hat trotz 
stärkster Propaganda keinerlei Erfolg. Endlich 
nach 100 Tagen kommt es am 14. Mai zu einer 
Einigung zwischen der Streikleitung und der 
französischen Bergverwaltung, die für die Berg¬ 
leute einen großen Erfolg bedeutet. Ihre bei¬ 
spiellose Einigung, Ruhe und Disziplin haben 
den Sieg davongetragen. Die französische Berg¬ 
verwaltung hat nachgeben müsien. Eine uner¬ 
hört schwere Kraftprobe, eine riesig große Prü¬ 
fung der Stärke und des Willens ist von den 
saardeutschen Bergleuten — mit ihren Ange¬ 
hörigen sind es über 250 000 Menschen — 
■giÖS^uWeifonSFeii worden! Die Franken und 
die Regierungskommission hatten sich gründlich 
verrechnet, wenn sie glaubten, saardeutsche Ar¬ 
beiter auf die Knie zwingen zu können. 
* 
Jahrtausendfeier 
Eine Probeabstimmung 
Juni 1926. Alle Ereignisse werden weit 
überragt von der Feier der tausendjährigen Zu¬ 
gehörigkeit des Rheinlandes zum Reich. Daß 
das Saargebiet — trotz der Fremdherrschaft — 
Lei dieser Feier nicht fehlen wird, ist ganz selbst¬ 
verständlich. Frühzeitig setzen überall die Vor¬ 
bereitungen für die Iahrtaufendfeier lebhaft ein. 
Auch die kleinste Gemeinde rüstet eifrig für eine 
würdige Veranstaltung. Alles wetteifert mit¬ 
einander. Ueberall werden besondere Ausschüße 
zur Vorbereitung und Durchführung der Feiern 
gebildet. Den Franzosen und der Regierungs¬ 
kommission gefällt das alles gar nicht. Sie 
suchen zu verhindern, was irgendwie möglich 
erscheint. Schon im April kommt die Regie¬ 
rungskommission mit Verboten. Sie unters 
den Landräten, Beamten und Schulen die U 
nohme an den Feiern, mit der Begründung, & 
alle Dienststellen strenge Neutralität zu beatz 
hätten. Alles lacht, die RegierungskommP 
fordert Neutralität! Sie selbst verletzt diese i 
lich im Interesse Frankreichs. Die allfeiiix 
Proteste gegen dieses Verbot haben den Erst 
daß die Regierungskommission sich zu Zugestüi. 
nissen bequemt. Sie kommentiert ihr Verbots 
hin, daß nur eine offizielle Teilnahme der ss 
amten und Schulen verboten sei. Nicht aber! 
private Beteiligung der Beamten und Li 
Personen. Bald aber folgen weitere Verbi 
Verboten werden die Gewährung von Gemein, 
zuschüssen für die Veranstaltungen, die Du, 
führung von Fackelzügen, das Flaggen in J{ 
Farben „Schwarz-Weiß-Rot", das Schmücken r 
Dienstgebäuden und Schulen, die Belehrung! 
Schulkinder durch die Lehrer über die Bedeute 
der Feier, Kinderumzüge in Begleitung % 
Lehrpersonen und die Abgabe von Tannengr 
oder Laub aus den Forsten oder Eemeiià 
Wallungen. Die Programme der Musik- oder k 
sangveranstaltungen sowie die Texte der geplc 
ten öffentlichen Reden sollen vorher vorgeb 
werden. Es regnet geradezu Verordnungen i 
Verbote. Sie wirken schließlich nur noch 
lächerlich — sowohl wegen ihrer Zahl als m 
ihres Inhalts wegen — daß niemand im 
daran denkt, sie zu befolgen. Die Regierung st 
den Uebertretungen durch die gesamtes 
völkerung — trotz des besonders bereitgestellt, 
französischen Militärs — völlig machtlos ge# 
über. In den Tagen vom 18. bis zum 21. Ä 
feiert jeder Ort die Iahrtaufendfeier so, wie 
es fnr "ut hält. Die Zeitung"' bringen! 
sondere Festnummern heraus. Der Verlauf l 
Veranstaltungen, von den Feiern für die Kin! 
und Jugend angefangen bis zu den Masienkm 
gedungen und großen Fackelzügen, ist must 
gültig. Nirgendwo kommt es zu Störunge 
Ueberall herrschte eine frohe Stimmung. Jubel 
legt die ganze Saarbevölkerung ein alles M 
wältigendes Bekenntnis zum Deutschen Reicht 
Das ganze Saargebiet gleicht gewisiermi 
einem Flaggenmeer. 
Von allen Türmen ertönt feierliches Eloü 
geläute. Ueberall finden Festgottesdienste, D 
zert-, Gesangs- und Sportveranstaltungen sst 
Allenthalben gestalten sich die Feiern zu he 
lichen Volksfesten. Ohne Unterschied des Str 
des, der Konfession und der Parteien finden! 
alle gemeinsam zusammen zur feierlichen - 
kundung der untrennbaren Verbundenheit! 
Saarlandes mit dem tausendjährigen Reich. 
Das Ausland bezeichnet den Verlauf der Fe 
als eine Vorabstimmung in eindeutig de: 
fchem Sinne. Die Stellung des Präsidenten!
	        
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