füp. Er ist kein Entwurzelter. Er will
kein „Prolet" sein. Er will ein genau so
geachteter Vollbürger sein wie die Ange¬
hörigen irgend eines anderen Standes.
Die ausgeprägte Liebe zur Heimat-
scholle und der starke Bürgersinn spiegeln
sich am klarsten wieder in dem überaus weit
entwickelten Trieb des Saarbergmanns, in
den Besitz eines Eigenheims zu gelangen.
Im Jahre 1913 waren rund 21000 Berg¬
leute von 52 000 der preußischen Gruben,
gleich ^ der verheirateten Belegschaft, Be¬
sitzer eines Eigenheimes. Aehnlich war das
Verhältnis bei der Belegschaft der übrigen
Gruben. Der Saarbergmann will
Hauseigentümer sein, weil er erst
dann die in ihm schlummernden Eigenschaften
voll entfalten kann. Dieser erfreuliche Cha¬
rakterzug, der den Sparsinn weckt und för¬
dert, wurde in früherer Zeit vom preußi¬
schen und bayrischen Staat durch Bauprämien
und Gewährung von zinslosen Darlehn stark
gefördert und unterstützt. Hierdurch wurde
die Ballung von Menschenmassen mit all
den damit verbundenen schädlichen Wirkun¬
gen in unmittelbarer Nähe der Gruben ver¬
hütet, und ermöglicht, daß viele Bergleute
leichter in den Besitz eines Eigenheimes ge¬
langten. Diese Haltung des früheren Arbeit¬
gebers kann mit Recht als eine hervor¬
ragende soziale und nationale Tat bezeichnet
werden, deren Segnungen sich besonders in
der Abtrennungszeit erwiesen haben.
Die Liebe zur Heimatscholle veranlaßt den
Saarbergmann, in der Regel in seinem
Heimatsort auch dann wohnen zu bleiben,
wenn er stundenweit von der Grube entfernt
liegt. So kommt es, daß die Saar¬
bergleute sich auf mehr als 75 0
Orte verteilen. Ein starkes Drittel
der Belegschaft benützt die Eisenbahn, muß
teilweise oft stundenlang fahren, um täglich
vom Heimatort zur Grube und wieder zurück
zu gelangen. Ein kleiner Teil bleibt sogar
die Woche über in Eruben-Schlafhäusern
oder in Bürger-Quartieren und fährt nur
für den Sonntag heim. Ganz außerordentlich
groß ist auch der Fleiß und der Opfer-
wille der Vergmannsfrauen, die
durchweg nicht nur den Haushalt versorgen
und die Kinder erziehen, sondern auch meist
ziemlich allein schwere Feldarbeit verrichten,
damit das Durchkommen der Familie in der
alten Heimat erleichtert wird. Und gerade
diesen Teil unserer Saarbergleute traf in der
Franzosenzeit besonders schweres Leid. Er
wurde am stärksten vom Belegschaftsabbau
betroffen und war jahrelang arbeitslos.
In ihrer überwiegenden Mehrheit sind
die S a a r b e r g l e u t e auch tief
religiös. Menschen, die nicht entwurzelt
sind, die mit dem nährenden Heimatboden
und mit der Ueberlieferung verwachsen sind,
halten auch fest am Vüterglauben. So fin¬
den wir im Saarbergmann Hei¬
nratliebe und Vaterlandsliebe
gepaart mit gesundem Berufs¬
stolz, mit Gottesglauben und
sehr stark ausgeprägtem Soli-
daritütsgefühl, das frühzeitig
zuhelfenderTatführte. Die heutige
Saarknappschaft ist entstanden aus
freiwillig errichteten, bald 180 Jahre zurück¬
reichenden Bruderladen oder Bru¬
derbüchsen, zur gegenseitigen Unter¬
stützung der Bergleute bzw. ihren Ange¬
hörigen in Tagen der Krankheit und
des Todes. Der Gemeinschaftsgeist
schweißte die Saarbergleute auch bereits in
den Jahren 1889 bis 1893 im Rechts-
fchutzverein zusammen, um den Kamps
aufnehmen zu können für ihre Menschen¬
würde und soziale Ehre. Daraus erwuchs
auch die Tatsache, daß 90 Prozent von den
auf den Saargruben beschäftigten Berg¬
leuten in der Franzosenzeit den deutschen
Bergarbeiterorganisationen an¬
gehörten, ein Prozentsatz an gewerkschaftlich
organisierten Bergleuten, der in keinem
sonstigen Bergbaugebiet der Welt zu ver¬
zeichnen war und einzig und allein von der
im neuen Deutschland geschaffenen deutschen
Arbeitsfront übertroffen wird.
Der bodenständige Charakter
des S a a r b e r g m a n n e s und seine
religiöse Einstellung waren der
beste Schutz gegen das Eindrin¬
gen eines ungesunden Radika¬
lismus. Bei den bergmännischen Ver¬
treterwahlen im Jahre 1930 erhielten z. B.
die deutschen Bergarbeiterorganisationen zu¬
sammen 37 906 gegen nur 1421 kommu¬
nistische Stimmen. Die innerliche Haltung
des Saarbergmannes hat am wesentlichsten
dazu beigetragen, daß sich die Ziele, deren
Durchsetzung die Loslösung des Saargebietes
vom Reiche dienen sollte, nicht verwirklichen
konnten.
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