Full text: 64.1936 (0064)

füp. Er ist kein Entwurzelter. Er will 
kein „Prolet" sein. Er will ein genau so 
geachteter Vollbürger sein wie die Ange¬ 
hörigen irgend eines anderen Standes. 
Die ausgeprägte Liebe zur Heimat- 
scholle und der starke Bürgersinn spiegeln 
sich am klarsten wieder in dem überaus weit 
entwickelten Trieb des Saarbergmanns, in 
den Besitz eines Eigenheims zu gelangen. 
Im Jahre 1913 waren rund 21000 Berg¬ 
leute von 52 000 der preußischen Gruben, 
gleich ^ der verheirateten Belegschaft, Be¬ 
sitzer eines Eigenheimes. Aehnlich war das 
Verhältnis bei der Belegschaft der übrigen 
Gruben. Der Saarbergmann will 
Hauseigentümer sein, weil er erst 
dann die in ihm schlummernden Eigenschaften 
voll entfalten kann. Dieser erfreuliche Cha¬ 
rakterzug, der den Sparsinn weckt und för¬ 
dert, wurde in früherer Zeit vom preußi¬ 
schen und bayrischen Staat durch Bauprämien 
und Gewährung von zinslosen Darlehn stark 
gefördert und unterstützt. Hierdurch wurde 
die Ballung von Menschenmassen mit all 
den damit verbundenen schädlichen Wirkun¬ 
gen in unmittelbarer Nähe der Gruben ver¬ 
hütet, und ermöglicht, daß viele Bergleute 
leichter in den Besitz eines Eigenheimes ge¬ 
langten. Diese Haltung des früheren Arbeit¬ 
gebers kann mit Recht als eine hervor¬ 
ragende soziale und nationale Tat bezeichnet 
werden, deren Segnungen sich besonders in 
der Abtrennungszeit erwiesen haben. 
Die Liebe zur Heimatscholle veranlaßt den 
Saarbergmann, in der Regel in seinem 
Heimatsort auch dann wohnen zu bleiben, 
wenn er stundenweit von der Grube entfernt 
liegt. So kommt es, daß die Saar¬ 
bergleute sich auf mehr als 75 0 
Orte verteilen. Ein starkes Drittel 
der Belegschaft benützt die Eisenbahn, muß 
teilweise oft stundenlang fahren, um täglich 
vom Heimatort zur Grube und wieder zurück 
zu gelangen. Ein kleiner Teil bleibt sogar 
die Woche über in Eruben-Schlafhäusern 
oder in Bürger-Quartieren und fährt nur 
für den Sonntag heim. Ganz außerordentlich 
groß ist auch der Fleiß und der Opfer- 
wille der Vergmannsfrauen, die 
durchweg nicht nur den Haushalt versorgen 
und die Kinder erziehen, sondern auch meist 
ziemlich allein schwere Feldarbeit verrichten, 
damit das Durchkommen der Familie in der 
alten Heimat erleichtert wird. Und gerade 
diesen Teil unserer Saarbergleute traf in der 
Franzosenzeit besonders schweres Leid. Er 
wurde am stärksten vom Belegschaftsabbau 
betroffen und war jahrelang arbeitslos. 
In ihrer überwiegenden Mehrheit sind 
die S a a r b e r g l e u t e auch tief 
religiös. Menschen, die nicht entwurzelt 
sind, die mit dem nährenden Heimatboden 
und mit der Ueberlieferung verwachsen sind, 
halten auch fest am Vüterglauben. So fin¬ 
den wir im Saarbergmann Hei¬ 
nratliebe und Vaterlandsliebe 
gepaart mit gesundem Berufs¬ 
stolz, mit Gottesglauben und 
sehr stark ausgeprägtem Soli- 
daritütsgefühl, das frühzeitig 
zuhelfenderTatführte. Die heutige 
Saarknappschaft ist entstanden aus 
freiwillig errichteten, bald 180 Jahre zurück¬ 
reichenden Bruderladen oder Bru¬ 
derbüchsen, zur gegenseitigen Unter¬ 
stützung der Bergleute bzw. ihren Ange¬ 
hörigen in Tagen der Krankheit und 
des Todes. Der Gemeinschaftsgeist 
schweißte die Saarbergleute auch bereits in 
den Jahren 1889 bis 1893 im Rechts- 
fchutzverein zusammen, um den Kamps 
aufnehmen zu können für ihre Menschen¬ 
würde und soziale Ehre. Daraus erwuchs 
auch die Tatsache, daß 90 Prozent von den 
auf den Saargruben beschäftigten Berg¬ 
leuten in der Franzosenzeit den deutschen 
Bergarbeiterorganisationen an¬ 
gehörten, ein Prozentsatz an gewerkschaftlich 
organisierten Bergleuten, der in keinem 
sonstigen Bergbaugebiet der Welt zu ver¬ 
zeichnen war und einzig und allein von der 
im neuen Deutschland geschaffenen deutschen 
Arbeitsfront übertroffen wird. 
Der bodenständige Charakter 
des S a a r b e r g m a n n e s und seine 
religiöse Einstellung waren der 
beste Schutz gegen das Eindrin¬ 
gen eines ungesunden Radika¬ 
lismus. Bei den bergmännischen Ver¬ 
treterwahlen im Jahre 1930 erhielten z. B. 
die deutschen Bergarbeiterorganisationen zu¬ 
sammen 37 906 gegen nur 1421 kommu¬ 
nistische Stimmen. Die innerliche Haltung 
des Saarbergmannes hat am wesentlichsten 
dazu beigetragen, daß sich die Ziele, deren 
Durchsetzung die Loslösung des Saargebietes 
vom Reiche dienen sollte, nicht verwirklichen 
konnten. 
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