leistet nicht viel auf ihrem Instrument, die
Spielerin, und die Matrosen horchen auch nicht
besonders interessiert auf ihr Spiels sie schauen
auf die Frau, in deren Augen eine lichtlofe
Schwermut liegt.
„Die Frau ist doch Mutter!" Mitten in die
Stille und in-die klagenden Violintöne sind diese
Worte gedrungen. Keiner weiß, wer sie ge¬
sprochen hat, aber sie waren da! Laut und deut¬
lich! Die wetterharten Seemannsgesichter ver¬
ändern sich und als jetzt die schmächtige Frau
mit dem Teller durch die Tische geht, da liegt
manches größere Geldstück zwischen dem Kupfer.
Die Frau hat von Jochem eine Mahlzeit be¬
kommen und will mit ihrem Instrument die
Kneipe verlassen; da steht plötzlich ein riesiger,
breitschultriger Seemann vor ihr. Er nimmt sie
an der Hand und zieht sie neben sich auf die
Bank.
„Hat einer nicht gewußt, was er dir schuldig
ist?" fragt er kurz.
Die Frau schüttelt den Kopf. „Nein," sagt sie
dann mit einer Stimme, in der ungeweinte
Tränen zittern, „mein Mann blieb draußen",
sie macht eine leichte Bewegung nach der See zu.
„Ich habe noch so einen armen Wurm zuhause,"
fährt sie dann fort, „und —", sie kann nicht mehr
sprechen, ein trockenes Schluchzen schüttelt ihren
Körper.
„Mutter!" Der Seemann legt schützend die
Arme um die Frau und preßt die kantige Stirn
an ihr Haar. „Ich war jetzt über ein Jahr auf
See," jagt er stockend, „ich habe seit Jahren für
meine alte Mutter gesorgt und es ist ihr gewiß
nicht schlecht gegangen. Aber diesmal," seine
Stimme wird brüchig, „diesmal habe ich meine
Mutter nur am Kirchhof besuchen können und
da habe ich erst gewußt, was für uns Menschen
eigentlich das Wort „Mutter" bedeutet. Ich
möchte für eine Mutter sorgen, für eine Mutter
sckiaffen dürfen," fährt er fort, „sonst macht mich
die Leere in meinem Dasein, die Heimatlosig¬
keit dort draußen, das Heimweh nach meiner
Mutter noch unfähig zu arbeiten. Willst du dich
und deine Kinder mir anvertrauen? Willst du
dem Heimatlosen das Glück schenken, wieder je¬
mand in der Heimat zu wissen, für den er sorgt
und arbeitet? Denn erst wenn wir Opfer brin¬
gen, wenn wir für etwas kämpfen können, dann
wird die heimatlose Heimat, die für uns die See
ist, erträglich."
Da nimmt die Frau mit einer weichen mütter¬
lichen Bewegung den Kopf des starken Mannes
zwischen die Hände und küßt ihn liebevoll aus
den Mund. „Du großes, großes Kind," sagt sie
innig — und dann mit warmer Sonne in den
Augen: „Das schönste Erleben der Frau ist die
Mutterschaft. Ich werde jetzt drei Kinder be¬
sitzen: eines zuhause, eines unter dem Herzen
und eines dort draußen auf der blauen See."
+
Soldaten!
Ueber den grauen Kanten der bayerischen
Hochberge lastet die Hitze des Sommers. Steine
und Geröll knirschen leise unter den Tritten der
Nagelschuhe eines Bergsteigers, der mühsam
Schritt um Schritt dem Gipfel des grimmigen
Riesen zustrebt, der nur ungerne den winzigen
Fuß der Menschen auf seinem stolzen Nacken
duldet.
Der Bergsteiger scheint sehr ermüdet zu sein.
Ab und zu hebt er den Blick und betrachtet ent¬
zückt die herrliche Fernsicht, sieht hinunter in die
grünen Täler, die zu seinen Füßen liegen und
in die gewaltigen Schluchten, die senkrecht in
finstere Tiefen stürzen.
„Ich glaube, ich bin vom Wege abgekommen!"
sagt er bang vor sich hin und trocknet den
Schweiß von seiner Stirne. „Hunger habe ich
seinen, aber Durst, einen Durst, der an die
Tage des Krieges, an den Schützengraben er¬
innert^ Dabei nirgends eine Quelle, nirgends
ein Tröpfchen Wasier. Vis ich zum Unterkunfts-
iiaus komme, werden immerhin noch ein paar
Stunden vergehen. Aber es muß geschafft wer¬
den, zurück kann ich nicht mehr!"
Immer kantiger werden jetzt die Steine,
immer steiler die Standfläche, immer tiefer das
Geröll. Vollkommen erstorben ist in dieser Höhe
die Vegetation, sie grüßt nur noch mit frohen
Augen herauf aus der Tiefe, bildet eine üppige
Umrahmung zum klaren Spiegel des Sees.
„Das ist kaum noch auszuhalten!" Der Berg¬
steiger setzt sich auf eine Felskante und leckt an
den trockenen Lippen. Wenn nur wenigstens ein
Mensch käme, den ich nach der Richtung und
nach dem Steig fragen könnte. Die Markierung
sehe ich auch nicht mehr!"
Der einsame Tourist mag Ende der Vierzig
zählen. Seine große Gestalt, die klugen Augen
und die Hornbrille deuten auf den geistigen
Arbeiter. Verzweifelt starrt er in die Tiefe.
Nichts rührt sich um ihn, totenstill ist es. Nur
einige schwarze Bergdohlen umkreisen ab und zu
seinen Ruheplatz.
„Was ist denn los, Kamerad?" Freudig über¬
rascht wendet sich der Bergsteiger um. Hinter