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Luthers Familie. 
Wie bei allen großen Männern der Geschichte 
umschließt das Leben ein ganzer Legenden- und 
Sagenkreis. Es ist daher nicht immer leicht, 
aus einem solch dichtrankenden Gestrüpp die 
Wahrheit von der Dichtung herauszuschälen. 
Bei Luther kann man aber fast von einem ge¬ 
heimnisvollen Schicksalskreis, der sein Leben 
umspannte, sprechen. Denn Eisleben, die alte 
mansfeldische Bergmannstadt, wurde sowohl 
Geburts- als auch Todesstadt. Schon damals 
bildete der Kupferbergbau aus den nahen 
Hügeln die Existenzgrundlage der fleißigen Be¬ 
wohner von Eisleben. Und die Mansfelder 
Grafen, die in Eisleben als Hauptort ihrer 
Grafschaft regierten, ließen dem Bergbau ihre 
vollste Förderung zuteil werden. 
Martin Luthers Vater, Hans mit Vornamen, 
hatte bei dessen Geburt nur vorübergehend 
seinen Aufenthalt in der schöngelegenen, auf¬ 
strebenden Stadt. Einige Zeit davor war er 
mit seiner Familie dahin übergesiedelt, um 
einen besseren Erwerb zu finden. Sein vor¬ 
heriger Wohnort war das Dorf Möhra bei 
Eisenach, der Stammsitz der Luther. Dort hatte 
Hans Luther als Abkömmling einer Bauern¬ 
familie selbst, nur mit Bauernarbeit beschäf¬ 
tigt, gelebt. In seinen Tischreden sagte Martin 
Luther einmal: „Mein Urgroßvater, der Gro߬ 
vater und der Vater seien rechte Bauern ge¬ 
wesen". überhaupt ist in Luthers Wesen immer 
viel bäuerliche Derbheit zum Vorschein ge¬ 
kommen. 
Luthers Vater war ein ernster, strenger und 
arbeitsamer Mann. Diesen Eindruck vermittelt 
uns auch Luthers Elternbildnis von Lucas 
Granach dem Alteren. — Das Bild hängt im 
Luthermuseum auf der Wartburg — kräftiger 
Bauernschädel, kluge Augen, pfiffiger Mund 
und kurze, gedrungene Hände, gleichsam das 
typische Abbild des selbstbewußten, energischen 
Arbeitsmannes. Wie der Vater, so mußte auch 
die Mutter, eine geborene Grete Ziegler aus 
dem Fränkischen, stets rauhe Händearbeit ver¬ 
richten. In den geschichtlichen Notizen, die sich 
aber nur sehr spärlich mit ihr befassen, tritt 
sie uns als eine fleißige, aufopfernde Hausfrau 
entgegen. Luther erinnert sich, daß feine Mutter 
das Holz auf dem Rücken heimtrug. Eine liebe¬ 
volle Kindheit hatte allerdings Martin nicht in 
seinem Elternhause gefunden. Wenn er später 
einmal alle Eltern beschwört, bei der Erziehung 
ihrer Kinder „zur Rute den Apfel zu gesellen", 
so spiegelt sich in diesem Ausspruch nur seine 
eigene, traurige und trostlose Jugendzeit wieder. 
„Meine Mutter", so erzählte er einmal, „stäupte 
mich um einer einzigen Nuß willen bis aufs 
Blut". Es ist auch bezeichnend, daß Luther in 
seinem späteren Leben niemals in einer freund¬ 
lichen Erwähnung von seiner Mutter spricht. 
Wie die Mutter, scheint auch der Vater öfters 
in starkem Jähzorn gehandelt zu haben. Bei¬ 
spielsweise wurde dieser, wie Luther selbst be¬ 
richtet, bei dessen Eintritt ins Kloster „ganz 
wild". So ist dem Doktor Martin Luther das 
tröstende Bild der Elternliebe, das die meisten 
Menschen durchs Leben begleitet, versagt ge¬ 
blieben. 
Luthers Eltern waren von dem Dorfe Möhra 
nach Eisleben gezogen in der Hoffnung, bei dem 
Bergbau eine bessere Lebensstellung zu finden. 
Nach einem Wort seines großen Sohnes wurde 
er dort „metallicus" und war ein „armer 
Hauer". Der arme Häuer muß zu Eisleben 
aber nur Fortkommensmöglichkeiten gefunden 
haben. Denn schon ein Jahr nach Martins 
Geburt, im Jahre 1484, wanderte er mit den 
Seinen nach Mansfeld, zu dem Hauptort des 
aufblühenden Bergbaues aus. Wer heute die 
Straße von Eisleben nach Mansfeld geht, ge¬ 
langt durch freundliche Dörfer mit Fachwerk¬ 
häusern, bald zu den Hügeln von Schlacken und 
Steinen und zu den rauchenden Schmelzöfen, 
die jetzt noch das charakteristische Bild der 
zwischen den ansteigenden Hügeln und grünen 
Feldern und Wäldern gelegenen Stadt Mans¬ 
feld bilden. Majestätisch thront rechts auf der 
Höhe das alte Schloß der Mansfelder Grafen. 
Nahe bei der kleinen Talsenkung dehnt sich 
dann links auf ansteigender Fläche die Stadt 
in mäßigem Umfange aus. Eine breite, an¬ 
fangs noch etwas steil ansteigende Straße, zu 
Luthers Zeit wohl die einzige, führt zwischen 
den Häuserreihen hinauf. Rechts stößt man auf 
ein unansehnliches Haus, das als die Wohnung 
von Luthers Eltern bezeichnet wird. Vom alten 
Lutherbau ist jedoch nur noch ein kleiner Teil 
erhalten. Uber der Tür stehen auf einem röt¬ 
lichen Rundbogen die Buchstaben I. L. und die 
Jahreszahl 1530. Dies ist eine Erinnerung an 
Luthers älteren Bruder Jakob, der hier im 
Todesjahr des Vaters fein Eigentumsrecht ver¬ 
ewigt hat. Dieses Haus war für die Eltern 
lange Zeit der Ort sorgenvollen Daseins 
Nach und nach gelang es dem armen Häuer 
Hans Luther aber doch sich empor zu arbeiten. 
Die Eltern haben es sich, wie Luther von seiner 
Jugend sagt, blutsauer werden lassen. Um 1500 
herum trifft man den arbeitsamen Vater als 
Pächter mehrerer „Feuern", d. h. von Schmelz¬ 
öfen und Schachtanteilen an. In dieser Weise 
wurde damals der Bergbau in Pacht, häufig in 
Erbpacht gegeben. Bereits 1491 gehörte Hans 
Luther zu den sogenannten Viermännern seines 
Stadtviertels Und 1502 wird er in einer Ur¬ 
kunde ebenfalls wieder als Viermann erwähnt. 
Die Viermänner oder Viertelsmänner waren 
für die Wahrnehmung der Bezirksinteresien 
dem Rat der Stadt beratend zur Seite gestellt.
	        
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