123
Wär' er hier am Hofe so gut als Ihr, und erfreut' er
Sich des Königs Gnade, fo möcht' es Euch sicher
gereuen,
Dag Ihr fo hämisch gesprochen und alte Geschichten
erneuert.
Aber was Ihr Übels an Reineken selber verübet,
Übergeht Ihr; und doch, es wissen es manche der
Herren,
Wie ihr-zusammen ein Bündnis geschlossen und beide
versprochen
Als zwei gleiche Gesellen zu leben. Das muß ich
erzählen;
Denn im Winter einmal erduldet' er große Ge¬
fahren
Euretwegen. Ein Fuhrmann, er hatte Fische ge¬
laden,
Fuhr die Straße; Ihr spürtet ihn aus und hättet
um alles
Gern von der Ware gegessen; doch fehlt' es Euch
leider am Gelde.
Da beredetet Ihr den Oheim, er legte sich listig
Grade für tot in den Weg. Es war beim Himmel
ein kühnes
Abenteuer! Doch merket was ihm für Fische ge¬
worden.
Und der Fuhrmann kam und sah im Gleise den
Oheim,
Herr Rabe auf dem Baume hockt,
2m Schnabel einen Käs
Hastig zog er sein Schwert, ihm eins zu versetzen:
der Kluge
Rührt' und regte sich nicht, als wär' er gestorben;
der Fuhrmann
Wirft ihn auf seinen Karren und freut sich des
Balges im voraus.
Ja, das wagte mein Oheim für Isegrim; aber der
Fuhrmann
Fuhr dahin und Reineke warf von den Fischen
herunter.
Isegrim kam von ferne geschlichen, verzehrte die
Fische.
Reineken mochte nicht länger zu fahren belieben:
er hub sich,
Sprang vom Karren und wünschte nun auch von der
Beute zu speisen.
Aber Isegrim hatte sie alle verschlungen; er hatte
über Rot sich beladen, er wollte bersten. Die Gräten
Ließ er allein zurück und bot dem Freunde den Rest
an.
Roch ein anderes Stückchen! auch dies erzähl' ich
Euch wahrhaft.
Reineken war es bewußt, bei einem Bauer am
Nagel
Hing ein gemästetes Schwein, erst heute geschlachtet;
das sagt' er
Treu dem Wolfe: sie gingen dahin, Gewinn und Ge¬
fahren
Redlich zu teilen. Doch Müh' und Gefahr trug jener
alleine.
Denn er kroch zum Fenster hinein und warf mit Be¬
mühen
Die gemeinsame Beute dem Wolf herunter; zum Un¬
glück
Waren Hunde nicht fern, die ihn im Hause ver¬
spürten,
Und ihm wacker das Fell zerzausten. Verwundet ent¬
kam er,
Eilig sucht' er Isegrim auf und klagt' ihm sein
Leiden,
Und verlangte sein Teil. Da sagt jener: Ich habe
Dir ein köstliches Stück verwahrt; nun mache dich
drüber
Und benage mir's wohl; wie wird das Fette dir
schmecken!
Und er brachte das Stück; das Krummholz war es,
der Schlächter
Hatte daran das Schwein gehängt; der köstliche
Braten
War vom gierigen Wolfe, dem ungerechten, ver¬
schlungen.
Reineke konnte vor Zorn nicht reden, doch was er
sich dachte
Denket euch selbst. Herr König, gewiß, daß hundert
und drüber
Solcher Stückchen der Wolf an meinem Oheim ver¬
schuldet!
Aber ich schweige davon. Wird Reineke selber ge¬
fordert,
Wird er sich besser verteid'gen.
Weiter sagte der Dachs: „Nun kommt das Märchen
vom Hasen!
Eitel leeres Gewäsche! Den Schüler sollte der
Meister
Etwa nicht züchtigen, wenn er nicht merkt und übel
bestehet?
Sollte man nicht die Knaben bestrafen und ginge
der Leichtsinn,