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donck. An eine Vereinigung war jedoch nicht zu
denken, da Wagner wie Mathilde Wesendonck
verheiratet waren. Aber aus dieser Liebe er¬
wuchsen Wagner die Schaffenskräfte, denen wir
das hohe Lied der Liebe „Tristan und Isolde"
verdanken. Erwähnt sei hier noch, daß kurz
vor seiner Flucht aus Deutschland Wagner in
Liszt einen treuen Freund gefunden hatte, der
ihn verstand und mit unermüdlichem Eifer für
ihn wirkte. Von Weimar aus eroberten sich
Wagners Werke fast alle deutschen Bühnen,
während sie erst nach Jahren in die Schweiz
gelangten. Zwischendurch versuchte Wagner
mehrere Male in Paris festen Fuß zu fassen,
doch kehrte er jedesmal enttäuscht nach Zürich
zurück. Besonders „Tannhäuser" an der Pa¬
riser Oper fand eine kühle Aufnahme.
In den ersten Jahren seines Züricher Aufent¬
haltes vollendete Wagner den Text zu der
großen „Tetralogie" „Der Ring des Nibe¬
lungen", deren Komposition jedoch endgültig
erst nach seiner Rückkehr nach Deutschland in
Angriff genommen wurde. 1850 finden wir
Wagner in London, wo er die Konzerte der
„Philharmonischen Gesellschaft" leitete.
Als Wagner nach mehr als neun Jahren
in die Heimat zurückkehrte, war er gezwungen,
seinen Unterhalt durch Konzertreisen, die ihn
bis nach Petersburg, Moskau, Pest und Prag
führten, zu verdienen. Während eines längeren
Aufenthaltes zu Biebrich am Rhein jedoch
begann er seine „Meistersinger von Nürnberg".
Erst als im Jahre 1864 König Ludwig II von
Bayern den Thron bestieg, schien Wagners Zu¬
kunft gesichert. Dieser junge König, mit dem
Wagner in edelster Freundschaft verbunden
war, liebte ihn mit aller Glut jugendlicher
Begeisterung. Er berief Wagner nach München
und schenkte ihm eine Villa am Starnberger
See, wo er ungestört seiner Arbeit leben
sollte. Aus Dankbarkeit widmete Wagner
dem König einen „Huldigungsmarsch" und
nahm besonders für ihn die Komposition des
„Ringes des Nibelungen" wieder auf. Kurz
nach Wagner wurde auch dessen Schüler und
Freund Hans von Bülow in München an¬
gestellt, unter dessen Leitung am 10. Juni 1865
„Tristan und Isolde" zum ersten Male auf¬
geführt wurde.
Schon wenige Monate später, durch nieder¬
trächtige Entstellung seines Verhältnisses zum
König und durch böse Verleumdung gezwungen,
verließ Wagner München und ließ sich nach
kurzem Aufenthalt in Genf uni) Südfrankreich
in Tribschen bei Luzern nieder, wo er in stiller
Einsamkeit seiner künstlerischen Arbeit leben
konnte. Hier vollendete er seine „Meistersinger"
und arbeitete nebenher an der Komposition des
„Ringes des Nibelungen". In diese Zeit fielen
auch wichtige Ereignisse seines Lebens. 1866
starb seine schon mehrere Jahre von ihm ge¬
trennt lebende Frau Minna zu Dresden. Schon
zu. jener Zeit gehörte seine ganze Leidenschaft
der Gattin seines Freundes Hans von Bülow
und Tochter Franz Liszts, Eosima. Diese ver¬
ließ nun ihren Gatten und verheiratete sich
1869 mit Wagner, dem sie 1871 einen Sohn,
Siegfried, schenkte.
Mittlerweile waren in München „Die Mei-
stersinger von Nürnberg" uraufgeführt worden,
womit Wagner den Beweis erbracht hatte, daß
seine Resormgedanken sich auch für die heitere
Oper eigneten. Die Musik paßt sich vollkommen
der Handlung an und enthält dennoch geschlos¬
sene Stücke wie Walthers Preislied, Hans
Sachsens Schusterlied, die Chöre und Tänze der
Festwiesenszene.
Nun ging Wagner an die Vollendung seines
umfangreichsten Werkes, des „Ringes des Nibe¬
lungen". Dieses aus vier Teilen („Das Rhein¬
gold", die Walküre", „Siegfried", „Götterdäm¬
merung") bestehende Riesenwerk knüpft an die
Grundgedanken der ältesten germanischen Epen
an und enthält die Götter- und Heldensagen
aus grauer Vorzeit. In ihnen zeigt Wagner,
daß alles Elend der Welt von der verderblichen
Macht des Goldes kommt; die Welt findet Er¬
lösung erst, wenn das Gold wieder auf dem
Grunde des Rheines ruht. Der die Macht des
Goldes verkörpernde Ring wird den Rhein¬
töchtern von dem Zwerge Alberich geraubt, ge¬
langt dann in den Besitz der Götter und weiter
in die Hände der Riesen. Von diesen gewinnt
ihn Held Siegfried, welcher ihn Wotans Tochter
Brünhilde als Liebespfand schenkt. An Sieg¬
fried zurückgefallen bringt er diesem den Tod
durch Hägens Meuchelmord. Brünhilde nimmt
alsdann den Ring wieder an sich, um ihn den
Töchtern des Rheines zurückzugeben. Dieses
große Werk stellt an die Sänger außergewöhn¬
liche Anforderungen. Die Fächer des „Helden¬
tenors" und der „hochdramatischen Sängerin"
sind geradezu von Wagner erst geschaffen
worden. Wagner bezeichnet den „Ring des
Nibelungen" als „Bühnenfestspiel". Die Ur¬
aufführung fand bei Einweihung des Festspiel¬
hauses in Bayreuth, das mit Hilfe eines Ver¬
eins der Freunde Wagners Kunst und unter
dem treuen Beistände König Ludwigs II. eigens
zu diesem Zwecke errichtet worden war, am
13. August 1876 statt.
Zu erwähnen bleibt noch Wagners letztes
Werk, das Bühnenweihfestspiel „Parsifal", ein
religiös-mystisches Drama, zur Ertötung der
sinnlich-sündigen Begierde und Betätigung des
erlösenden Mitleids mahnend. Die Dichtung
vollendete Wagner im Februar 1877, während
er erst im Januar 1882 die gesamte Partitur