Full text: 61.1933 (0061)

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donck. An eine Vereinigung war jedoch nicht zu 
denken, da Wagner wie Mathilde Wesendonck 
verheiratet waren. Aber aus dieser Liebe er¬ 
wuchsen Wagner die Schaffenskräfte, denen wir 
das hohe Lied der Liebe „Tristan und Isolde" 
verdanken. Erwähnt sei hier noch, daß kurz 
vor seiner Flucht aus Deutschland Wagner in 
Liszt einen treuen Freund gefunden hatte, der 
ihn verstand und mit unermüdlichem Eifer für 
ihn wirkte. Von Weimar aus eroberten sich 
Wagners Werke fast alle deutschen Bühnen, 
während sie erst nach Jahren in die Schweiz 
gelangten. Zwischendurch versuchte Wagner 
mehrere Male in Paris festen Fuß zu fassen, 
doch kehrte er jedesmal enttäuscht nach Zürich 
zurück. Besonders „Tannhäuser" an der Pa¬ 
riser Oper fand eine kühle Aufnahme. 
In den ersten Jahren seines Züricher Aufent¬ 
haltes vollendete Wagner den Text zu der 
großen „Tetralogie" „Der Ring des Nibe¬ 
lungen", deren Komposition jedoch endgültig 
erst nach seiner Rückkehr nach Deutschland in 
Angriff genommen wurde. 1850 finden wir 
Wagner in London, wo er die Konzerte der 
„Philharmonischen Gesellschaft" leitete. 
Als Wagner nach mehr als neun Jahren 
in die Heimat zurückkehrte, war er gezwungen, 
seinen Unterhalt durch Konzertreisen, die ihn 
bis nach Petersburg, Moskau, Pest und Prag 
führten, zu verdienen. Während eines längeren 
Aufenthaltes zu Biebrich am Rhein jedoch 
begann er seine „Meistersinger von Nürnberg". 
Erst als im Jahre 1864 König Ludwig II von 
Bayern den Thron bestieg, schien Wagners Zu¬ 
kunft gesichert. Dieser junge König, mit dem 
Wagner in edelster Freundschaft verbunden 
war, liebte ihn mit aller Glut jugendlicher 
Begeisterung. Er berief Wagner nach München 
und schenkte ihm eine Villa am Starnberger 
See, wo er ungestört seiner Arbeit leben 
sollte. Aus Dankbarkeit widmete Wagner 
dem König einen „Huldigungsmarsch" und 
nahm besonders für ihn die Komposition des 
„Ringes des Nibelungen" wieder auf. Kurz 
nach Wagner wurde auch dessen Schüler und 
Freund Hans von Bülow in München an¬ 
gestellt, unter dessen Leitung am 10. Juni 1865 
„Tristan und Isolde" zum ersten Male auf¬ 
geführt wurde. 
Schon wenige Monate später, durch nieder¬ 
trächtige Entstellung seines Verhältnisses zum 
König und durch böse Verleumdung gezwungen, 
verließ Wagner München und ließ sich nach 
kurzem Aufenthalt in Genf uni) Südfrankreich 
in Tribschen bei Luzern nieder, wo er in stiller 
Einsamkeit seiner künstlerischen Arbeit leben 
konnte. Hier vollendete er seine „Meistersinger" 
und arbeitete nebenher an der Komposition des 
„Ringes des Nibelungen". In diese Zeit fielen 
auch wichtige Ereignisse seines Lebens. 1866 
starb seine schon mehrere Jahre von ihm ge¬ 
trennt lebende Frau Minna zu Dresden. Schon 
zu. jener Zeit gehörte seine ganze Leidenschaft 
der Gattin seines Freundes Hans von Bülow 
und Tochter Franz Liszts, Eosima. Diese ver¬ 
ließ nun ihren Gatten und verheiratete sich 
1869 mit Wagner, dem sie 1871 einen Sohn, 
Siegfried, schenkte. 
Mittlerweile waren in München „Die Mei- 
stersinger von Nürnberg" uraufgeführt worden, 
womit Wagner den Beweis erbracht hatte, daß 
seine Resormgedanken sich auch für die heitere 
Oper eigneten. Die Musik paßt sich vollkommen 
der Handlung an und enthält dennoch geschlos¬ 
sene Stücke wie Walthers Preislied, Hans 
Sachsens Schusterlied, die Chöre und Tänze der 
Festwiesenszene. 
Nun ging Wagner an die Vollendung seines 
umfangreichsten Werkes, des „Ringes des Nibe¬ 
lungen". Dieses aus vier Teilen („Das Rhein¬ 
gold", die Walküre", „Siegfried", „Götterdäm¬ 
merung") bestehende Riesenwerk knüpft an die 
Grundgedanken der ältesten germanischen Epen 
an und enthält die Götter- und Heldensagen 
aus grauer Vorzeit. In ihnen zeigt Wagner, 
daß alles Elend der Welt von der verderblichen 
Macht des Goldes kommt; die Welt findet Er¬ 
lösung erst, wenn das Gold wieder auf dem 
Grunde des Rheines ruht. Der die Macht des 
Goldes verkörpernde Ring wird den Rhein¬ 
töchtern von dem Zwerge Alberich geraubt, ge¬ 
langt dann in den Besitz der Götter und weiter 
in die Hände der Riesen. Von diesen gewinnt 
ihn Held Siegfried, welcher ihn Wotans Tochter 
Brünhilde als Liebespfand schenkt. An Sieg¬ 
fried zurückgefallen bringt er diesem den Tod 
durch Hägens Meuchelmord. Brünhilde nimmt 
alsdann den Ring wieder an sich, um ihn den 
Töchtern des Rheines zurückzugeben. Dieses 
große Werk stellt an die Sänger außergewöhn¬ 
liche Anforderungen. Die Fächer des „Helden¬ 
tenors" und der „hochdramatischen Sängerin" 
sind geradezu von Wagner erst geschaffen 
worden. Wagner bezeichnet den „Ring des 
Nibelungen" als „Bühnenfestspiel". Die Ur¬ 
aufführung fand bei Einweihung des Festspiel¬ 
hauses in Bayreuth, das mit Hilfe eines Ver¬ 
eins der Freunde Wagners Kunst und unter 
dem treuen Beistände König Ludwigs II. eigens 
zu diesem Zwecke errichtet worden war, am 
13. August 1876 statt. 
Zu erwähnen bleibt noch Wagners letztes 
Werk, das Bühnenweihfestspiel „Parsifal", ein 
religiös-mystisches Drama, zur Ertötung der 
sinnlich-sündigen Begierde und Betätigung des 
erlösenden Mitleids mahnend. Die Dichtung 
vollendete Wagner im Februar 1877, während 
er erst im Januar 1882 die gesamte Partitur
	        
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