127
fünften: gar eine grobe
Unvernunft sei es, daß
manche Eltern auch noch
den Kindern zu Haufe
von allen Trachten und
Gerichten einen Anteil
schicken,' „daher kömpts
auch, das man keine
fchüffel vol gnung machen
kan". Zum sechsten: wenn
der Bräutigam „nach
alter deutscher Höflich¬
keit" von Tisch zu Tisch
geht und durch einen der
Werber (= Hochzeits-
lader) die Gäste auffor¬
dert. es sich fröhlich zu
machen, glaubt jeder, er
muffe dem Bräutigam
„ein gantzes oder ein
halbes bringen": das
Ende fei, daß der Bräuti¬
gam bezecht werde. Zum
siebten: -wenn man einem
schönen Brauch folgend,
„von wegen der armen
Leute die Büchse lesset
über die Tische tragen",
so ist mancher viel eher
geneigt, Gauklern und
Spielleuten zu geben als
dem armen Lazero. Zum
achten: statt wie früher
Sänger, Harfen. Leiern,
Lauten, Geigen oder
Pfeifen zur Erheiterung
der Gäste zu verwenden,
gebrauche man jetzt ge¬
meiniglich die Trommel,
die doch mehr zum Kriege
denn zur Fröhlichkeit gerichtet fei, und mache damit
den Gästen mehr Beschwerde denn Kurzweil. Zum
neunten: das lange „Tischen" soll nicht geduldet
werden; es fei vielen, namentlich den Alten und
Schwangeren, beschwerlich, dem jungen Volk aber
nachteilig. Zum zehnten: gegen den großen Über¬
fluß an Kuchen sollte die Obrigkeit einschreiten.
Zum elften: ein „ganz nutzloser Pracht" werde
getrieben „mit den Schauessen von Wachs, Bildwerk
und anderer Materia zugerichtet, deren man nicht
genießen noch davon essen kann". Spangenberg
rügte im Laufe seiner Predigt noch etlicher Bräuche,
„so nach geschehener Mahlzeit fürfallen". Erstlich
will ihm das Brauthuhn nicht behagen, das ist „ein
Vildnus von Butter, Wachs oder sonst (einem Stoff)
zugericht", das nach Beendigung des Mahles in
einer Schüssel herumgereicht werde und nur dazu
diene, die Hochzeit hinauszuschieben. (Die Magde¬
burger Hochzeitsordnung vom 1544 schaffte mit
einem gemessenen Befehl „das mit Fähnchen ge¬
schmückte Brauthuhn" ab.) Zum andern: nach dem
Mahl werde das Becken herumgereicht, in das jeder
Gast dem Bräutigam feine Verehrung einlege.
Früher habe dieses Geschenk den Zweck gehabt, dem
jungen Ehepaar über den schwierigen Anfang hin¬
wegzuhelfen. Jetzt betrachte man den halben Taler
oder halben Gulden, den man opfere, als eine Ent¬
schädigung für die Teil¬
nahme am Hochzeits¬
mahl, esse und trinke
aber so unbändig, daß
der Bräutigam von dem
Geschenk mehr Schaden
als Nutzen habe. Zum
dritten: nach der Ver¬
ehrung gehe man zum
Tanz; der Hochzeitstanz
sei aber mit so vielen
Mißbräuchen überwuchert,
daß er in einer eigenen
Predigt behandelt wer¬
den müsse. Zum vierten:
viele gehen nicht zum
Tanz und bleiben sitzen;
aber sie beginnen nun
„aus freiem Fürsatz" ein
derartig tolles 'Wett¬
saufen, daß man glaube,
nicht mehr Menschen vor
sich zu haben, sondern
„recht grobe, garstige,
unflätige Säue; andere
fangen an zu spielen und
einander das Geld abzu¬
gewinnen; wieder andere
erlustigen sich an Gauk¬
lern, Stocknarren, Häm¬
merlingsknechte (— Pos¬
senreißer) und ihren un¬
züchtigen Spässen" zum
höchsten Ärgernis der um¬
stehenden Jugend".—Es ist
begreiflich, daß solche Hoch¬
zeiten unmäßig viel Geld
verschlangen. Bartholo¬
mäus Sastrow verfügte
nach seiner Hochzeit, die
er 1551 zu Greifswald mit der Schwester des
dortigen Bürgermeisters hielt, noch über einen
ganzen lübischen (lübeckifchen) Goldgulden: „ich ver¬
tat mit meiner Hochzeit, meinen Kleidern und was
sonst noch dazu gehörte, alles, was ich verdient
hatte", bemerkt er selbst in seiner Lebens¬
geschichte. So hat der Wernigeroder Pfarrer
Andreas Schoppius wohl recht, wenn er in seinem
„1riumpbu8 muliebrig" 1604 feststellt, „daß mancher
sich von wegen der Hochzeit dermaßen mit Schulden
beladet, daß er viele Jahre, wo nicht die ganze
Zeit seines Lebens ein armer Mann ist". Es wurden
jedoch nicht nur die Brautleute selbst, sondern auch
die Gäste durch die Hochzeiten über Gebühr be¬
schwert. Suchte doch jeder möglichst prunkvoll auf¬
zutreten und es den andern mit Geschenken an die
Brautleute zuvorzutun.
Die Obrigkeiten sahen sich schon um deswillen
zu einer Begrenzung des Aufwandes bei den Hoch¬
zeiten gezwungen, weil man in den unteren Schich¬
ten recht vernehmlich über solch sündhaften Luxus
der Besitzenden murrte.
Ans dem II. Band der „Deutschen Kulturgeschichte"
von Friedrich Zoepsl. Verlag Herder in Fretburg tm Breis¬
gau. (Mit vielen Bildern Lex.-8« 73t Seiten. 28 M.) Dieser
II. Band bildet den Abschluß des prachtvollen, in bestem Sinne
volkstümlichen Werkes.
Hoch?eitstän)er
Stich von Heinrich Aldegrever 0 538).