Full text: 61.1933 (0061)

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fünften: gar eine grobe 
Unvernunft sei es, daß 
manche Eltern auch noch 
den Kindern zu Haufe 
von allen Trachten und 
Gerichten einen Anteil 
schicken,' „daher kömpts 
auch, das man keine 
fchüffel vol gnung machen 
kan". Zum sechsten: wenn 
der Bräutigam „nach 
alter deutscher Höflich¬ 
keit" von Tisch zu Tisch 
geht und durch einen der 
Werber (= Hochzeits- 
lader) die Gäste auffor¬ 
dert. es sich fröhlich zu 
machen, glaubt jeder, er 
muffe dem Bräutigam 
„ein gantzes oder ein 
halbes bringen": das 
Ende fei, daß der Bräuti¬ 
gam bezecht werde. Zum 
siebten: -wenn man einem 
schönen Brauch folgend, 
„von wegen der armen 
Leute die Büchse lesset 
über die Tische tragen", 
so ist mancher viel eher 
geneigt, Gauklern und 
Spielleuten zu geben als 
dem armen Lazero. Zum 
achten: statt wie früher 
Sänger, Harfen. Leiern, 
Lauten, Geigen oder 
Pfeifen zur Erheiterung 
der Gäste zu verwenden, 
gebrauche man jetzt ge¬ 
meiniglich die Trommel, 
die doch mehr zum Kriege 
denn zur Fröhlichkeit gerichtet fei, und mache damit 
den Gästen mehr Beschwerde denn Kurzweil. Zum 
neunten: das lange „Tischen" soll nicht geduldet 
werden; es fei vielen, namentlich den Alten und 
Schwangeren, beschwerlich, dem jungen Volk aber 
nachteilig. Zum zehnten: gegen den großen Über¬ 
fluß an Kuchen sollte die Obrigkeit einschreiten. 
Zum elften: ein „ganz nutzloser Pracht" werde 
getrieben „mit den Schauessen von Wachs, Bildwerk 
und anderer Materia zugerichtet, deren man nicht 
genießen noch davon essen kann". Spangenberg 
rügte im Laufe seiner Predigt noch etlicher Bräuche, 
„so nach geschehener Mahlzeit fürfallen". Erstlich 
will ihm das Brauthuhn nicht behagen, das ist „ein 
Vildnus von Butter, Wachs oder sonst (einem Stoff) 
zugericht", das nach Beendigung des Mahles in 
einer Schüssel herumgereicht werde und nur dazu 
diene, die Hochzeit hinauszuschieben. (Die Magde¬ 
burger Hochzeitsordnung vom 1544 schaffte mit 
einem gemessenen Befehl „das mit Fähnchen ge¬ 
schmückte Brauthuhn" ab.) Zum andern: nach dem 
Mahl werde das Becken herumgereicht, in das jeder 
Gast dem Bräutigam feine Verehrung einlege. 
Früher habe dieses Geschenk den Zweck gehabt, dem 
jungen Ehepaar über den schwierigen Anfang hin¬ 
wegzuhelfen. Jetzt betrachte man den halben Taler 
oder halben Gulden, den man opfere, als eine Ent¬ 
schädigung für die Teil¬ 
nahme am Hochzeits¬ 
mahl, esse und trinke 
aber so unbändig, daß 
der Bräutigam von dem 
Geschenk mehr Schaden 
als Nutzen habe. Zum 
dritten: nach der Ver¬ 
ehrung gehe man zum 
Tanz; der Hochzeitstanz 
sei aber mit so vielen 
Mißbräuchen überwuchert, 
daß er in einer eigenen 
Predigt behandelt wer¬ 
den müsse. Zum vierten: 
viele gehen nicht zum 
Tanz und bleiben sitzen; 
aber sie beginnen nun 
„aus freiem Fürsatz" ein 
derartig tolles 'Wett¬ 
saufen, daß man glaube, 
nicht mehr Menschen vor 
sich zu haben, sondern 
„recht grobe, garstige, 
unflätige Säue; andere 
fangen an zu spielen und 
einander das Geld abzu¬ 
gewinnen; wieder andere 
erlustigen sich an Gauk¬ 
lern, Stocknarren, Häm¬ 
merlingsknechte (— Pos¬ 
senreißer) und ihren un¬ 
züchtigen Spässen" zum 
höchsten Ärgernis der um¬ 
stehenden Jugend".—Es ist 
begreiflich, daß solche Hoch¬ 
zeiten unmäßig viel Geld 
verschlangen. Bartholo¬ 
mäus Sastrow verfügte 
nach seiner Hochzeit, die 
er 1551 zu Greifswald mit der Schwester des 
dortigen Bürgermeisters hielt, noch über einen 
ganzen lübischen (lübeckifchen) Goldgulden: „ich ver¬ 
tat mit meiner Hochzeit, meinen Kleidern und was 
sonst noch dazu gehörte, alles, was ich verdient 
hatte", bemerkt er selbst in seiner Lebens¬ 
geschichte. So hat der Wernigeroder Pfarrer 
Andreas Schoppius wohl recht, wenn er in seinem 
„1riumpbu8 muliebrig" 1604 feststellt, „daß mancher 
sich von wegen der Hochzeit dermaßen mit Schulden 
beladet, daß er viele Jahre, wo nicht die ganze 
Zeit seines Lebens ein armer Mann ist". Es wurden 
jedoch nicht nur die Brautleute selbst, sondern auch 
die Gäste durch die Hochzeiten über Gebühr be¬ 
schwert. Suchte doch jeder möglichst prunkvoll auf¬ 
zutreten und es den andern mit Geschenken an die 
Brautleute zuvorzutun. 
Die Obrigkeiten sahen sich schon um deswillen 
zu einer Begrenzung des Aufwandes bei den Hoch¬ 
zeiten gezwungen, weil man in den unteren Schich¬ 
ten recht vernehmlich über solch sündhaften Luxus 
der Besitzenden murrte. 
Ans dem II. Band der „Deutschen Kulturgeschichte" 
von Friedrich Zoepsl. Verlag Herder in Fretburg tm Breis¬ 
gau. (Mit vielen Bildern Lex.-8« 73t Seiten. 28 M.) Dieser 
II. Band bildet den Abschluß des prachtvollen, in bestem Sinne 
volkstümlichen Werkes. 
Hoch?eitstän)er 
Stich von Heinrich Aldegrever 0 538).
	        
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