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dem Rufe ihres Kaisers und des Vaterlandes
felgend, gedient, und, von ebensoviel Ruhm als
Wunden bedeckt, von dem Felde der Ehre in die
Arme ihrer Eltern zurückgekehrt waren, mit einer
gleichen Anzahl tugendhafter Jungfrauen des
Kaisereiches verehelicht, und letztere ausgestattet
werden sollten, und zwar jede mit 600 Fr. aus dem
außerordentlichen Kammergute Sr. K. K. Majestät.
Im diesseitigen Cantone wurde diese Ehre dem
Anton Knall, aus St. Wendel, zugedacht, welcher,
obgleich erst 32 Jahre alt, nichtsdestoweniger bereits
10 Va Jahr in dem 7. Husaren-Regiment mit Ehre
und Ruhm gedient, und hierauf noch 3 Jahre als
Corporal in dem tapferen Bataillon der Lba88eur8
ir?neai8 gestanden hatte, und an seinem Körper
vielfältige Beweise seines Muthes und seiner
Tapferkeit trug.
Als seine Zukünftige wurde die Jungfrau
Susanna Rieffer, welche sich ebensosehr durch ihr
gutes Betragen als durch ihre Arbeitsamkeit
empfahl, von der betr. Commission erwählt". —
Diese Hochzeit wurde als öffentliches Fest gefeiert
am 23. April 1810. Die Festredner waren der da¬
malige Maire Carl Cetto, ein um die Stadt
St. Wendel hoch verdienter Mann, und die Priester
Carl Heinrich Wendel d'Hame, geistlicher Pensionär
und Lastello, Pfarrer zu St. Wendel.
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Und nun die zweite Episode. — Durch den Wiener
Kongreß wurde bekanntlich die St. Wendeler
Gegend dem Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-
Gotha zugesprochen, um ihn für seine Anstrengungen
für die Sache der gegen Napoleon I. verbündeten
Macht zu belohnen. Derselbe war darüber keineswegs
erfreut, aber „die Bemühungen, um den in Artikel
50 der Wiener Longreßacte vorgesehenen Umtausch
des neu erworbenen Landes . . . konnten zu keinem
Resultat führen, und so mußte der Herzog daher den
überwiesenen Distrikt in Besitz nehmen resp. auf
Übergabe desselben antragen".
Durch Patent vom 11. September 1816 erfolgte
dies und 1819 erhielt der Distrikt den Namen
„Fürstentum L i ch t e n b e r g" „nach der im
Canton Baumholder befindlichen uralten Burg
Lichtenberg, welche schon in frühesten Zeiten
der Sitz der Regenten war". —
Eine kurze Blüte sollte St. Wendel noch einmal
erleben, als 1824 die Herzogin Louise, nach
längerem ehelichen Unfrieden sich von ihrem Ge¬
mahl trennte und St. Wendel zu ihrer Residenz
wählte. Sie verheiratete sich hier erneut mit ihrem
Stallmeister, einem früheren Offizier Namens
Haustein, welchem in der Folge der Namen eines
Grafen von Pölzig beigelegt wurde. Leider starb
sie schon 1831. *)
Dann kam 1832 und mit ihm die Feier des
„deutschen Mai" der freiheitsdurstigen St. Wendeler,
ein „Maifest", welches zugleich ein kleines Bild und
Andenken des großen Völkerfestes zu Hambach fein
sollte.
*) Die St. Wendeler Bürger wollten die Überführung der
Leiche nach Coburg nicht zulassen, stahlen und verbargen zu¬
nächst den Sarg.
Indes der Freiheitsbaum sollte von der Coburger
Polizei beseitigt werden, und da die Bürger darüber
murrten, „da schrieen nun die Herren von der Ver¬
waltung laut Uber Anarchie, Gesetzlosigkeit,
Empörung während die Bürger 8 Jahre über die
Gesetzlosigkeit des Gouvernement vergebens geklagt
hatten.
Der Oberbürgermeister erhielt nun von der herzog¬
lichen Regierung den Befehl, den Baum auf jede
mögliche Art wegzuräumen. Dieses aber erfüllte
alle Bürger, den jüngsten wie den ältesten, den
raschesten wie den besonnensten, mit dem größten
Mißfallen und dem tiefsten Unwillen. Dicht drüng-
ten sich Männer und Jünglinge um den Baum,
damit dieses unschuldige Symbol des Festes, das
kein Gesetz verbieten konnte, vertheidigten und
beschützen.
Angesehene Bürger eilten zum Oberbürgermeister,
um diesen zur Erhaltung des Baumes zu vermögen.
Dieser aber berief sich auf höheren Befehl, und be¬
gab sich mit jenen Bürgern auf den Platz des
Baumes, um zuerst auf gütlichem Wege die Ent¬
fernung des Baumes zu bewirken. Allein alle
Würger, der Jüngling wie der Mann, bestanden auf
ihrem guten Rechte, nach welchem dieser Baum, als
ein unschuldiges Symbol des Festes, als kein Zeichen
der Empörung, als ein auf Privatboden gepflanzter
Baum stehen müsse. Der Oberbürgermeister, viel¬
leicht diese Ansicht nicht theilend, oder glaubend,
dem Befehle der herzogl. Regierung Folge leisten
zu müssen, erschien darauf mit der Gensdarmerie.
Nachdem er dreimal im Namen des Gesetzes auf-
gefordet hatte, den Baum zu entfernen, schritten
die Gensdarmen zum gewaltsamen Abhauen des¬
selben.
Die Bürger, sonst wohl immer streng dem Gesetze
Folge leistend, in diesem Baume aber nichts Un¬
gesetzliches erblickend, drängten, jedoch ohne Waffen
und ohne gewaltsame Thätlichkeiten, die Eens-
darmen zurück, denen auch zugleich der Oberbürger¬
meister den freiwilligen Rückzug befahl. Zwei
Knaben allein überwältigten einen Gensdarmen,
als dieser mit groben Kolbenschlägen die Menge
zerstreuen wollte". —
Auf Veranlassung des Oberbürgermeisters wurde
ein Komitee von 25 Mitgliedern gebildet, das mit
der Regierung verhandeln sollte. Diese aber rief
die militärische Hilfe des benachbarten Preußens
an» und unter dem Schutz und der Deckung der
preußischen Bajonette wurde „die Ordnung" wieder
hergestellt, eine ganze Anzahl der hervorragendsten
Bürger vor Gericht gebracht, und dann erließ der
Herzog eine Proklamation, in der es hieß:
„Wir haben Unseren .... Generalcommissarius
mit den nötigen Vollmachten versehen alles anzu¬
ordnen und — nöthigen Falls unter Beibehaltung
der militairischen Unterstützung der beigezogenen
Kcnigl. Preuß. Truppen — aus- und durchzuführen,
was notwendig und nützlich sein mag. Doch
geben Wir uns .... sehr gern der Hoffnung
und Erwartung hin, daß auch ohne die Uns
sehr schmerzlich fallende fernerweite Anwendung
dieses letzten Mittels, die gesetzliche Ordnung
durch gehörige Verständigung der Irregeführten
und ruhige Überlegung über die Gesetzwidrigkeit