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form" war auch damals nur ein Festschmuck Aber
wir wollen nicht vergessen, datz der Mann, der
damals die Erzählungen des Bergmannskalenders
schrieb, im Gegensatz zu den mehr gut gemeinten
als gelungenen Bildern doch recht häufig seine
Motive wirklich aus dem Bergmannsstande holte,
und datz er das auch wohl sehr gut konnte und dem
Veramannsleben durchaus Verständnis entgegen¬
brachte. Denn es war ein Mann, der in unserem
Lande lebte und wirkte, eine als Lehrer wie als
Mensch gleich ausgezeichnete, bei seinen Mitbürgern
mit Recht angesehene und überaus volkstümliche
Persönlichkeit: Wilhelm Fischer.
Der war damals Rektor der höheren Bürgerschule
in Ottweiler. Herr Mittelschullehrer Friedrich
Maraardt in Saarbrücken hat im letzten Jahre
eine Studie über ihn veröffentlicht*), der wir
folgendes entnehmen:
„Wilhelm Fischer wurde am 28. Februar 1833
in Wermelskirchen im Bergischen geboren. Weil
seine Eltern arm waren, mutzte er die höhere Schule
schon mit dem fünfzehnten Lebensjahr verlassen
und sich sein Brot selbst verdienen. Fischer war
mit zwölf Jahren zum ersten Mal gedruckt worden.
Lewin Schücking (damals bekannter Romanschrift¬
steller und einflußreicher Feuilleton-Redakteur der
„Kölnischen Zeitung") wurde auf den begabten
jungen Menschen aufmerksam. Seine und einiger
Freunde Hilfe machte es ihm möglich, im Jahre
1851 als 18jähriger wieder das Gymnasium (in Köln)
zu besuchen. 1856 kam er auf die Universität
Bonn, um klassische Philologie zu studieren. Die
Mittel zum Studium erwarb Fischer sich durch
fortgesetzte Tätigkeit als Hauslehrer in begüterten
Familien in Bonn, Köln, Lennep und Amsterdam.
Weil er immer wieder gezwungen war, wegen
Geldmangels sein Studium zu unterbrechen, konnte
er erst 1863 den Doktorgrad erwerben. 1865 be¬
stand et sein Staatsexamen und wurde Rektor in
Ottweiler, die letzten fünf Jahre seiner dortigen
Tätigkeit auch Lokalschulinspektor. Wegen eines
schlimmen Augenleidens mutzte er als 49jähriger
seine öffentliche Tätigkeit bereits aufgeben. Er
zog sich zuerst nach Bückeburg, dann nach Ober-
kassel zurück. Im Jahre 1916, am 5. Avril, ist er
gestorben. Er war zuletzt fast ganz erblindet.
Von Wilhelm Fischer sind im Laufe der Jahre
etwa 25 Bändchen Erzählungen erschienen, die
eine Auflage bis zu 20 000 und mehr erreichten.
Dazu kam seine dauernde Mitarbeit an vielen
Zeitungen (namentlich auch der „Kölnischen") und
am Bergmannsfreund. Den literarischen Teil des
Bergmannskalenders bestritt er bis in die Mitte
der neunziger Jahre vollständig. Dann erst tauchen
neben ihm auch andere Autoren auf."
In seinen Erzählungen war Fischer ein Kind
seiner Zeit: es waren einfache Geschichten be¬
lehrender Art: alle hatten ihre tiefe Moral. Sein
Stil und seine ganze Art und Weise war volks¬
tümlich: mit Recht hatte er sich den großen
deutschen Kalendermann, Peter Hebel,
zum Vorbild genommen.
Wir bringen an einigen Stellen unseres dies¬
jährigen Kalenders einige Aussprüche und Verse
von ihm, die von seiner Lebenserfahrung und
Lebensweisheit Probe geben. — In Ottweiler
war er allgemein verehrt, und bei den Kindern,
die auf der Straße immer um ihn waren, außer¬
ordentlich beliebt. Auch seine ehemaligen Schüler
blieben ihm sein ganzes Leben treu. Gar viele
kamen aus allen Teilen Deutschlands zu seinem
75. und 80. Geburtstag zusammen, ihn zu feiern.
Und diese Liebe und Verehrung hat er durchaus
verdient, denn er war ohne Zweifel nicht nur als
Mensch, sondern auch als Schriftsteller wertvoller
wie viele seiner späteren Konkurrenten in unserem
Kalender. Und deshalb möchte auch der Kalender¬
mann das Andenken dieses seines Vorgängers heute
besonders hier ehren! —
Sonst war, wie gesagt, nicht viel in den Kalen¬
dern enthalten. Was heute mit seinen Wert aus¬
macht. die statistischen Tabellen, die Personalnach¬
weisungen, fehlen in den ersten Jahren noch voll¬
ständig. Von den sonstigen belehrenden Aufsätzen
aus den Gebieten der Technik und des allgemeinen
Wisiens oder der schönen Künste überhaupt nicht
zu reden. Lediglich das ist zu erwähnen, datz die
Jahrgänge 1874 und 1875 eine kurze Darstellung
der „Geschichtlichen Entwicklung des Saarbrücker
Steinkohlenbergbaues" enthalten. Ihr Autor ist
im Kalender zwar nicht genannt, es handelt sich
aber um den späteren Geh. Vergrat Hatzlacher, der
hernach das Thema ausführlich in seinem bekannten
Werke behandelt hat.
Im Jahre 1897 ging der „Bergmannsfreund", der
2ch hob' dir schönsten Blumen zu einem Slrauhe gesucht.
*) <3n der Zeitschrift „Unsere Saar", Verlag Hausen, Saarlouis. Probeabbildung zu einer Erzählung in einem alteu Bergmannslralender.