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Aber kommen wir nach dieser Abschweifung wieder
auf das eigentliche Thema zurück. — Zwar bestand
die „Römerbrücke" am Halberg noch, wie wir ein¬
gangs erwähnten, bis zum 13. Jahrhundert. Als
aber die Grafen ihren Sitz nach der neuen Burg
verlegt hatten, als sich dort in deren Schutz eine
neue Ansiedlung gebildet hatte, und als weiterhin
diese ebenso wie die gegenüberliegende Ortschaft
St. Johann durch die Gnade der Herrschaft Stadt¬
rechte erhalten hatte, als weiterhin eben durch
diesen Enadenakt der Herrschaft die Beziehungen
zwischen den beiden „Städten" engere geworden
waren, da hatte eigentlich niemand mehr ein Jn-
teresie an der alten Brücke. Bedeutete doch deren
Benutzung jedesmal einen großen Umweg. Und
die Grafen selbst hatten am allerwenigsten ein Jn-
teresie daran, da die Verpachtung des zwischen ihren
beiden Städten eingerichteten Fährbetriebs doch
für sie eine Einnahmequelle bedeutete! — So ließ
man die alte Brücke denn auch ruhig verfallen,
ohne daß jemand nun an einen Ersatz für sie ge¬
dacht hätte! Dazu bedurfte es erst eines äußeren
Anstoßes und eines stärkeren Willens, als ihn
Grafen und Bürger bei der doch immerhin nur ge¬
ringfügiger Bedeutung des nachbarlichen Verkehrs
hätten aufbringen können. Und dieser Wille war
der des mächtigsten Mannes der damaligen Welt,
des Herrschers, in desien Land die Sonne nicht
unterging, Karl V., der Kaiser des heiligen römi-
en Reiches deutscher Nation. Denn der hatte im
ärz 1546 mit seinen Truppen das gleiche erfahren
müssen, wie zahlreiche Kaufleute, die auf ihrem
Weg zwischen Metz und den Rheinstädten und weiter
zwischen den Niederlanden und Italien hier die
Saar überschreiten mußten: daß nämlich bei Hoch¬
wasser die vorhandenen beiden Fähren nicht be¬
trieben werden konnten, und sie mit dem Warten
an der Saar kostbare Tage verloren. — Was nun
den Saarbrückern, des kaufmännischen Transitver¬
kehrs wegen zu schaffen, niemals eingefallen wäre,
das mußten sie jetzt auf des Kaisers Willen hin
tun: eine Brücke bauen.
So entstand als das Werk eines Metzer Archi¬
tekten die alte Brücke, die nach ihrer Erbau¬
ung die Bewunderung der Zeitgenossen hatte. 550
Fuß lang überbrückte sie das Saartal auf 14 Bogen.
24 Fuß war sie breit und ihre Höhe über dem mitt¬
leren Wasserstand betrug 31 Fuß. Die Bau-
schwierigkeiten, namentlich bei Gründung der
Pfeiler, waren groß gewesen) letztere allein hatte
die ganze ursprünglich ausgeworfene Bausumme
verschlungen. Die Gesamtkosten beliefen sich denn
auch auf die für die damalige Zeit ungeheure
Summe von 20.200 fl., so daß Graf Philipp II. zu
ihrer Deckung u. a. vom Kaiser die Genehmigung
zur Erhöhung der Zollgebühren nachsuchen mußte.
Auch wißen wir aus einer Beschwerde des Stifts
St. Arnual, daß dieses sich, (allerdings erfolglos),
wegen Heranziehung zu den für den Brückenbau
ausgeschriebenen Sondersteuer beschwerte.
Bis zum 19. Jahrhundert erhob sich an den beiden
Ausgängen der Brücke je ein Tor, das einen Teil
der Stadtbefestigung bildete. Ferner war auf
dem 8. Pfeiler (von dem St. Johanner Tor aus
gezählt) ein kleines Häuschen für den Brückenzoll-
Erheber und daneben ein zierliches Portal, das mit
den Wappen des Grafen und des Geschlechts der
Gräfin (Leiningen) geschmückt war. über dem
Bogen des Portals laß man auf der St. Johanner
Seite: „SUB CAROLO V. ROM. IMP. S. A. T.
FERD. R. FR. SUO“ *), während zur Linken und
Rechten der Wappen man folgenden Reim lesen
konnte:
„Als man zählt MDXXXXVI Jahr,
Merk auf, so sag ich Euch fürwahr,
Ward angefangen zu bauen an dieser Brucken
Vom Wohlgebornen Philippsen zu Nassau Saar¬
brücken
Moers und Saarwerden, Herr zu Lahr,
Als er alt war XXXVIII Jahr
Im XXXXVIII der mindern Zahl **) geendt,
Als er sich XXXX Jahr alt nennt."
Im Februar 1784 trat nach einem überaus stren¬
gen Winter, ein sehr starkes Hochwasser auf, das
der Brücke verhängnisvoll werden sollte: der neun
Meter über seinen normalen Stand gestiegene
Fluß riß die sechs mittleren Pfeiler samt dem
Brückenhäuschen fort. Glücklicherweise geschah dies
des Nachts, so daß Menschenleben nicht zu beklagen
waren. — Von 1785 auf 86 wurde die Brücke wieder
hergestellt, jedoch das Vrückenhäuschen wurde nicht
mehr aufgebaut.
1814, bei dem Rückzug der französischen Truppen
wurden von der kleinen Saarbrücker Besatzung
3 Bogen der Brücke vor der heranrückenden Blücher-
schen Armee gesprengt, so daß diese bei Saaralben
und bei Veckingen den Fluß überschreiten mußte.
— Im Jahre 1815 schon erfolgte die Wiederher¬
stellung.
Von den ursprünglichen 14 Bogen der Brücke
stehen heute noch 12' zwei auf der St. Johanner
Seite wurden beim Ausbau der Rampenstraße zu¬
geschüttet. — Aus der letzten Geschichte der Brücke
ist noch zu erwähnen, daß auch sie und ihre Um¬
gebung dem Verkehr mancherlei Zugeständnisse
machen mußte, angefangen von dem Fallen des
an ihrem Saarbrücker Ausgang gelegenen ehemals
Günderodeschen Hauses (wo Goethe 1770 weilte)
und der entsprechenden Freilage der „Schloßfrei¬
heit", um dem über sie geleiteten, inzwischen aber
wieder eingestellten Straßenbahnverkehr Platz zu
schaffen, bis zu der Erneuerung ihres Oberbaues
und den Plänen zu ihrer Verbreiterung im letzten
Jahre. Letztere dürfte allerdings ein frommer
Wunsch bleiben, hatte sich doch schon bei der Ver¬
breiterung des mittleren Brückenpfeilers zur Auf¬
nahme des Kaiserdenkmals erneut die Schwierig¬
keit der Gründung ergeben, während andererseits
die vorhandenen Fundamente für eine Verbreite¬
rung zu schwach sein dürften.
Lange, wie gesagt, hat es gedauert, ehe noch
weitere Brücken die Saar überspannten. Als erste
kam (1851/52) die Eisenbahnbrücke am
Deutschmühlenweiher hinzu, die aber eigentlich nicht
als eine Konkurrentin der alten Brücke angesehen
werden konnte. Diente sie doch nicht der Verbin¬
dung zwischen den beiden Städten, deren Weichbild
damals noch gar nicht bis in diese Gegend reichte,
sondern war nur ein Teilstück des Abschnittes
Saarbrücken-Stieringen, und nachher ein Glied in
*) 3u deutsch: Unter Karl V, römischer Kaiser, immer Augustus, und
unter seinem Bruder, dem Könige Zerdinand (erbaut).
**) Mit „minderer (Zahl" bezeichnete man in den damaligen Urkunden die
Jahreszahlen nach den Hunderten.