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keine besonderen Aufrückungsmöglichkeiten bie¬
tet, zum Verkehrsmeister in Jtzen-
plitz mit dem Range eines Inspek¬
tors ernannt hatte; aber bereits einige
Tage nach seiner Ernennung bat Herr Dörr,
ihm wieder in sein früheres Amt zurück¬
zuversetzen, da er sich durch seinen leidenden
Zustand den Anstrengungen dieses Dienstes
nicht gewachsen fühlte, und die Verwaltung
mußte diesem Wunsche des Beamten natürlich
entsprechen. Es blieb ihr lediglich die Mög¬
lichkeit, ihn durch eine besondere Gratifikation
zu entschädigen.
Eine besondere Stelle unter den Jubilaren
nimmt schließlich ein Mann ein, der zwar in
der Beamtenhierarchie nur einen bescheidenen
Rang bekleidet, auch bei den Saargruben
s e l b st zwar die 40 Dienstjahre noch nicht er¬
reicht hat, der sich aber durch seine k ü n st -
lerischen Leistungen einen ganz
besonderen, weit über die Gren¬
zen seines engeren Wirkungs¬
kreises hinausgehenden Ruf er¬
worbenhat, und dessen Bild wir deshalb
auch bringen: der Herr Kapellmeister Albert
Schlemmer.
Hören wir den jetzt 70jährigen alten Herrn
von seinen Jugendjahren sprechen, so sehen
wir in ihm wieder einmal ein leuchtendes
Beispiel für die Wahrheit jenes Satzes, dem
der römische Klassiker *) so drastisch in dem
Verse Ausdruck verlieh: „naturam expellas furca,
tarnen usque recurret!“ — Denn Herr Schlemmer
war zwar eines Musikers Sohn. Doch sein
Vater, der Kapellmeister der Vergkapelle in
Neunkirchen war (die später von dem ältesten
Bruder des Jubilars übernommen wurde)
wollte mit aller Gewalt die Sehnsucht seines
Sohnes Albert nach der Musik als Lebensberuf
unterdrücken, wenn er auch schon den 10jäh-
rigen Knaben in seiner Kapelle mitwirken ließ.
Er ersehnte für denselben nun einmal das ge¬
sicherte Brot einer Veamtenlaufbahn, und
zwang ihn deshalb erst zum Besuch des Neun-
kircher Gymnasiums und dann der Steiger¬
schule, deren Absolvierung ihm die Schicht¬
meister-Laufbahn eröffnen sollte. — Endlich
aber gestattete der Vater, daß sein Sohn sich
freiwillig zum Militär melde, jedoch in der
stillen Hoffnung, daß dort die harte Ausbil¬
dung und eine unvermeidliche Reihe trüber
Erfahrungen ihm die Liebe zur Musik ver¬
gällen, und die ihm durch der Eltern Willen
bestimmte Veamtenkarriere würden schätzen
lehren! — Aber der junge Metzer Militär¬
musiker hörte dort als ersten großen musika¬
lischen Eindruck seines Lebens die Oper
*) Magst du die Natur auch mit Gewalt (wörtlich: mit der
Heugabel) austreiben wollen, sie wird doch immer wieder^
kehren. — Zitat aus Horaz, Epist.
„Carmen", und bald darauf in einem Sym¬
phoniekonzert den damals 18jährigen Eugen
d'Albert. Als er dann später zum !. bad.
Leibgrenadierregiment nach Karlsruhe kam,
erhielt er neue nachwirkende musikalische Ein¬
drücke durch den genialen Felix Mottl, den
Leiter der Hofoper, und endlich fiel auch in
diese Zeit die erste Begegnung mit Franz
Lizt, die einen ungemein tiefen Einfluß auf
den jungen Mann ausübte. Sein Entschluß,
sich trotz des gegenteiligen elterlichen Wunsches
vollkommen der Musik zu widmen, wurde
felsenfest. — Er verließ im Herbst 1886 die
Fahne und ging in die Schweiz, in ein Berner
Orchester. Doch schon wenige Monate später
wurde er als 1. Trompeter in das Berliner
Philharmonische Orchester berufen, wo er unter
den bedeutendsten Dirigenten des In- und
Auslandes — wir nennen nur ein paar
Namen wie Mottl, Rubinstein, Mahler,
Nickisch, Rich. Strauß, Brahms, Weingärtner,
Tschaikowsky und vor allem Hans v. Bülow
— in täglichem neuen Erleben seiner Kunst
tätig war.
Erst nach 14 Jahren der Mitgliedschaft, nach
dem Tode Bülows, kehrte Herr Schlemmer in
seine Saarheimat zurück und übernahm die
Leitung der H e i n i tz e r Bergkapelle. An¬
fangs fand er dort kein leichtes Betätigungs¬
feld, denn es dauerte geraume Zeit, bis die
Kapelle den Intentionen ihres neuen Diri¬
genten folgen konnte. Doch gelang es ihm,
durch Zuzug neuer Kräfte über diese Schwierig¬
keiten hinwegzukommen, und bald genoß das
Orchester einen Ruf weit über die Grenzen
des Saarlands hinaus.
Mit dem Übergang der Saargruben an die
jetzige Verwaltung trat eine grundlegende
Änderung und Verbesserung des Musikwesens
bei diesen ein. Zunächst wurde damals ein
Eesamtorchester der Saargruben gebildet
unter Leitung des Herrn F o u r e st i e r , der
sich dabei der tatkräftigen Mitarbeit des Herrn
Schlemmer erfreuen konnte. Als daher nach
dem Weggang des Herrn Fourestier 1925 das
Gesamtorchester aufgelöst und für jede der drei
Gruppen ein besonderes Orchester gebildet
wurde, da konnte die Administration des
Mines für die Leitung des neuen
Gruppenorchesters Ost keinen Wür¬
digeren finden als eben unseren Herrn
Schlemmer.
So hatte der Künstler dank der jetzigen
Saargrubenverwaltung endlich das hei߬
ersehnte Ziel seines Lebens erreicht,
an der Spitze eines Symphonieorchesters zu
stehen, das ihm gestattete, zum wirklichen
Interpreten klassischer Musik zu werden. Und
der Zudrang zu seinen Konzerten und ins-