Full text: 60.1932 (0060)

14 
keine besonderen Aufrückungsmöglichkeiten bie¬ 
tet, zum Verkehrsmeister in Jtzen- 
plitz mit dem Range eines Inspek¬ 
tors ernannt hatte; aber bereits einige 
Tage nach seiner Ernennung bat Herr Dörr, 
ihm wieder in sein früheres Amt zurück¬ 
zuversetzen, da er sich durch seinen leidenden 
Zustand den Anstrengungen dieses Dienstes 
nicht gewachsen fühlte, und die Verwaltung 
mußte diesem Wunsche des Beamten natürlich 
entsprechen. Es blieb ihr lediglich die Mög¬ 
lichkeit, ihn durch eine besondere Gratifikation 
zu entschädigen. 
Eine besondere Stelle unter den Jubilaren 
nimmt schließlich ein Mann ein, der zwar in 
der Beamtenhierarchie nur einen bescheidenen 
Rang bekleidet, auch bei den Saargruben 
s e l b st zwar die 40 Dienstjahre noch nicht er¬ 
reicht hat, der sich aber durch seine k ü n st - 
lerischen Leistungen einen ganz 
besonderen, weit über die Gren¬ 
zen seines engeren Wirkungs¬ 
kreises hinausgehenden Ruf er¬ 
worbenhat, und dessen Bild wir deshalb 
auch bringen: der Herr Kapellmeister Albert 
Schlemmer. 
Hören wir den jetzt 70jährigen alten Herrn 
von seinen Jugendjahren sprechen, so sehen 
wir in ihm wieder einmal ein leuchtendes 
Beispiel für die Wahrheit jenes Satzes, dem 
der römische Klassiker *) so drastisch in dem 
Verse Ausdruck verlieh: „naturam expellas furca, 
tarnen usque recurret!“ — Denn Herr Schlemmer 
war zwar eines Musikers Sohn. Doch sein 
Vater, der Kapellmeister der Vergkapelle in 
Neunkirchen war (die später von dem ältesten 
Bruder des Jubilars übernommen wurde) 
wollte mit aller Gewalt die Sehnsucht seines 
Sohnes Albert nach der Musik als Lebensberuf 
unterdrücken, wenn er auch schon den 10jäh- 
rigen Knaben in seiner Kapelle mitwirken ließ. 
Er ersehnte für denselben nun einmal das ge¬ 
sicherte Brot einer Veamtenlaufbahn, und 
zwang ihn deshalb erst zum Besuch des Neun- 
kircher Gymnasiums und dann der Steiger¬ 
schule, deren Absolvierung ihm die Schicht¬ 
meister-Laufbahn eröffnen sollte. — Endlich 
aber gestattete der Vater, daß sein Sohn sich 
freiwillig zum Militär melde, jedoch in der 
stillen Hoffnung, daß dort die harte Ausbil¬ 
dung und eine unvermeidliche Reihe trüber 
Erfahrungen ihm die Liebe zur Musik ver¬ 
gällen, und die ihm durch der Eltern Willen 
bestimmte Veamtenkarriere würden schätzen 
lehren! — Aber der junge Metzer Militär¬ 
musiker hörte dort als ersten großen musika¬ 
lischen Eindruck seines Lebens die Oper 
*) Magst du die Natur auch mit Gewalt (wörtlich: mit der 
Heugabel) austreiben wollen, sie wird doch immer wieder^ 
kehren. — Zitat aus Horaz, Epist. 
„Carmen", und bald darauf in einem Sym¬ 
phoniekonzert den damals 18jährigen Eugen 
d'Albert. Als er dann später zum !. bad. 
Leibgrenadierregiment nach Karlsruhe kam, 
erhielt er neue nachwirkende musikalische Ein¬ 
drücke durch den genialen Felix Mottl, den 
Leiter der Hofoper, und endlich fiel auch in 
diese Zeit die erste Begegnung mit Franz 
Lizt, die einen ungemein tiefen Einfluß auf 
den jungen Mann ausübte. Sein Entschluß, 
sich trotz des gegenteiligen elterlichen Wunsches 
vollkommen der Musik zu widmen, wurde 
felsenfest. — Er verließ im Herbst 1886 die 
Fahne und ging in die Schweiz, in ein Berner 
Orchester. Doch schon wenige Monate später 
wurde er als 1. Trompeter in das Berliner 
Philharmonische Orchester berufen, wo er unter 
den bedeutendsten Dirigenten des In- und 
Auslandes — wir nennen nur ein paar 
Namen wie Mottl, Rubinstein, Mahler, 
Nickisch, Rich. Strauß, Brahms, Weingärtner, 
Tschaikowsky und vor allem Hans v. Bülow 
— in täglichem neuen Erleben seiner Kunst 
tätig war. 
Erst nach 14 Jahren der Mitgliedschaft, nach 
dem Tode Bülows, kehrte Herr Schlemmer in 
seine Saarheimat zurück und übernahm die 
Leitung der H e i n i tz e r Bergkapelle. An¬ 
fangs fand er dort kein leichtes Betätigungs¬ 
feld, denn es dauerte geraume Zeit, bis die 
Kapelle den Intentionen ihres neuen Diri¬ 
genten folgen konnte. Doch gelang es ihm, 
durch Zuzug neuer Kräfte über diese Schwierig¬ 
keiten hinwegzukommen, und bald genoß das 
Orchester einen Ruf weit über die Grenzen 
des Saarlands hinaus. 
Mit dem Übergang der Saargruben an die 
jetzige Verwaltung trat eine grundlegende 
Änderung und Verbesserung des Musikwesens 
bei diesen ein. Zunächst wurde damals ein 
Eesamtorchester der Saargruben gebildet 
unter Leitung des Herrn F o u r e st i e r , der 
sich dabei der tatkräftigen Mitarbeit des Herrn 
Schlemmer erfreuen konnte. Als daher nach 
dem Weggang des Herrn Fourestier 1925 das 
Gesamtorchester aufgelöst und für jede der drei 
Gruppen ein besonderes Orchester gebildet 
wurde, da konnte die Administration des 
Mines für die Leitung des neuen 
Gruppenorchesters Ost keinen Wür¬ 
digeren finden als eben unseren Herrn 
Schlemmer. 
So hatte der Künstler dank der jetzigen 
Saargrubenverwaltung endlich das hei߬ 
ersehnte Ziel seines Lebens erreicht, 
an der Spitze eines Symphonieorchesters zu 
stehen, das ihm gestattete, zum wirklichen 
Interpreten klassischer Musik zu werden. Und 
der Zudrang zu seinen Konzerten und ins-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.