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hin aber gelang es, die
Orter so genau, als es
nur dem unbewaffneten
Auge möglich ist, zu be¬
stimmen, in den Mittel¬
werten sogar bis ans
eine Bogenminute. Tvcho
Brahe hatte diese Be¬
obachtungen zunächst auf
seiner Sternwarte auf
der dänischen Sundinsel
Jlven gemacht, später,
als er von dort nach dem
Tode seines Beschützers,
des dänischen Königs
Friedrich II. als ein
Opfer einer Beschuldi¬
gung der Zauberei *)
fliehen mußte, in Prag,
wo ihm der selbst für
Astrologie schwärmende
Kaiser Rudolf II. eine
Zuflucht gewährte. Hier
in Prag fand er einen
vollgültigen Ersatz für
so manchen in Däne¬
mark verlorenen Mit-
arbeiter in dem jungen
deutschen Astronomen
Kepler.
Johann Kepler
war am '27. Dezember
1571 zu Weil in Schwa¬
ben als Sprößling eines
verarmten und ' herab¬
gekommenen Adels¬
geschlechts, der Kappel,
geboren, hatte in Tü¬
bingen bei der Reforma¬
tion anhängenden Professoren Theologie ftubicxt und
war hier mit der Lehre des Kopernikus bekannt
geworden, der er sich mit Feuereifer hingab. Er
nahm dann die Stellung eines Landschaftsmathe-
matikus der „ protestantischen Stände in Steier¬
mark" an, mit welcher ein Lehramt am Provinzial-
ghmnasium in Graz verbunden war. Als solcher
wurde er der großen Menge durch verschiedene tat¬
sächlich eingetroffene Prophezeiungen, welche er, nach
der Sitte der Zeit, dem von ihm veröffentlichten
Kalender**) beigaö, als großer Astrolog be¬
kannt, errang aber gleichzeitig auch den Ruf eines
sehr ernst zu nehmenden Astronomen dilrch sein
erstes mit 25 Jahren herausgegebenes Werk, in
welchem er zuerst den von ihm stets festgehaltenen
Gedanken entwickelte, daß in unserem Planeten-
Ibstem eine gewisse Harmonie nachweisbar sein müsse,
und auch die Frage nach der Entstehung der Pla¬
neten zu beantworten suchte. Dadurch lenkte er Tycho
Brahes Aufmerksamkeit auf sich, der ihn 1600 als
lernen Gehilfen nach Prag berief. Ein Jahr lang
arbeiteten die beiden noch zusammen, wobei Brahe
*- Man darf nicht vergessen, daß um jene Zeit der von Brahe
bekämpfte Hexenwahn Mühte.
**) Kepler war also auch ein „Kalendermann", ein Grund mehr
für den allzeit die Naturwissc.Schäften pflegenden Brrgmannskalender,
sich seiner zu erinnern.
die Lehre des Kopernikus
noch nicht anerkennen
wollte, Kepler hingegen,
im Innersten von ihrer
Richtigkeit überzeugt, die
iwch fehlenden „Beweise"
zu schaffen bei sich be¬
schloß. Nach Brahes Tode
ergab sich dann von
selbst, daß Kepler sein
Nachfolger als Hof¬
astrolog des Kaisers und
Erbe des gesamten Brahe¬
schen Materials wurde.
Zunächst untersuchte er
die Bewegungen des Pla¬
neten Mars und fand,
gestützt auf frühere Be¬
obachtungen feines Vor¬
gängers, nach zahlreichen
' außerordentlich müh¬
samen Versuchen die bei¬
den ersten nach ihm be¬
nannten Keplerschen
Gesetze: 1. „die Pla¬
neten beschreiben um die
Sonne (keine Kreise, wie
man bisher glaubte, son¬
dern) Ellipsen, in deren
einem Brennpunkt die
Sonne steht", 2. „der
Radius Vector (d. h. die
Verbindungslinie Sonne-
Planet) überstreicht in
gleichen Zeiten gleiche
Flächenräume." — Er
veröffentlicht sie 1609 in
seinem Hauptwerk « A8-
tronomia Nova ». Zwei
Jahre später erschien feine « Dioptrice », welche eine
Theorie der Linsen und des astronomischen Fern¬
rohrs *) enthält. — Leider gestalteten sich seine äuße¬
ren Verhältnisse sehr trübe: Frau und Kind starben;
er lebte in ständiger Geldnot, weil die Kasse des
ganz seinen alchimistischen Neigungen sich hingeben¬
den, immer mehr dem Wahnsinn verfallenden Kaisers
nie ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen
konnte, und endlich wurde auch seine Stellung er¬
schüttert, als Rudolf II. zugunsten seines Bruders
Matthias abgesetzt wurde. Deshalb trat Kepler in
den Dienst der oberösterreichischen Landstände, zog
nach Linz, wurde dort Lehrer der Mathematik an
der Landschaftsschule, revidierte ferner die Landes¬
aufnahme, blieb aber auch weiterhin seinen
Forschungen treu. 1618 fand er das 3. seiner
Gesetze: „Die Kuben der großen Achsen der ver¬
schiedenen Planetenbahnen verhalten sich wie die
Quadrate der Umlaufzeiten." — 1627 endlich ver¬
öffentlichte er die bereits in Prag begonnenen „Pla¬
netentafeln". Inzwischen hatte er (1620—21) in die
Heimat reisen müssen, um seiner in einen Hexen¬
prozeß (es war eine traurige Zeit für freie Geister
Kepler ist also der Erfinder der astro>«ouiuchen Fernrohrs; doch
hat er selbst nie «in solches benutzt, da ein Augenleiden Um
hinderte. Das erste wurde vielmehr 1613 nach Keplers Vorschrift
von Chr. Schciner konstruiert.