26
Unser freund: Der Mond,
Immer wieder beschäftigt sich die menschliche
Phantasie mit unserem Himmelstrabanten, dem
Mond. Immer wieder taucht der Gedanke an eine
Reise nach dem Mond auf, wenn es auch von der
„Mondrakete" allmählich wieder still geworden ist.
Wie sieht es nun da aus?
Es ist natürlich, daß eben die große Nähe des
Mondes, die ihn uns als große, runde, klare Scheibe
erscheinen läßt, und schon dem bloßen Auge Flecken
zu sehen gestattet, die kindliche Phantasie für Gesichts¬
züge nahm, eine durchaus nicht allzu scharfe Bewaff¬
nung des Auges aber als Höhen und Tiefen bereits
erkennen ließ, einen Anreiz gab, sich mit der Erfor¬
schung seiner Natur auf das Eifrigste zu befassen.
So dürfte allgemein bekannt sein, daß dem Mond
eine irdische Atmosphäre fehlt, daß Wasser infolge¬
dessen auf ihm ebensowenig vorhanden ist, daß in
den: von der Sonne bestrahlten Teil eine furchtbare
Hitze, im Schatten aber eine eisige Kälte herrscht, daß
er der Erde, um die er kreist, ständig die gleiche Hälfte
zuwendet, so daß man vom Mond aus nur von
dieser Seite aus die Erde wie eine enorme, hell¬
glänzende Kugel an dem rabenschwarzen, von den
durch das Fehlen der Atmosphäre auch am Tage sicht¬
baren Sternen funkelnden Himmel sehen würde, von
der anderen hingegen niemals, und so weiter...
Nicht allgemein bekannt ist schon der Umstand, daß
die Phasen des Mondes nicht überall die gleichen
finb; der zunehmende Mond erscheint uns auf der
nördlichen Halbkugel mit dem erleuchteten Sichel¬
rande rechts, während derselbe in den Tropen unten
und auf der südlichen Halbkugel links zu sehen ist.
Die Bahn des Mondes um die Erde wird nicht so
sehr durch die Anziehungskraft der Erde beeinflußt,
als vielmehr durch die der Sonne gestört; sie hat
daher viele Unregelmäßigkeiten, die zur Beiziehung
zahlreicher (über 600) Gleichungen für die Berech¬
nung des Mondumlaufs zwingen. Die Phasen des
Mondes erklären sich dadurch, daß er eben selbst nicht
leuchtet, sondern nur von der Sonne bestrahlt ist,
deren Licht er auf unsere Erde reflektiert. Es braucht
für diesen Weg 1K Sekunden. Bei näherer Betrach¬
tung entdeckt man aber auch in der Zeit, da der
Mond uns nur als schmale Sichel erscheint, den Rest
der Scheibe in einem zarten, grau-violett schim¬
mernden Licht. Diese Erscheinung wurde zuerst von
dem als Forscher ebenso wie als Maler und Bild¬
hauer bedeutenden Lionardo da Vinci als der Wider¬
schein der Erde erklärt. >— Gleichwie wir „Voll-
m o n d" haben, so hat in dieser Zeit eben der Mond
„Vollerde".
Wie gesagt: der Mond erscheint uns infolge seiner
Nähe als der größte Himmelskörper; aber er ist
für seine „Klasse", wenn wir uns so ausdrücken
wollen, auch relativ groß. Während die Monde
anderer Planeten im Verhältnis zu ihrem Herrn
nur winzig sind, ist sein Durchmesser sogar °/n des
Erddurchmessers, seine Dichtigkeit (0,65 rund) kommt
der irdischen sehr nahe und^entspricht einem spezi¬
fischen Gewicht von 3,4. Die Schwere auf dem Monde
ist bekanntlich viel geringer wie arft der Erde
(nur V«); ein Körper fällt also in der Sekunde nur
0,83 in; daher erklärt sich auch die viel größere Höhe
der Gebirge auf dem Mond im Gegensatz zur Erde.
Schon mit bloßem Auge sieht man ja die Flecken
des Monds, die dem Kinde als Nasen, Augen und
Mund des Mondgesichts erscheinen. Im Fernrohr
entpuppen sie sich als riesige Ebenen, die man zuerst
für ungeheure Meere oder doch deren Becken hielt;
daraus erklärt sich ihre wissenschaftliche Bezeichnung
mit dem lateinischen Wort « mare », gleich „Meer'.
— Die hellen Flächen erscheinen im Fernrohr als
bestrahlte Bergslächen, die von gewaltigen Höhen¬
zügen umschlossen sind. Sie sind zerrissen und zer¬
klüftet, wie wenn ein hochbrandendes Meer auf einen
Schlag erstarrt wäre. Ihre spitzen Kämme, die sich
bis zu 6000 Metern über die Mare-Ebene erheben,
werfen lange, tiefschwarze Schatten über das Land,
wie überhaupt der Mond im Fernrohr nur zwei
Farben hat: leuchtendweiß und tief finsterschwarz. —
Neben diesen Gebirgszügen ist die Mondfläche besät
mit Ringbergen, „Kratern". Charakteristisch ist für
die meisten von ihnen eine kreisrunde Form, die ein
tiefes Loch im Mondboden umschließt, in dessen
Mitte häufig ein Bergkegel steht. So gleichen sie,
um einmal einen allgemein verständlichen Vergleich
zu gebrauchen, nicht schlecht riesigen Rondonformen.
Diese M o n d k r a t e r, das augenfälligste Bild
auf der ganzen Mondfläche, die sie so sonderlich von
dem Anblick der Erde abweichen läßt, einwandfrei zu
erklären, ist der Wissenschaft bisher noch nicht
gelungen. Jedenfalls aber sind es keine erloschenen
Vulkane, wenn man sie der äußeren Ähnlichkeit
wegen auch gewöhnlich so bezeichnet.
Eine andere merkwürdige Erscheinung auf dem
Monde sind die sogenannten Rillen oder Licht¬
adern. Mit diesen Namen werden grabenartige
Furchen bezeichnet, die, bis 500 Kilometer lang, aber
nur sehr schmal (ihre Breite beträgt höchstens 1 Kilo¬
meter) sich über die Mondfläche hinziehen. Sie sind
selten inmitten der großen Ebenen, auffallend häufig
jedoch am Rande derselben und diesem parallel lau¬
fend. — Ihre Entstehung ist bisher noch ebensowenig
geklärt wie die der besonderen Strahlen-
systeme, die man sowohl inmitten der Mare als
von den großen Kratergebirgen auslaufend, beobach¬
ten kann. Da diese Stellen je nach der Mondphase
verschwinden, und da sie niemals einen Schatten
werfen, können es weder Erhöhungen noch Vertie¬
fungen sein. Vielmehr ziehen sie durch Tiefen und
über Höhen weg, ohne ihre Richtung zu ändern. Man
kennt über 30 Systeme und erklärt sie als solche
Teile der Mondoberfläche, welche infolge ihrer chemi-
! schen Zusammensetzung oder Kristallisierung lebhafter
! das Licht reflektieren als die übrige Mondwelt.