Full text: 58.1930 (0058)

fürstlichen „Knappen" gemacht, wäre es wohl 
lieber gewesen, wenn das gemütliche alte Schür¬ 
fen auf eigene Rechnung weitergegangen wäre, und 
die Bürger der beiden Städte sahen nur das Geld, 
das alle diese noch in oen Kinderschuhen steckenden 
Einrichtungen und die notwendigen Versuche k o st e- 
t e n. Daß Wilhelm Heinrich nicht nur Fürst, son¬ 
dern gewissermaßen auch, um einen modernen Begriff 
zu gebrauchen, ein „Industrieller" sein wollte, daß 
er als solcher schon damals dachte und daß er 
infolgedessen auf lange Sicht hin wirtschaftete, daß 
ein Mensch überhaupt Gelder in Unterneh¬ 
mungen hineinstecken konnte, die ihm selbst vielleicht 
gar nicht, vielleicht sogar erst seinen Kindeskindern 
einen Gewinn versprachen, alles das ging über den 
Horizont der biederen Untertanen. So ward denn 
das angekündigte „Sparregiment" des neuen Herrn 
mit Freuden begrüßt; so trug auch manche seiner 
Eigenschaften zunächst zu seiner Volkstümlichkeit 
bei. Mit Behagen erzählte man sich die Witze, 
an denen er sich erfreute. So hatte er am Teiche 
seines Jagdschloßes Ludwigsberg das Standbild des 
Landrats ^Dorn, eines eifrigen Anglers, aufstellen 
lassen, wie er dastand, die Angel in der Hand, wäh¬ 
rend ein Fisch ihm aus der Rocktasche schaute. Ein 
andermal hatten der Kapitän v. Wilberg und einer 
seiner Freunde den Musikanten und Tambours der 
Schloßkompagnie für ihr Neujahrsständchen kein 
Trinkgeld gegeben, und mit fröhlichem Lachen quit¬ 
tierte man es, als nun Ludwig ihnen durch die Hirten 
der beiden Städte sowie durch drei Hundejungen mit 
Hörnern, Gießkannen, Klarinetten und Schellen eine 
Katzenmusik bringen ließ. Wie patriarchalisch Ludwig 
selbst das Verhältnis zu seinen Bürgern auffaßte, 
geht aus der Anekdote über die Entstehung der 
„Fürstenstraße" in Saarbrücken 3 hervor: wie er 
nämlich eine Zeitlang, als er mit den „Sann Jehan- 
nern" aus irgend einem Grunde unzufrieden war, 
wenn er vom Saarbrücker Schloß zu seinem Jagd¬ 
schloß Ludwigsberg ritt, nach Passieren der Saarbrücke 
den Weg um die Sankt Johanner Stadtmauer her¬ 
um nahm (also im Zuge der heutigen Fürstenstraße), 
um die „unartigen Kinder" so durch die Entziehung 
seines Anblicks väterlichst zu strafen. 
Waren diese Scherze noch verhältnismäßig harm¬ 
loser Natur, so waren andere Handlungen desto mehr 
geeignet, das gute Bild, das die Untertanen sich von 
ihm machten, zu trüben. Erne seiner H a u p t l e i - 
denschasten war, wie wir aus dem Titel sehen, 
das O r d e n s w e s e n. Am seinem Wappenschilde 
sieht man außer den Insignien der im „Titel" er¬ 
wähnten französischen, deutschen und lurpfälzer 
Orden auch noch die eigene Stiftung, den « ordre de 
l’amitie », auch „Orden der Ritter der ächten Treue" 
genannt. Weiter stiftete er einen „Ritterorden der 
göttlichen Vorsehung", wobei er von einem gewissen 
Herrn v. Gritsch aus Regensburg, einem 'Manne, 
den wir Wohl 'als eine Art Hochstabler bezeichnen 
können, sich lenken und leiten ließ. Dieser, den er 
mit Ehren und Würden überschüttete, brachte ihn 
auch aus die Idee, eine Ritterakademie, als 
deren Direktor natürlich Gritsch selbst fungieren 
sollte, ins Leben zu rufen, ein Unternehmen, das er¬ 
klärlicher Weise mangels geeigneter Zöglinge gar 
bald kläglich ins Wasser fiel. 
Ueberhaupt besaß Ludwig ganz im Gegensatz zu 
seinem Vater, der jeweils den rechten Mann auf 
die wichtige Stelle zu setzen gewußt, eine recht 
schwache Menschenkenntnis. Dabei war 
er zwar mit Versprechungen höchst freigebig, aber 
höchst unzuverlässig und launenhaft. So ent¬ 
wickelte sich denn eine Günstlingswirtschaft 
reinsten Stils, als deren Krone der Präsident von 
Hammerer erscheint, jeneM Mann, dessen Ent¬ 
fernung auf den berühmten „Petitionen" der Nassau- 
Saarbrücker- und der Ottweiler Untertanen neben 
den „B e r e ch t i g u n g s k o h l e n" und der Ein¬ 
schränkung der Jagdschäden und Aufhebung 
der diesbezl. Froh n den*) an wichtigster Stelle 
fungierte. 
Hier streifen wir gleich noch einen weiteren 
Hauptfehler des Fürsten, den seine Untertanen ihm 
mit Recht zum Vorwurf machten: seine Jagd¬ 
leidenschaft. Der bekannte Schriftsteller Frei¬ 
herr von Knigge**), besten Briefen wir zahlreiche, 
hoch interessante Lichter auf die Saarbrücker Hof¬ 
haltung werfende Einzelheiten verdanken, schreibt 
darüber, nachdem er von den fürstlichen „F i sch¬ 
leichen" in Dudweiler und der ebenfalls dort 
errichteten, viel Geld kostenden „ansehnlichen 
Stutereh" gesprochen: 
„Wir fuhren des andern Morgens nach Jägers¬ 
berg, einem Jagdschlöße des Fürsten. Dies Schloß 
liegt hoch, von Waldung umgeben, die zu einem 
Parforce-Jagd-Park eingezäumt ist; am A b h a n g e 
des Berges aber, unmittelbar an den englischen 
Garten stoßend, das Dorf Neunkirchen. Die 
Hintere Seite des Schloßes hat die Aussicht auf 
Terasten, die, den Berg hinab, fast bis zu den be¬ 
trächtlichen Eisenhütten fortgeführt sind, welche im 
Thale liegen. Das massive Gebäude ist in der Form 
eines halben Mondes gebaut, hat auf den behden 
Flügeln nur ein Erdgeschoß, dahingegen in der 
Mitte noch eine Etage aufgesetzt ist. Jeder Ge¬ 
genstand, den man hier erblickt, hat Bezug 
auf die Jagd, welche der Fürst vormals, mehr 
wie jetzt, außerordentlich liebte. Oft hat 
ein Hirsch die nachsetzenden Jäger zwölf Stunden 
Weges weit gelockt ft>enn Sie wissen vermutlich, 
daß, nach den Konventionen der Parforce-Jäger, bei 
Verfolgung des Wildes keine Gränze respectiert 
wird). Aks ich das erstemal in Saarbrücken war, 
fand ich den M a r st a l l mit dreyhun.dert 
Pferden besetzt, wovon ein großer Theil zu 
diesem Vergnügen bestimmt war.' Piqueurs und 
Hunde verstehen ihr Handwerk, und der Aufzug 
bey der Parforce-Jagd ist glänzend. Das Schloß ist 
von Außen gänzlich bekleidet mit einer ungeheu- 
r e n, daran festgenagelten Menge von Geweyhen 
der gejagten Hirsche. Der Hof bringt den Herbst hier 
zu, und dann ist von nichts wie von Jagd 
die Rede. Hier bedient sich der Fürst auch eines 
Silber-Services, wovon die Knöpfe der Terrinen 
und Glocken in Gestalt von Hirsch- und Schweins¬ 
köpfen gearbeitet sind. Einige Zimmer aber sind 
verziert mit Tafeln, auf welchen man hinter Glas 
das Verzeichnis der in jedem Jahre parforce gejagten 
Hirsche sauber eingeschrieben sieht, nebst den genaue¬ 
ren Nachrichten von den dabey vorgefallnen Umstän¬ 
den. So hat doch der arme Hirsch den 
*) Siehe BergmannSkalender 1928, Sette 164 ff. 
**) Dessen Name durch sein Wert .über den Umgang mit Men¬ 
schen" zum geflügelten Wort wurde.
	        
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