38
An einem Markttage in Saint-Pot-de-Lêon. Bretonen beim Tanz.
Das Flüßchen Conesnon, das am Mont-
Saint-Michel ins Meer mündet, bildet die Grenze
zwischen Normandie und Bretagne. Damit kom¬
men wir in ein anderes Land. Anders nicht so
sehr im Charakter der Küste, die zunächst noch
die gleiche bleibt; noch rund 30 1cm nach Westen
der gleiche Wattenstrand, dann ab Cantale hohe
Felsen und weiterhin bis zum Finistère (finis
terrae == das Ende der Erde) eine wildzerrissene
Steilküste, mit phantastischen Felsbildungen.
Anders aber sind schon die Menschen, das alte
seefahrende Volk der Bretonen. Hier hat sich
reines Keltentum bis in unsere Tage erhal¬
ten, besonders dadurch, daß, als England im 6.
und 7. Jahrhundert von den Angeln erobert
wurde, die dortige keltische Bevölkerung nament¬
lich aus der Cambritscher Gegend, zurückflutete
nach hier. So erhielt sich hier denn auch die
bretonische Sprache (ähnlich der im gegenüber
liegenden Südwestzipfel Englands, in Cornwallis
gesprochenen keltischen Mundart) und die breto¬
nische Kultur hat heute noch ihre Stätte in den
drei westlichen Departements Jlle-et-Vilaine,
Cotes-du-Nord und Finistère der sogenannten
Niederbretagne, während in den östlichen beiden:
Morbihan und Loire-Jnfärieure sich der Einfluß
des Französischen hat durchsetzen können dank der
verbindenden Kraft der Loire. — Deshalb wollen
wir uns heute mit ihnen nicht weiter beschäf¬
tigen und nur kurz erwähnen, daß das altbe¬
rühmte Bannes die Hauptstadt des ersten, das
wahrhaftig in der Geschichte nicht minder be¬
rühmte Nantes die des anderen ist. Heute ist
Nantes eine hervorragende Industriestadt mit
170.000 Einwohner. — Doch hier wollen wir von
der eigentlichen Bretagne sprechen. Die Bretonen
sind äußerst konservativ, hängen an alten Bräu¬
chen und Trachten, mehr noch als die Normannen
(so bekannt auch namentlich durch die jetzige Mode
deren Spitzenindustrie geworden ist). Hier ist die
Heimat der Sagen von König Artus und seiner
Tafelrunde; hier liegt der Wald Brezilian, uns
aus dem „Parzival" bekannt. Hier finden sich zahl¬
reich die Dolmen und Monolithen (bei C a r n a c
standen, wie es heißt, einst in 11 Reihen 11.000
Stück) Kultstätten der Druiden und Gräber be¬
zeichnend *. — Überall auch finden sich aus dem
*) Ähnliche Dolmen finden sich z. B. auch in der Auvergne, ähn¬
liche ,,Steinkreise" in England; und an die Dolmen der Saar sei
auch erinnert.