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risierte Blätter nach
Paris an die Köni¬
gin - Mutter Katha¬
rina von Medici, die
sie ihren Sohn, den
späteren König Karl
IX-, bei schweren
Migräneanfällen als
Schnupfpulver
gebrauchen ließ. Da
der Gebrauch hier
durch den auftreten¬
den Nießreiz schmerz¬
lindernd und günstig
wirkte, so wandte sich
bald das allgemeine
Interesse der dama¬
ligen Ärzteschaft dem
neuen „Königinnen¬
kraut", auch „Kraut des
Gesandten" genannt,
zu. Man glaubte in ihm
ein Universalmittel ge¬
gen die verschieden¬
sten Leiden gefunden
zu haben und verordnete es in Form von Extrak¬
ten, Tinkturen, Aufgüssen, Pillen, Pulvern, Klistie¬
ren und Salben; bloß „geraucht" wurde es noch so¬
zusagen garnicht. —
Nicots Name selbst lebt in der modernen Wissen¬
schaft fort, denn nach ihm hat die Tabakpflanze durch
Lftrnä den Namen „Nicotiana" erhalten und wird
der in ihr enthaltene ätherische Giftstoff „Nicotin"
benannt.
Etliche Jahre später kam der Tabakgenuß auch nach
England. Damals hatte Sir Walter Raleigh für
die englische Krone ein neues großes und fruchtbares
Land auf der geheim¬
nisvollen Westhälfte
der Erdkugel entdeck!,
das zu Ehren der
Königin Elisabeth, der
„Virgin Queen", den
Namen Virginia er¬
halten hatte. Als nun
dies Land von Eng¬
land aus besiedelt
wurde, lernten die
Ansiedler ebenfalls die
Sitte des Rauchens
kennen. Der Kapitän
Ralph Lane, das
Haupt der Kolonie,
brachte dann 1586
Tabak und Pfeifen
nach England und
machte Sir Raleigh
mit ihrem Gebrauch
bekannt. Der wurde
bald' ein begeisterter
Anhänger, und sein
Beispiel wirkte zün¬
dend am Hof wie im
Lande selbst. Der Ge¬
brauch wurde allge¬
mein, und bald gab
es in den Städten
nicht weniger Tabak¬
läden wie Bierhäuser.
Elisabeths Nachfolger,
König Jakob L, be¬
mühte sich, das neue
„Laster" zu bekämpfen,
zunächst durch vierzig¬
fache Erhöhung des
Einfuhrzolls, dann
durch eine besondere
Schmähschrift „Rauch-
Gegenwind gegen den
Tabak" betitelt, die er
1616 veröffentlichte,
und endlich durch ein
streng durchgeführtes
Anbauverbot fiir Eng¬
land, das tatsächlich
noch bis 1910 bestand.
— Von England kam die Sitte des Rauchens nach
Holland, und die würdigen Minheers mit ihren
langen Tonpfeifen wurden bald tonangebend für die
kultivierte Welt. Nächst Deutschland eroberte sich
dann der Tabak den Osten, erst Rußland, darnach die
Türkei und den Orient, in beiden Ländern zunächst
noch mit schimpflichen Leibes- und Lebensstrafen be¬
droht, dann aber Allgemeingut des Volkes, um so
mehr, als auch der Anbau des Krautes zu guten
Erfolgen fiihrte.
In den w e st l i ch e n Ländern, in Spanien, Por¬
tugal und Frankreich, war, dem Beispiel des Hofes
folgend, das Schnup¬
fen allgemein gewor¬
den und wurde dem
Rauchen als feineres
und aristokratischeres
Vergnügen denn auch
in Deutschland vorge¬
zogen. Man überließ
das Rauchen gern
rauhen Matrosen oder
groben Wachtmeistern,
wie ja auch der Bauer
so schön antwortete,
als ihm ein Mohr
vorn Königshof seine
brennende Pfeife an¬
bot: „Nee, gnädiger
Herr Dübel, ich fress'
kein Füer!" — Und
die Herren und Da¬
men vom Hofe schnupf¬
ten, es schnupften Die¬
ner und Zofe, es
schnupfte der würdige
Die Tonpfeife kommt nach Europa.