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Goethe als Theaterleiter: Skizze zu einer Gerichtsszene.
hier in Weimar an Stelle des bisherigen unsteten
Wanderlebens siir das ganze Jahr Stellung und Be¬
schäftigung geboten war, taten's sicher nicht. —
Selbstverständlich wurde auch die Ope r, stets das
Lieblingskind der Gesellschaft, nicht vernachlässigt.
Goethe selbst schreibt über seine Tätigkeit: „da die
Oper immer ein Publikum anzuziehen und zu er¬
götzen, das sicherste und bequemste Mittel bleibt, so
konnten wir, von dieser Seite beruhigt, dem rezitie¬
renden Schauspiel desto reinere Aufmerksamkeit wid¬
men; nichts hinderte, dieses auf würdige Weise zu
behandeln und auf würdige Weise zu beleben." Und
das geschah denn auch nach und nach in verstärktem
Maße. Unablässig war Goethe dabei bemüht, einen
einheitlichen Stil für die Aufführungen seines En¬
sembles zu erzielen; wenn er anläßlich der Einstudie¬
rung des Schillerschen „Don Carlos" (1742) z. B.
kurz schreibt: zum erstenmal wurde das jambische
Versmaß eindringlich studiert und damit eine Regel
seiner schauspielerischen Bezwingung gefunden", so
lassen diese wenigen Worte kaum ahnen, welche Un¬
summe von Arbeit dahinter steckte. Denn bisher
waren entweder Prosa oder der gereimte Alexan¬
driner nach französischem Muster das übliche ge¬
wesen; der reimlose fünfüßige Jambus war etwas so
neues, daß z. B. Goethes in Italien vollendete Um¬
arbeitung seiner „Iphigenie" in dies Versmaß, die
wir heute gerade wegen der Schönheit der Verse so
besonders hoch schätzen, damals im Kreise seiner
Freunde, die doch die Prosafassung so entzückt hatte, als
„kalt" abgelehnt worden war. — So mußten in
langwierigen Leseproben und hernach in den Spiel-
proben, die Schauspieler erst gewöhnt werden, Verse
zu sprechen. — Goethe, der sich als Programm gestellt
hatte: „bisher hatte man die schöne Wirksamkeit ge¬
sucht, jetzt wurde die schöne Wahrheit gefordert; bis¬
her hatte die lebendige Natur als Maßstab gegolten,
jetzt sollte ein geläuterter Geschmack zur Richtschnur
werden", hatte in den „Regeln für Schauspieler" ein¬
gehende Anweisungen aufgestellt. Auch sonst bereitete
er die Aufführungen bis ins kleinste vor; zahlreiche
Handzeichnungen mit Dekorationsentwürfen, Figu¬
rinen usw. sind noch vorhanden.
Auch die klassische und fremde Literatur wurde
nicht vernachlässigt; so bearbeitete Schiller Shake¬
speares „Macbeth" und Gozzis „Turandot", Goethe
Voltaires „Mohamet" und „Tancret". Später fan¬
den dann statt derartiger Bearbeitungen mehr Über¬
setzungen der Originale (durch den damals in Jena
lebenden Schlegel) Aufnahme, neben Shakespeares
beispielsweise des großen Spaniers Calderon. Be¬
rühmt wurden die Auffiihrungen der Schillerschen
Dramen, von denen namentlich die Wallenstein-
Trilogie die höchste Begeisterung hervorrief, berühmt
auch die Shakespeare-Aufführungen, als deren Gipfel
die von „Romeo und Julia" am 1. Februar 1811 an¬
zusehen war. Kurz darnach legte Goethe, der in seiner
Tätigkeit natürlich manche Anfeindung im Laufe der
Jahre gefunden, sein Amt nieder. —
Wir sprachen vorhin von Handzeichnungen. —
Goethe als Zeichner. Auch das ist ein weniger
bekanntes Kapitel seines Lebens. In „Wahrheit und
Dichtung" hat Goethe uns erzählt, wie er zeichnen
lernte bei einem „Zeichenmeister, der uns täglich eine
Stunde beschäftigte":
„Dieser gute alte Mann war freilich nur ein Halb-